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Warnung vor Hungersnot

In der Sahelzone sind rund fünf Millionen Kleinkinder unterernährt

Von Knut Mellenthin *

Die UNO und die Welternährungsorganisation FAO warnen vor einer neuen Hungersnot in der Sahelzone. Nach ihren Angaben ist zur Zeit die Lebensmittelversorgung von 20,2 Millionen Menschen nicht sichergestellt. Das sind rund ein Siebtel der Bewohner dieser Region, die sich vom Atlantik bis zum Roten Meer quer durch Afrika zieht. Die aktuelle Zahl der Betroffenen stelle einen »dramatischen Anstieg« gegenüber dem Vorjahr dar, warnt die FAO. Damals befanden sich dort etwa 11,3 Millionen Menschen in dieser Lage. Der jetzige Stand liegt bereits über der letzten großen Hungerkrise in der Sahelzone im Jahre 2012, von der 18 Millionen Menschen betroffen waren.

Hauptleidende sind wie üblich die Kinder. UNO und FAO schätzen die Zahl der unter Fünfjährigen in der Sahelzone, die »unterernährt« sind, auf rund fünf Millionen. 1,5 Millionen von ihnen gelten sogar als »akut unterernährt«. Jährlich sterben in der Sahelzone im Durchschnitt 577000 Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung und dadurch ausgelösten oder begünstigten Erkrankungen, berichtet die FAO.

UNO und FAO streben an, im laufenden Jahr Lebensmittelhilfe für 11,8 Millionen Bewohner der Region zu organisieren. Darunter sind 1,6 Millionen Flüchtlinge, hauptsächlich aufgrund von gewaltsamen Konflikten.

Die Kosten für die Hilfsaktionen in diesem Jahr werden mit zwei Milliarden Dollar, umgerechnet 1,48 Milliarden Euro, veranschlagt. Da die internationale Gemeinschaft es immer noch nicht geschafft hat, für die ständig wiederkehrenden Notsituationen eine Reserve anzulegen, müssen die Finanzmittel immer wieder neu bei Staaten und nichtstaatlichen Geldgebern eingeworben werden. In der Regel kommt dabei sehr viel weniger zusammen, als benötigt wird. So wurden im vorigen Jahr nur 1,1 Milliarden Dollar erreicht – statt der 1,7 Milliarden, die UNO und FAO gefordert hatten. Die Folge ist regelmäßig, daß bestehende Hilfsprogramme gekürzt werden müssen.

Die sogenannte »Food Insecurity« (Lebensmittelunsicherheit), von der gegenwärtig rund 20 Millionen Bewohner der Sahelzone betroffen sind, ist die unterste Ebene einer international gebräuchlichen fünfstufigen Skala, die bis »Extreme Famine« (extreme Hungersnot) reicht. Food Insecurity ist ein Warnsignal, daß rasch und ausreichend geholfen werden muß, um eine große Katastrophe zu verhindern.

Schwere Ernährungskrisen in der Sahelzone, hauptsächlich ausgelöst durch zu geringe Regenfälle, gibt es zumindest schon seit Jahrzehnten. Katastrophale Ausmaße nahmen sie in den 1970ern und 1980er Jahren an. Die letzten großen Krisen in dieser Region ereigneten sich in den Jahren 2005, 2008, 2010 und 2012. Valerie Amos, die Chefkoordinatorin der UNO für Nothilfeaktionen, weist darauf hin, daß die Häufigkeit der Krisen in der Sahelzone dramatisch zugenommen hat: Während früher ungefähr alle zehn Jahre mit Hungerkatastrophen zu rechnen war, treten sie jetzt im Abstand von nur noch zwei Jahren auf. Das bedeutet, daß die Bewohner sehr viel weniger Zeit als früher haben, um sich von den Folgen zu erholen, ihre Lebens- und Ernährungssituation wieder zu stabilisieren oder gar für die nächste Krise vorzusorgen.

UNO, FAO und nichtstaatliche Hilfsorganisationen haben am Wochenende auf einer Konferenz in Rom einen Dreijahresplan vorgelegt, betitelt »2014–2016 Strategic Response Plan Sahel Zone«. Er sieht zum ersten Mal in der Geschichte großräumige präventive Maßnahmen über einen längeren Zeitraum vor. Leider droht er schon im Ansatz an fehlenden Finanzmitteln zu scheitern. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die genau gleichzeitig mit der Konferenz in Rom stattfand, hörte man viel von Bundeswehreinsätzen. Aber nichts über die drohende humanitäre Katastrophe in der Sahelzone.

kurzlink.de/fao-plan

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. Februar 2014


Daten und Fakten

(Zusammenstellung: AGF)

Dem Bericht der FAO und des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - OCHA) sind u.a. die folgenden alarmierenden Prognosen für den zeitraum 2014-2016 zu entnehmen zu entnehmen:
  • Geschätzte Anzahl der Bevölkerung in der Sahel-Zone: 145 Millionen
  • Geschätzte Anzahl der Bevölkerung mit ungesiocherter Ernährungslage: 20,2 Mio.
  • Anzahl der Bevölkerung, die 2014 Lebensmittelhilfe erwarten kann: 11,8 Mio.
  • Zahl der Kinder unter 5 Jahren mit Mangelernährung: 5 Mio.

Zur Linderung der schlimmsten Not sind allein im Jahr 2014 folgende Finanzmittel nötig (in Mio US-Dollar):

  • Burkina Faso: 109,3
  • Gambia: 26,0
  • (Nord-)Kamerun: 48,5
  • Mali: 568,4
  • Mauritanien: 107,9
  • Niger: 390,9
  • Nigeria: 74,9
  • Sahel-Region: 49,8
  • Senegal: 122,1
  • Tschad: 527,4
  • Summe: 2.025,1

Zum Beispiel Mali

Mali liegt auf der Skala der Mennschlichen Entwicklung (HDI) welt weit auf Rang 182 (von 186 Ländern).
Die Kindersterblichkeit liegt bei 178 pro 1.000 Kinder; die Müttersterblichkeit bei 540 (pro 100.000).
43,6 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Akkut von Hunger bedroht sind 3,3 Mio. Menschen, darunter 496.000 Kinder.

Alle Daten aus: 2014-2016: STRATEGIC Response Plan Sahel Region, January 2014; http://docs.unocha.org




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