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Steinmeiers Lob

Deutscher Außenminister feiert in Afghanistan Erfolge des Krieges *

Knapp ein Jahr vor Ende des Afghanistan-Einsatzes hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein laut der Nachrichtenagentur Reuters »nüchternes Fazit« gezogen. »Wir haben nicht alles das erreicht, was wir uns vorgestellt haben«, sagte er bei einem Besuch im Hauptquartier der deutschen Afghanistan-Truppen in Masar-i-Scharif am Sonntag. Was »wir uns vorgestellt« und nicht erreicht haben, ließ er offen. Statt dessen konzentrierte er sich auf das, was angeblich erreicht worden sei. Das dürfe nicht geringgeschätzt werden. Afghanistan sei nicht mehr »ein Ausbildungslager für islamistische Terroristen«, behauptete Steinmeier.

Gleichzeitig schwärmte er von gelungenen Beispielen für den Aufbau des Landes. Kinder könnten wieder zur Schule gehen, und auch die Gesundheitsversorgung habe sich verbessert, so der Minister. Diese Ergebnisse müßten jetzt gesichert werden. Er hoffe, daß vieles von dem, was »unter Gefahr für Leib und Leben« auf den Weg gebracht worden sei, erhalten bleibe und das Land den Weg in eine Zukunft finde, die nicht von Gewalt geprägt sei.

Dieser fromme Wunsch wird augenscheinlich nicht erfüllt. Am Samstag, einen Tag vor Steinmeiers Auftritt in Masar-i-Scharif, hatte die UN-Mission in Afghanistan eine an der Wirklichkeit orientierte Bilanz gezogen. Demnach sind im Afghanistan-Krieg 2013 deutlich mehr Zivilisten getötet oder verletzt worden als im Jahr zuvor. Nach den UN-Angaben wurden im vergangenen Jahr insgesamt 2959 Menschen getötet. Das entspreche einem Anstieg um sieben Prozent. Damit sei fast das Niveau des Jahres 2011 erreicht worden, als mit 3133 Toten ein Höchststand verzeichnet wurde. 5656 Zivilisten wurden nach UN-Angaben im vergangenen Jahr verletzt, 17 Prozent mehr als 2012. Auch die Zahl der getöteten und verletzten Kinder stieg der Weltorganisation zufolge um 34 Prozent und die der Frauen um 36 Prozent.

Steinmeier hat Afghanistan über das laufende Jahr hinaus deutsche Unterstützung versprochen. Bei einem Treffen mit Präsident Hamid Karsai machte er die geplante neue Bundeswehr-Ausbildungsmission am Sonntag in der Hauptstadt Kabul jedoch von der Unterzeichnung eines Rechtsabkommens abhängig, das ausländische Soldaten vor Strafverfolgung durch afghanische Gerichte schützt.

* Aus: junge welt, Montag, 10. Februar 2014


Afghanistan bleibt Menetekel

Steinmeier sieht deutsches Militär nicht "überall auf der Welt" **

Am Sonntag zog Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit Ursula von der Leyen gleich. Er besuchte das nordafghanische Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr ein großes Feldlager unterhält. Danach reiste er nach Kabul weiter, wo er sich mit Präsident Hamid Karsai und Ministern traf. Die CDU-Frau hatte ihre Visite bei der Truppe am Hindukusch bereits vor Weihnachten absolviert. Der deutsche Außenminister gab nichts von sich, was politisch bedeutsamer war als die damaligen Auslassungen der Verteidigungsministerin. Obwohl das sicher nicht schwer gewesen wäre. Aber es geht mittlerweile auch um anderes.

»Ick bün al dor!«, heißt es mehrfach in dem beliebten Volksmärchen. Igel und Hase haben wir in der Politik zwar nicht, aber eine Verteidigungsministerin und einen Außenminister. Ob in München oder in Afghanistan, ob bei der Verkündung neuer militärischer Kraftanstrengungen Deutschlands oder der Verschleierung des Scheiterns deutscher Kraft am Hindukusch – Frank-Walter Steinmeier kommt immer erst später dort an, wo Ursula von der Leyen längst war. Sicher, das Rennen um die nächste Kanzlerschaft hat erst begonnen. Aber wenn zwei Aspiranten die für Krieg und Frieden wichtigsten Kabinettsposten innehaben, ist das nicht nur eine bizarre, sondern auch eine durchaus gefährliche Konstellation.

Denn der ministeriale Wettlauf zur Umsetzung der gewünschten größeren außenpolitisch-militärischen »Verantwortung« Deutschlands könnte so unversehens zu einer Konkurrenzveranstaltung um die persönliche und parteipolitische Polepositon für die nächste Bundestagswahl geraten.

Im Interview für den »Bericht aus Berlin« des ARD-Hauptstadtstudios gab sich Steinmeier am Sonntag konziliant. »Es geht um die Vermeidung von militärischen Einsätzen, aber nicht etwa darum, dass wir uns darum reißen, nun überall auf der Welt mit Militär unterwegs zu sein. Das will weder die Bundeswehr noch die deutsche Außenpolitik«, erklärte der Minister. Immerhin: nicht »überall auf der Welt«. Beruhigend ist diese Einschränkung allerdings nicht. ibo

** Aus: neues deutschland, Montag, 10. Februar 2014


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