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Gemeinsam zum arktischen Öl

Rosneft und ExxonMobil unterzeichneten Abkommen zu strategischer Partnerschaft

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Eigentlich war eine Zusammenarbeit mit dem britischen Energiekonzern BP in der Arktis geplant. Doch für gemeinsame Ölprojekte wählte der russische Staatskonzern Rosneft jetzt ExxonMobil aus den USA als strategischen Partner.

Es sind Summen, die das Vorstellungsvermögen eines Normalverbrauchers um ein Vielfaches übersteigen: Bis zu 300 Milliarden US-Dollar wollen Rosneft, Russlands größter Ölförderer, und der US-amerikanische Ölmulti ExxonMobil in die gemeinsame Erschließung und Ausbeutug von Vorkommen investieren. So jedenfalls sieht es ein Abkommen zur strategischen Kooperation vor, das beide Dienstagabend im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi unterzeichneten, wo derzeit auch Präsident Dmitri Medwedjew Urlaub macht.

Das Abkommen, von dem sich der für Energie zuständige Vizepremier Igor Setschin einen wirtschaftlichen Nutzeffekt von bis zu 500 Milliarden US-Dollar verspricht, sieht unter anderem vor, dass ExxonMobil 33,3 Prozent der Anteile an einem Joint Venture in der russischen Karasee übernimmt, die Teil des nördlichen Eismeeres ist. 66,7 Prozent der Anteile wird Rosneft kontrollieren.

Ähnliche Mehrheitsverhältnisse sind für ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen zur Ölförderung im russischen Teil des Schwarzen Meeres geplant. Im Gegenzug wollen die Amerikaner die Russen an sechs Projekten in den USA mit schwer ausbringbaren Reserven im Golf von Mexiko beteiligen. Angestrebt wird auch eine Kooperation in Drittstaaten.

Mit der Realisierung des Abkommens, dessen Unterzeichnung Premier Wladimir Putin beiwohnte, soll bereits 2012 begonnen werden, meldete die halbamtliche Moskauer Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Die Märkte reagierten prompt: Globale Hinterlegungszertifikate auf Rosneft-Papiere zogen an der Londoner Wertpapierbörse um 8,93 Prozent an. Heimlicher Gewinner ist indes Russlands seit dem Ende der Sowjetunion 1991 kränkelnder Schwermaschinenbau. Allein für die Ölförderung in der Karasee werden mindestens zehn Bohrinseln gebraucht, von denen jede rund 15 Milliarden US-Dollar kostet. Die meisten der benötigten Anlagen sollen in Russland gebaut werden. Dort – in St. Petersburg – soll für 600 Millionen US-Dollar auch ein gemeinsames Forschungs- und Bildungszentrum entstehen.

Zuvor hatte Rosneft auch mit dem Ölmulti BP über Partnerschaft am arktischen Festlandsockel verhandelt, musste die Konsultationen im Juni jedoch abbrechen.

Gemeinsam mit ExxonMobil will Rosneft Lagerstätten in Polnähe erschließen und ausbeuten. Diese liegen in internationalen Gewässern und werden von mehreren Anrainern beansprucht. Vor allem Russland bemüht sich seit Jahren, seine 200-Meilen-Wirtschaftszone weiter nach Norden auszudehnen. Die von Moskau beigebrachten Beweise, wonach zwei Untersee-Rücken in Polnähe die direkte Fortsetzung der sibirischen Landmasse sind, wurden bisher von der Seerechtskommission der Vereinten Nationen jedoch nicht anerkannt.

Russlands Erzkonkurrent beim Gerangel um den Nordpol sind die USA. Das mit ExxonMobil geschlossene Abkommen dürfte auch diese Rivalitäten dimmen und beide veranlassen, fortan gemeinsam gegen Kanada Front zu machen. Zusätzlich interessant ist Rosneft für ExxonMobil auch, weil der russische Staat seine Beteiligung dort bis 2014 seinen Anteil auf 50 Prozent zurückfahren will. Der Kreml behält allerdings weiterhin das Sagen – da er plus eine Aktie anstrebt. Dass ausgerechnet Rosneft 2006 mit fragwürdigen Methoden die Filetstücke von Putin-Gegner Michail Chodorkowskis Jukos an sich riss, wogegen die USA heftig protestierten, interessiert indes niemandem mehr.

Unterdessen hat die russische Justiz am Mittwoch die Moskauer Büros von BP durchsuchen lassen. Für ein Gerichtsverfahren ab Oktober im sibirischen Tjumen sollen Dokumente sichergestellt werden, teilte die Justiz laut RIA Nowosti mit. Verhandelt werden soll der gerichtlich verhinderte Deal zwischen BP und Rosneft. Ein vermeintlich geprellter Aktionär verlangt eine Entschädigung von BP.

* Aus: Neues Deutschland, 1. September 2011


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