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Lage in Afghanistan schlechter als erhofft

Minister de Maizière: Wir arbeiten an einem angemessenen Sicherheitsniveau *

Die Sicherheitslage im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr ist nach den Worten von Verteidigungsminister de Maizière hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

»Die Sicherheitslage bleibt labil«, sagte der Minister am Freitag zum Abschluss seines Truppenbesuchs in Masar-i-Scharif. »Wir haben uns größere Fortschritte erhofft im Vergleich der letzten zwei Jahre.«

Die Bundeswehr musste Ende Mai ihre Statistik korrigieren und einräumen, dass die Zahl gewaltsamer Zwischenfälle im vergangenen Jahr im Norden um ein Viertel zugenommen hatte. Der NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan soll in eineinhalb Jahren beendet werden. »Wir sind auf einem ordentlichen, guten, aber keinem vollständig zufriedenstellenden Weg«, so Lothar de Maizière. »Dieses Land wird nie ein ganz ruhiges sicheres Land werden, wie wir das in Deutschland gewohnt sind. Aber wir arbeiten an einem angemessenen Sicherheitsniveau in afghanischer Verantwortung, und da bleibe ich begrenzt zuversichtlich.«

Zu den geplanten Friedensverhandlungen mit den afghanischen Taliban im Golf-Emirat Katar erklärte der Minister, die Gespräche müssten unter afghanischer Leitung stattfinden. Er sprach sich dafür aus, die Verhandlungen nicht öffentlich zu führen. Die Taliban hatten am Dienstag ein Verbindungsbüro in Doha eröffnet. Zum Ärger der afghanischen Regierung hissten sie dort vorübergehend die Taliban-Flagge. Außerdem brachten sie zunächst ein Schild an, dass das Haus als Büro des »Islamischen Emirats Afghanistan« auswies.

»Die Taliban haben provoziert zu Beginn«, sagte de Maizière. »Das war ärgerlich.« Bei einem Treffen mit de Maizière kritisierte auch der einflussreiche Gouverneur der Provinz Balkh, Mohammad Atta, dass die Taliban die Insignien ihres Ende 2001 gestürzten Regimes zur Schau stellten. »Das hat uns natürlich sehr gestört«, sagte Atta.

Dennoch warb auch Atta - der aufseiten der Nordallianz gegen das Taliban-Regime gekämpft hatte – für Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Aufständischen. »Das ist für uns sehr wichtig, dass die Afghanen alle zusammen für die Zukunft Afghanistans arbeiten.« De Maizière hatte sich bereits am Donnerstag für Friedensgespräche ausgesprochen.

Zu den Einsatzzeiten deutscher Soldaten in Afghanistan sagte der Minister, die vorgesehenen Einsatzdauer von vier Monaten werde nur in 60 bis 70 Prozent der Fälle nicht überschritten. Die angestrebten 20 bis 21 Monate Ruhezeit zwischen Einsätzen sei ebenfalls »nicht immer einzuhalten«. Das Ministerium arbeite daran, die Bedingungen zu verbessern.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 22. Juni 2013


Kriegstourist des Tages: Thomas de Maizière **

Ihren besten Mann hatte die Bundeswehr gegen Afghanistan geschickt: Oberst Georg Klein. Der erfüllte die Erwartungen über die Maßen, als er am 4. September 2009 einen Luftangriff auf unbewaffnete Zivilisten befahl. Minuten später konnte er 140 Tote präsentieren, darunter viele Frauen und Kinder. »Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde« (Schiller), und an der Heimatfront wurde er zum General befördert. Seitdem wird dieser überzeugende Praxistest von Tucholskys Ausspruch »Soldaten sind Mörder« von der Spitze der Bundeswehr regelmäßig gefeiert.

Eben zu diesem Zwecke begab sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Donnerstag und Freitag zu seinem zwölften Truppenbesuch ins geliebte Feindesland. Doch was er dort erleben mußte, war schockierend. Resümee der Nachrichtenagentur dpa: »Die Lage in Nordafghanistan ist schlechter als erhofft.« Weit entfernt von den Erfolgen von 2009 mußte de Maizière konstatieren: »Die Sicherheitslage bleibt labil« und »Wir haben uns größere Fortschritte erhofft im Vergleich der letzten zwei Jahre.«

Was ist da los, haben »unsere Jungs« nicht mehr genügend Dosenbier? Na gut, Klein ist nicht mehr da. Der soll inzwischen Abteilungsleiter im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr geworden sein und ist dort vielleicht weniger erfolgreich als bei direkten Kriegseinsätzen. Der Minister selbst wurde insgeheim schon immer als Fehlbesetzung angesehen. Jetzt ist er richtig angeschlagen, gilt er doch seit der Euro-Hawk-Affäre auch noch als notorischer und dazu schlechter Lügner vor dem Bundestag. Wenigstens ist er »stets bemüht« um gute Leistungen. Zum Beispiel mit dem auf Afghanistan gemünzten Satz: »Dieses Land wird nie ein ganz ruhiges sicheres Land werden, wie wir das in Deutschland gewohnt sind.« Übersetzt bedeutet das: Die NATO bleibt für immer da. (ulis)

** Aus: junge Welt, Samstag, 22. Juni 2013


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