Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Pentagon nimmt Kritik an WikiLeaks zurück

Späte Erkenntnis: "Keine Gefährdung für die nationale Sicherheit"

Die geheimen Militärdokumente, die die Whistleblowing-Plattform WikiLeaks zum Afghanistankrieg veröffentlicht hat, bedrohen Geheimdienst-Informanten der USA nicht. Zu dieser Erklärung hat sich das Pentagon bereits am 16. August 2010 durchgerungen, wie CNN nun berichtet. Hatte es im Juli noch behauptet, an den Händen von WikiLeaks "klebe das Blut junger Soldaten oder ganzer afghanischen Familien", so wurden diese Aussagen nun revidiert. Nato-Offizieren zufolge besteht keine Gefahr von Taliban-Angriffen für Afghaner, die mit der USA im Krieg kooperiert haben.

Die US-Behörde prüfte im Sommer alle 70.000 Afghanistan-Dokumente, die über WikiLeaks verbreitet worden waren. Deren Inhalte stellen zwar taktische Militäroperationen dar, die nationale Sicherheit werde jedoch nicht bedroht durch die Veröffentlichung von Informanten oder ähnlichem. "Das Ergebnis überrascht nicht. Der Aufklärungswert der WikiLeaks-Dokumente entsprach nicht der marktschreierischen Ankündigungen bei der Aufdeckung", erklärt Peter Strutynski, Friedensforscher an der Universität Kassel http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, im pressetext-Interview.

WikiLeaks hat nichts verändert

Als die "effizienteste Methode für positive Veränderung, wo man sie zulässt" - so hatte Daniel Domscheit-Berg, früherer WikiLeaks-Sprecher für Deutschland, das Whistleblowing gegenüber der Wochenzeitung "Der Freitag" bezeichnet. Konkrete Veränderungen, die durch WikiLeaks ausgelöst worden wären, erkennt Strutynski allerdings nicht. "Die Aufdeckungen waren bisher nicht wirklich neu und haben politisch nichts bewirkt. WikiLeaks hat jedoch nicht den Anspruch, direkt ins Kriegsgeschehen einzugreifen - es ist eine Medienagentur im weitesten Sinne, keine Kriegspartei", betont der Friedensforscher.

Anerkennung spricht Stutynski der Plattform jedoch darin aus, dass sie die Aufmerksamkeit stärker auf den Afghanistan-Krieg gerückt hat. "Sie hat zur notwendigen gesellschaftspolitischen Debatte beigetragen, was ein hoher Verdienst ist." Zudem habe auch die bisher harsche Reaktion aus Washington aufhorchen lassen. Zu dieser zählt der Experte auch die Versuche, den WikiLeaks-Gründer Julian Assange der sexuellen Belästigung zu beschuldigen. "Stets ging es in der Kritik um die Rechtmäßigkeit des Aufdeckens, nicht um die Inhalte selbst. Die Regierenden befürchten, dass noch weiter aufgedeckt wird und damit die Front gegen den Krieg mehr Munition erhält."

Irak-Aufarbeitung kommt ins Rollen

Laut Pentagon wird WikiLeaks bereits in der nächsten Woche 400.000 Dokumente zum Irakkrieg publizieren. Viel zu spät, urteilt der Friedensforscher. "Das Ausmaß des Irakkrieges wird zumindest in der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr zur Kenntnis genommen." Derartige Dokumente hätten schon bisher kleine Medien - linksgerichtete oder jene der Friedensforschung - veröffentlicht. Die großen Medien hätten das Thema jedoch weitgehend ausgespart. "Hier ist schon lange nichts mehr außer der Perspektive der USA oder jener der irakischen Regierung zu hören."

Als "weit interessanter" als die WikiLeaks-Irakdokumente bezeichnet Strutynski die Veröffentlichung der US-Regierung der im Krieg getöteten Iraker vergangenes Wochenende. Demnach wurden von Jänner 2004 bis August 2008 insgesamt 77.000 Iraker durch Kämpfe und Anschläge getötet und weitere 120.000 verletzt. Die Zahl selbst sei mit Vorsicht zu genießen, warnt der Experte, da body-count-Agenturen auf bis zu zehnmal höhere Opferzahlen kommen. "Wichtig ist die Zahl jedoch allemal. Sie zeigt, dass ein Krieg ungeheuer viele zivile Opfer im Land fordert, in dem interveniert wird. Zum Schutz der Menschenrechte dient Krieg somit auf keinen Fall."

Quelle: pressetext, 18. Oktober 2010; Redakteur: Johannes Pernsteiner; http://pressetext.com

Letzte Meldung

"Wikileaks" will Irak-Dokumente "sehr bald" veröffentlichen

Die auf Enthüllungen spezialisierte Internetplattform Wikileaks hat eine baldige Veröffentlichung zahlreicher geheimer US-Dokumente zum Irak-Krieg angekündigt. Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson sagte am 18. Okt. in der isländischen Hauptstadt Reykjavik der Nachrichtenagentur AFP, die Papiere sollten "sehr bald" publik gemacht werden. Er trat gleichzeitig Vermutungen entgegen, denen zufolge die Veröffentlichung der rund 400.000 Dokumente für den 18. Okt. geplant gewesen sein soll. "Diese Gerüchte sind offenkundig nicht richtig." Einen Zeitpunkt für die Veröffentlichung nannte Hrafnsson nicht.

Wikileaks hatte im Juli 77.000 geheime US-Dokumente zur Lage in Afghanistan veröffentlicht. Dabei wurde das Material dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Spiegel" sowie der "New York Times" und "The Guardian" vorab zur Verfügung gestellt. Auch bei der nun erwarteten Veröffentlichung des Dokumente zum Irak-Krieg, das dreimal so umfangreich sein soll wie jenes über den Afghanistan-Einsatz, will Wikileaks offenbar mit Medien zusammenarbeiten.

Es soll sich dabei laut US-Medien und Blog-Berichten um bis zu 500 000 Dokumente zum Irak-Krieg aus den Jahren zwischen 2004 bis 2009 handeln. Unklar war zunächst, wann die Akten veröffentlicht werden sollten. Es wurde aber spekuliert, dass der Termin noch im Oktober liegen könnte. «Es wird riesig», zitierte der Blog «Threat Level» eine Quelle, die mit den Wikileaks-Plänen vertraut sein soll.

Das US-Verteidigungsministerium rief die Medien dazu auf, die Veröffentlichung der Irak-Unterlagen nicht zu unterstützen. "Die Medien sollen gewarnt sein" und Wikileaks nicht den "Anschein von Rechtmäßigkeit" verleihen, sagte Pentagon-Sprecher Dave Lapan in Washington. Die US-Regierung habe bezüglich der bevorstehenden Veröffentlichung noch keine Anfragen von Medien erhalten. Es seien jedoch 120 Mitarbeiter mit der Sichtung des vorhandenen Irak-Materials befasst, um bei einer Veröffentlichung umgehend reagieren zu können. An Wikileaks appellierte Lapan, die "gestohlenen" Unterlagen zurückzugeben.

Die schwedische Regierung verweigerte Wikileaks-Gründer Julian Assange indes eine im August beantragte Aufenthaltsgenehmigung. Er erfülle die Anforderungen nicht, erklärte Gunilla Wikstroem, Sprecherin der schwedischen Ausländerbehörde, am Montag in Stockholm gegenüber AFP, ohne nähere Angaben zu machen. Die schwedischen Behörden ermitteln seit August wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen den Australier, hatten ihn aber vor einiger Zeit aus dem Land ausreisen lassen.

Nachrichtenagenturen AFP und dpa, 18. Oktober 2010




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