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Das KSK der Bundeswehr jagt Taliban – und kaum jemand weiß davon

Neue US-Offensive in Afghanistan – die Verbündeten leisten Schützenhilfe und gehen hohe Risiken ein

Von René Heilig *

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) ist an der aktuellen Großoffensive der US-geführten Koalitionstruppen gegen die Taliban im Süden Afghanistans beteiligt.

Das mag ein Gerücht sein, doch es klingt glaubwürdig. Allzu lange hat man schon nichts mehr von der Bundeswehr-Elite gehört. Zeitweilig hieß es sogar, man habe die Soldaten aus dem Kampfgeschehen zurückgezogen. Doch nun berichtete der »Kölner Stadt-Anzeiger«, dass die Einheit aus Calw wieder aktiv sei im Krisen- und Kriegsgebiet am Hindukusch. Dabei berief man sich auf unbekannte Bundeswehr-Kreise. Zugleich hörte man, dass die deutschen Einzelkämpfer nicht »so tief« in die Kämpfe verstrickt seien wie die Kameraden der US-Armee.

Um diese Aussage zu treffen, braucht es nicht allzu viel Fantasie. Denn natürlich lassen sich die US-Generale nicht allzu tief in die strategischen Karten schauen. Auch bei bisherigen Einsätzen agierte die KSK nur unter direktem US-Befehl. Was sie dabei zu tun hatte, erfuhren nicht einmal die Mitglieder des Bundestages – die den Soldaten den Marschbefehl gegeben hatten und sie eigentlich kontrollieren sollen.

Dass aber etwas in Afghanistan vorgeht, was der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll, zeigt ein Blick über die westliche Grenze Deutschlands. Dort wird berichtet: Ein niederländisches Spezialkommando beteiligte sich in den vergangenen Wochen – gemeinsam mit US-Truppen – in der zentralen Provinz Urusgan an einer Militär-offensive. Der Oberkommandierende der niederländischen Streitkräfte, Dick Berlin, begründete das damit, es habe »deutliche Drohungen« gegen die niederländischen Stützpunkte bei Tarin Kaut und Deh Rawod gegeben. Bei der Offensive seien keine niederländischen Soldaten getötet worden. Wohl aber Verwundete musste man in Heimat zurückschaffen. Mindestens zwei schwer verletzte Soldaten werden, von der Presse abgeschirmt, behandelt.

Nur mühsam ließ sich die holländische Militärführung zu dem Zugeständnis bringen, dass man mindestens 18 »Kämpfer der Gegenseite« getötet habe.

Die Niederlande haben im Rahmen des NATO-geführten ISAF-Einsatzes bis zu 500 Soldaten in Urusgan stationiert, ihre Truppen waren in der Provinz mehrfach in Kämpfe verwickelt. Urusgan grenzt an die Unruheprovinzen Helmand und Kandahar, in denen Rebellen der gestürzten Taliban aktiv sind. Insgesamt sind rund 1000 niederländische Soldaten in Afghanistan, ihre Zahl soll bis August auf 1400 aufgestockt werden.

Diese Aufstockung und die Beteiligung der Niederländer an Operationen der US-Army zeigen, dass es kaum noch einen Unterschied zwischen der ISAF-Mission und tatsächlichen Kriegseinsätzen gibt. Das wird auch in Kreisen der Bundeswehr so gesehen. Zugleich befürchtet man eine unkalkulierbare Rückwirkung auf die eigene Truppe. Asymmetrische Gegenangriffe lassen nicht auf sich warten. Das Beispiel der irakischen Selbstmordattentäter macht Schule. Am Samstag waren bei derartigen Attacken in Kandahar mindestens fünf Afghaner und zwei kanadische Soldaten getötet worden.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juli 2006


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