Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik Afghanistan

September 2008


Montag, 1. September, bis Sonntag, 7. September
  • Die hohe Zahl von Opfern in der Zivilbevölkerung bei Kämpfen belastet zunehmend das Verhältnis zwischen der Internationalen Schutztruppe ISAF und der Regierung in Kabul. ISAF-Truppen im Osten Afghanistans töteten am 1.Sept. mit Artilleriebeschuss versehentlich drei Kinder, wie die Schutztruppe in Kabul mitteilte. Bei einer Razzia nahe Kabul töteten afghanische und ausländische Soldaten zwei Kinder und deren Vater.
  • Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) ist am 2.Sept. überraschend in Afghanistan zu einem Truppenbesuch der Bundeswehr eingetroffen. Wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam mitteilte, besuchte Jung das Bundeswehrlager in Kundus in Norden des Landes. Derzeit befinden sich knapp 3300 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan. Die verschärfte Sicherheitslage am Hindukusch hat eine innenpolitische Debatte über den Bundeswehr-Einsatz im Rahmen der NATO-Schutztruppe ISAF ausgelöst.
  • Drei kanadische Soldaten werden am 3.Sept. bei einem Angriff im Süden Afghanistans getötet. Fünf weitere wurden verwundet.
  • Am 5. Sept. werden bei Kämpfen im Westen Afghanistans nach offiziellen Angaben wieder zehn Menschen getötet, darunter zwei Zivilisten. Der Angriff der afghanischen und ausländischen Soldaten in der Provinz Farah habe einem Kommandeur der Taliban gegolten, Mullah Fasel, sagte der Armeekommandeur Ghulam Faruk Nahimi. Dabei seien auch eine Frau und ein Kind getötet worden. Die zivilen Opfer in den Kämpfen mit den Aufständischen werden in Afghanistan immer kritischer gesehen. Präsident Hamid Karsai und auch die Vereinten Nationen haben das Vorgehen besonders der ausländischen Truppen kritisiert.
  • Am 7. Sept. werden bei zwei Bombenanschlägen im Süden Afghanistans ein niederländischer und ein kanadischer Soldat getötet. Wie der Generalstabschef der niederländischen Streitkräfte, General Peter van Uhm, in Den Haag mitteilte, gerieten niederländische Soldaten am Nachmittag in einem Tal in der Provinz Urusgan in eine Sprengfalle. Dabei sei ein Soldat getötet worden, fünf Soldaten seien verletzt worden. Seit Beginn des niederländischen Truppeneinsatzes in Afghanistan im August 2006 wurden damit 17 Soldaten getötet. Darunter ist auch Van Uhms 23-jähriger Sohn Dennis. Er wurde im April bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe getötet. Der kanadische Soldat kam am Sonntagvormittag im Bezirk Pandschwaii in der Provinz Kandahar ums Leben. Auch er war zusammen mit Kameraden in eine Sprengfalle geraten, wie ein Militärsprecher in Ottawa mitteilte. Sieben Soldaten wurden verletzt. Seit Beginn des kanadischen Afghanistan-Einsatzes 2002 kamen 97 Soldaten der kanadischen Streitkräfte ums Leben.
Montag, 8. September, bis Sonntag, 14. September
  • Am 8. Sept. wird bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe im Süden Afghanistans ein NATO-Soldat getötet. Wie das Militärbündnis mitteilte, ereignete sich der Anschlag am Sonntag (7.Sept.). Südafghanistan ist die Hochburg der radikalislamischen Taliban.
  • Deutschland hat weitere 30 Millionen Euro für den zivilen Wiederaufbau Afghanistans zugesagt. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul teilte am Montag (8. Sept.) beim Besuch des afghanischen Außenministers Rangin Dadfar Spanta in Berlin mit, dass ihr Haus seine Mittel für 2008 von 70 auf 100 Millionen Euro aufstockt. Der Beitrag der Bundesregierung beträgt damit insgesamt 170 Millionen Euro.
  • Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe sind am 8. Sept. im Osten von Afghanistan drei ausländische Soldaten getötet worden, wie die US-geführte Koalition erklärte. Damit wurden in diesem Jahr bereits 208 Soldaten der internationalen Truppen Opfer der Gewalt in Afghanistan, im ganzen vergangenen Jahr waren es 222.
  • 9. Sept.: Das Bundeskabinett hat das erweiterte Afghanistan-Konzept der Regierung beschlossen. Danach sollen die Mittel für "zivile Maßnahmen von 100 Millionen auf 140 Millionen Euro" in diesem Jahr aufgestockt werden, wie Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) sagte. Zusätzlich sind 30 Millionen für Nahrungsmittelhilfen aus dem Bundesentwicklungshilfeministerium vorgesehen. Die Mandatsobergrenze für das deutsche Kontingent soll auf 4500 angehoben werden. Auf die Bundeswehr in Afghanistan wurden indes erneut mehrere Anschläge verübt.
    Die Friedensbewegung kritisierte das "neue Konzept" der Bundesregierung in einer Pressemitteilung als "Mogelpackung". Die "Aufbau"-Bilanz der Bundesregierung gleiche einem Potemkinschen Dorf. Die wenigen Zahlen, die etwa zum Bildungs und Gesundheitssystem genannt werden, seien rein fiktiv und nicht belegt. (Hier geht es zur ganzen Erklärung.)
  • 10. Sept.: Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, hat die unzureichende Koordination aller Hilfsmaßnahmen in Afghanistan kritisiert. "Beim Afghanistan-Einsatz ist vieles Stückwerk", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Diese Kritik betreffe nicht nur Deutschland, sondern die Staatengemeinschaft insgesamt: "Die UN-Verwaltung, der Beauftragte der Europäischen Union, der Kommandant von ISAF und die afghanische Regierung arbeiten nebeneinander her. Da fehlt wirksame funktionierende Koordinierung. Hier liegt einiges im Argen."
  • 11. Sept: US-Generalstabschef Michael Mullen hat Zweifel an den Erfolgsaussichten der gegenwärtigen Strategie in Afghanistan geäußert. "Ich bin nicht überzeugt, dass wir in Afghanistan gewinnen", sagte der Admiral vor einem Kongressausschuss in Washington. "Ich bin aber überzeugt, dass wir es können." Mullen begrüßte die Entscheidung von US-Präsident George W. Bush, 4500 weitere US-Soldaten nach Afghanistan zu entsenden, ließ aber auch durchblicken, dass er dies nicht für ausreichend halte. Mullen sagte, er habe die Streitkräfte angewiesen, eine "neue und umfassende militärische Strategie" für den Afghanistan-Einsatz auszuarbeiten, die auch die Grenzregionen in Pakistan miteinbeziehe. In dem Nachbarland werden Schlupfwinkel der afghanischen Rebellen vermutet, die ihre Angriffe gegen die ausländischen Truppen in Afghanistan in den vergangenen Monaten deutlich verstärkt haben. Mit Blick auf die Entscheidung Bushs, 4500 weitere US-Soldaten nach Afghanistan zu entsenden, sagte Mullen, dies sei "ein guter und wichtiger Anfang". Das Risiko, keine neuen Soldaten zu entsenden, sei "zu groß, als dass es ignoriert werden könnte". Der US-Kommandeur in Afghanistan, David McKiernan, hatte eigentlich um die Entsendung von drei weiteren Brigaden gebeten. Dies entspräche etwa 10.000 Soldaten.
  • In Afghanistan sind in diesem Jahr bereits mehr US-Soldaten ums Leben gekommen als in jedem anderen Jahr seit der Invasion von 2001. Am 11.Sept. wurde der Tod von zwei weiteren US-Soldaten gemeldet, womit die diesjährige Todesbilanz auf 113 stieg. Im gesamten Vorjahr lag sie bei 111. Die USA haben derzeit rund 33.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, die höchste Zahl seit 2001.
  • 13. Sept.: Der Bundeswehrverband hat Bund und Länder zu erheblich größeren An-strengungen bei der Polizeiausbildung in Afghanistan aufgefordert. Es sei unverantwortlich, diese Aufgabe vor allem der Bundeswehr mit ihren Feldjägern zu überlassen, sagte Verbandschef Bernhard Gertz der «Rheinpfalz am Sonntag». Manche Länder wie Bayern hätten bisher nicht einen einzigen Polizisten nach Afghanistan entsandt. Deutschland habe die führende Rolle für die Ausbildung der Polizisten inne, betonte Gertz.
  • In der mittelafghanischen Provinz Ghasni sind am 13. Sept. nach offiziellen Angaben sieben afghanische Polizisten in einem Hinterhalt der Taliban getötet worden. Ein Beamter wurde nach dem Gefecht vermisst, sagte Polizeisprecher Mohammed Scharif Kohistani. Die leicht bewaffneten afghanischen Polizisten tragen die Hauptlast der Taliban-Angriffe: Seit dem vergangenen Jahr wurden 900 Beamte getötet.
  • In Afghanistan ist der amtierende Provinzgouverneur der südlichen Provinz Logar, Abdullah Wardak, bei einem Bombenanschlag mutmaßlicher Taliban-Extremisten getötet worden. Mit ihm starben drei Leibwächter. Wardak war mit dem Auto auf dem Weg zu seiner Familie im 20 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernten Paghman, als der Sprengsatz kurz vor seinem Haus explodierte. Nach Polizeiangaben wurde die Bombe ferngezündet. Die radikal-islamischen Taliban bekannten sich zu der Tat.
  • 14. Sept.: Ein Selbstmordattentäter hat einen Autobombenanschlag auf einen UN-Konvoi in Afghanistan verübt und zwei einheimische Ärzte mit sich in den Tod gerissen. Diese arbeiteten für ein Impfprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Bekämpfung von Kinderlähmung. Der Angriff ereignete sich im Bezirk Spin Boldak in der südlichen Provinz Kandahar. Auch der Fahrer der Ärzte wurde getötet, zudem gab es noch 15 Verletzte. Ein Sprecher der Taliban erklärte, es habe sich um einen gezielten Angriff auf die Vereinten Nationen gehandelt.
  • Vier Entwicklungshelfer sind in der ostafghanischen Provinz Chost von Bewaffneten überfallen worden. Nach dpa-Informationen gelang drei Mitarbeitern der staatlichen deutschen Entwicklungshilfeorganisation GTZ die Flucht. Einer dieser drei Helfer sei verletzt, hieß es. Ein vierter werde vermisst und sei möglicherweise entführt worden. Nicht geklärt war zunächst, ob es sich dabei um Deutsche handelte. Eine Sprecherin der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn bestätigte, dass es bei Chost einen Überfall auf vier Helfer gegeben habe. Ihres Wissens handele es sich dabei um afghanische Helfer und nicht um deutsche. Ob sie für die GTZ arbeiteten, werde derzeit noch geprüft. Im März 2006 war ein deutscher Entwicklungshelfer der Deutschen Welthungerhilfe in Nordafghanistan ermordet worden. Die GTZ ist eine der größten Hilfsorganisationen in Afghanistan und wird in der Bevölkerung weithin geschätzt.
Montag, 15. September, bis Sonntag, 21. September
  • 16. Sept.: Anschläge und militärische Angriffe haben in diesem Jahr in Afghanistan bisher 1.445 afghanische Zivilpersonen das Leben gekostet. Die UN-Mission in Afghanistan erklärte am Dienstag (16. Sept.), im Vergleich dazu habe es in den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres 1.040 Todesopfer gegeben. Dies entspreche einem Anstieg von 40 Prozent. Das Innenministerium in Kabul meldete unterdessen den Tod von 720 Polizisten in den vergangenen sechs Monaten. Die UN-Mission erklärte, allein im August seien 330 Afghanen ums Leben gekommen, die nichts mit den Kämpfen im Land zu tun gehabt hätten. Dies sei die höchste Zahl der Todesopfer innerhalb eines Monats seit dem Sturz der Taliban Ende 2001, erklärten die UN in einer Stellungnahme. Für 800 der insgesamt 1.445 Toten, also 55 Prozent, seien Aufständische verantwortlich. Bei Luftangriffen der US-Truppen und der NATO seien 395 Unbeteiligte ums Leben gekommen. Das Innenministerium erklärte, die meisten der 720 getöteten Polizisten seien bei Angriffen von Aufständischen ums Leben gekommen. Im Jahr 2007 hatten die Aufständischen insgesamt 925 Polizisten getötet.
  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach der Ermordung zweier Ärzten eine geplante Impfkampagne für mehr als eine Million Kinder in Südafghanistan abgesagt. Das teilte eine WHO-Sprecherin in Genf mit. Ab dem 21. Sept. hätten in den südlichen Regionen des Landes eigentlich 1,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren gegen Kinderlähmung geimpft werden sollen. Am Sonntag (14. Sept.) waren zwei für die WHO arbeitende afghanische Ärzte bei einem Selbstmordanschlag im Südosten des Landes getötet worden. Zu dem Anschlag bekannten sich die radikalislamischen Taliban. Laut WHO sollen ähnliche Impfaktionen in den östlichen Provinzen Nangarhar, Kunar und Laghman fortgesetzt werden. Zudem seien im Oktober und November weitere Impfkampagnen in Südafghanistan geplant.
  • In Afghanistan ist erneut ein Stützpunkt der Bundeswehr angegriffen worden. In der Nacht zum 17. Sept. seien zwei Raketen auf einen Stützpunkt der deutschen Soldaten in der Nähe des Flughafens von Faisabad abgefeuert worden, sagte Polizeichef Aqa Mohammed Kentoz "Spiegel Online". Es sei aber niemand verletzt worden. Faisabad liegt in der Provinz Badakschan im Nordosten des Landes.
    Die afghanische Polizei habe sechs weitere Raketen sichergestellt, sagte Kentoz. Der Sprecher der deutschen ISAF-Truppe, Markus Werther, bestätigte laut "Spiegel Online" den Zwischenfall. Die Bundeswehr habe Ermittlungen aufgenommen. Die radikalislamischen Taliban bekannten sich demnach telefonisch zu dem Angriff. Es seien acht Raketen auf das deutsche Camp gefeuert worden, sagte demnach ein Taliban-Sprecher. Die Taliban sind dafür bekannt, dass sie in ihren Stellungnahmen übertreiben.
  • 17. Sept: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat im Bundestag nachdrücklich für eine Zustimmung zum weiteren Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan geworben. Die militärische Präsenz sei erforderlich, um die Sicherheit beim zivilen Wiederaufbau des Landes zu gewährleisten, sagte Steinmeier in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Steinmeier trat für eine "ehrliche" Debatte über den Bundeswehreinsatz ein. Die angestrebte Mandatsverlängerung sei in keiner Fraktion ein "Selbstläufer", sagte er mit Blick auf die quer durch die Parteien verbreitete Skepsis. Allerdings sollte keine Fraktion die Zustimmung nur verweigern, weil sie eine neue Strategie fordere, sagte Steinmeier an die Adresse der Grünen. "Wir haben diese Strategieveränderung hinbekommen. Lasst uns nicht immer alte Einwände und Vorwürfe wiederholen." Der Bundestag wird in einer Sonder-sitzung am 7. Oktober die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF beraten. Vor der Sondersitzung des Bundestages entscheidet am selben Tag auch das Bundeskabinett über die Verlängerung. Die endgültige Entscheidung müssen die Parlamentarier dann in dritter Lesung Mitte Oktober fällen. Das ISAF-Mandat soll auf Wunsch der Bundesregierung um bis zu 1000 auf 4500 Soldaten aufgestockt und außer- dem um 14 statt um zwölf Monate verlängert werden. Damit soll vermieden werden, dass die darauffolgende Entscheidung darüber in die Zeit des Bundestagswahlkampfs fällt. Steinmeier warb in der Bundestagsdebatte zugleich für eine Erneuerung der Beziehungen zu den USA. "Ich trete dafür ein, dass wir diese neue transatlantische Agenda möglichst bald und mit viel Leben erfüllen." Die USA blieben der wichtigste Verbündete, der für die Lösung aller wichtigen Probleme gebraucht werde. Die USA als einzig verbliebene Supermacht hätten an Ansehen verloren. Deshalb werde der künftige Präsident die Rolle der Vereinigten Staaten neu definieren und Autorität zurückgewinnen müssen.
  • 18. Sept.: Angesichts der zunehmenden Gewalt in Afghanistan und der wachsenden Bedrohung durch Aufständische denken die USA über einen Strategiewechsel nach. «Wir haben das im Irak gemacht. Und wir werden uns die Situation in Afghanistan anschauen», sagte Verteidigungsminister Robert Gates am Donnerstag in London. Einzelheiten zu möglichen Änderungen wollte der Minister, der tags zuvor Afghanistan besucht hatte, nicht nennen. Wie später aus Delegationskreisen verlautete, denkt die US-Regierung unter anderem darüber nach, mit Blick auf die erwartete Verstärkung von US-Kampftruppen die Kampfeinsätze von NATO-Einheiten zu reduzieren. Es gehe aber um mehr als nur um militärische Aspekte der Strategie, hieß es weiter.
  • Pakistans Regierung hat Kämpfer der radikalislamischen Taliban für den Anschlag auf das Marriott-Hotel in Islamabad verantwortlich gemacht, bei dem mindestens 53 Menschen getötet wurden. Die Angreifer stammten aus den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan, sagte Innenminister Rehman Malik. Diese Region gilt als Rückzugsgebiet für Taliban-Rebellen und das Terrornetzwerk El Kaida. Pakistans Präsident Asif Ali Zardari kündigte in einer Fernsehansprache ein entschlossenes Vorgehen gegen den Terrorismus an. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verurteilte den Anschlag "auf das Schärfste".
  • Mehrere Tausend Menschen haben am 20. September in Berlin und Stuttgart gegen eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr protestiert. Beide Demonstrationen verliefen nach Angaben der Polizei weitgehend friedlich. In Berlin kam es zum Auftakt zu einer Rangelei zwischen Demonstranten und Polizisten, bei der ein Beamter leicht verletzt wurde.
    Auch im englischen Manchester, wo die britische Regierungspartei Labour ihren Parteitag abhielt, demonstrierten mindestens 2.500 Menschen gegen die internationale Mission in Afghanistan.
    Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung verteidigte den Einsatz im Deutschlandfunk. "Wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligen, wir haben die Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus", sagte der CDU-Politiker. "Und deshalb ist der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland."
    "Dem Frieden eine Chance, Truppen raus aus Afghanistan", lautete das Motto der Demos in Deutschland. Die Veranstalter zeigten sich zufrieden und schätzten die Teilnehmerzahl auf 7.000 in Berlin und 5.000 in Stuttgart. Die Polizei zählte dagegen nur 3.300 Demonstranten in der Hauptstadt, in Stuttgart sollen es nach ihren Angaben 2.000 gewesen sein. Zu den Demonstrationen hatten mehr als 250 Organisationen aufgerufen.
Montag, 22. September, bis Montag, 30. September
  • 24. Sept.: Bei zwei Angriffen auf eine Polizeistation in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind fünf Polizisten getötet worden. Der Chef der Kriminalpolizei von Kabul, Alischah Paktiawal, wurde leicht verletzt, wie das afghanische Innenministerium mitteilte. Demnach griffen Bewaffnete in der Nacht zunächst den Posten im Westen der Hauptstadt an und töteten drei Polizisten. Als am Morgen Paktiawal mit weiteren Ermittlern zu Untersuchungen in der Polizeistation eintraf, sei eine Bombe explodiert und habe zwei weitere Polizisten getötet, hieß es aus dem Innenministerium.
  • Deutschland verstärkt seine Hilfe für den Aufbau der afghanischen Polizei. Das Kabinett beschloss am 24. Sept., das Kontingent in der europäischen Mission von 60 auf 120 Beamte zu verdoppeln. Tatsächlich sind derzeit aber nur 33 deutsche Vollzugsbeamte in Afghanistan im Einsatz - mehr seien nicht abgerufen worden, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris. EUPOL wurde 2007 von der EU ins Leben gerufen. Sie soll den Aufbau von Polizeistrukturen unter afghanischer Eigenverantwortung fördern
  • 25. Sept.: Ein unter Terrorverdacht stehender Saarländer befindet sich möglicherweise nach einem Aufenthalt in Terrorcamps auf dem Weg nach Deutschland. Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt fahnden öffentlich nach den beiden Terrorverdächtigen Eric Breininger und Houssain Al Malla. Es gebe Hinweise, dass sich die beiden, die bisher in Afghanistan oder Pakistan vermutet wurden, möglicherweise auf dem Weg nach Deutschland befänden, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Frank Wallenta, der AP.
  • 26. Sept.: Der geplante NATO-Einsatz von fünf AWACS- Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan wird von Frankreich blockiert. Paris lehne die Beteiligung an der Finanzierung des Einsatzes ab, sagten Diplomaten in Brüssel. Es sei daher ungewiss, ob der NATO- Rat in den nächsten Tagen noch über den Einsatz entscheiden könne. In diesem Fall könnte die Entsendung der Maschinen nicht im Afghanistan- Mandat für die Bundeswehr berücksichtigt werden. Der Bundestag entscheidet darüber am 7. Oktober.
  • Aufständische in Afghanistan haben 148 Arbeiter freigelassen, die am 20. Sept. im Westen des Landes entführt worden waren. 118 der Arbeiter seien am 26. Sept. freigekommen, die restlichen am 27. Sept., erklärte der Polizeichef der Provinz Farah. Lösegeld sei nicht gezahlt worden, Dorfälteste hätten die Freilassungen vermittelt. Wer die Männer entführte, war zunächst nicht bekannt. Die Taliban haben eine Beteiligung zurückgewiesen. Die Arbeiter waren auf einem Stützpunkt der afghanischen Streitkräfte in der Stadt Farah beschäftigt. Sie waren in drei Bussen unterwegs, die von den Entführern angehalten wurden.
  • Neuer Angriff auf die Bundeswehr in Afghanistan: In Masar-i-Sharif im Norden des Landes wurde am 27. Sept. ein deutsches Camp beschossen. Dabei habe es aber weder Verletzte noch Sachschaden gegeben, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Nach Berichten aus Afghanistan sollen die beiden ersten Mörsergranaten rund 400 Meter und zwei Kilometer von Camp entfernt eingeschlagen sein, die dritte im Lager selbst. Masar-i-Scharif ist der größte deutsche Standort in Afghanistan.
  • Pakistanische Sicherheitskräfte haben bei Kämpfen im Nordwesten des Landes nach eigenen Angaben mehr als 40 mutmaßliche Aufständische getötet. Die Gefechte in der Stammesregion Bajur im Grenzgebiet zu Afghanistan hätten auch drei Soldaten das Leben gekostet, teilten die Streitkräfte am 27. Sept. mit. Bei dem Anfang August begonnenen Militäreinsatz in Bajur sind damit nach offiziellen Angaben bereits mehr als 1.000 mutmaßliche Aufständische und fast 70 Soldaten getötet worden.
    Am Freitag (26. Sept.) seien 25 Kämpfer getötet worden, am Samstag weitere 16, hieß es. Die Stammesgebiete im Nordwesten Pakistans gelten als Rückzugsgebiete für Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer.
  • 28. Sept.: Bei einem Luftangriff ausländischer Streitkräfte in Afghanistan sind erneut drei Dorfbewohner getötet worden. Der Angriff habe offenbar islamischen Extremisten in der ostafghanischen Provinz Kunar gegolten, sagte Provinzpolizeichef Abdul Dschalal Dschalal.
    Die zunehmende Zahl von Todesfällen in der Zivilbevölkerung haben zu Spannungen zwischen der afghanischen Regierung und den USA geführt. Bei einem US-Angriff am 22. August kamen in der Westprovinz Herat nach UN-Angaben rund 90 Menschen ums Leben.
  • Bei Gefechten mit afghanischen Aufständischen sind vier französische Soldaten verletzt worden. Militärsprecher Christophe Prazuck erklärte, einer der Soldaten habe sich bei dem Gefecht mit etwa 15 Gegnern das Bein gebrochen. Alle Verletzten seien nach den mehrstündigen Kämpfen vom Samstag zum Militärstützpunkt Bagram gebracht worden. Am 18. August waren in Afghanistan zehn französische Soldaten getötet worden.
  • Bewaffnete Männer haben in Kandahar eine der ranghöchsten und bekanntesten afghanischen Polizistinnen getötet. Die Angreifer warteten demnach vor dem Haus der Chefin der Polizeiabteilung für Gewalt gegen Frauen in Kandahar, Malalai Kakar, und erschossen sie, als sie zur Arbeit fahren wollte, wie ein Sprecher der Provinzregierung am 28. Sept. mitteilte. Ein Sohn der sechsfachen Mutter sei dabei schwer verletzt worden. Nach Angaben eines Krankenhausarztes starb Kakar durch eine Kopfschuss.
    Die Enddreißigerin war Chefin einer Einheit von zehn Polizistinnen und hatte bereits zahlreiche Morddrohungen erhalten. Kakar war über die Grenzen Afghanistans hinaus bekannt.
  • Zur Tötung von zehn französischen Soldaten in der Nähe von Kabul Mitte August (siehe unsere August-Chronik vom 18. Aug.) hat sich der afghanische Milizenchef Gulbuddin Hekmatjar bekannt. In einem bei einer afghanischen Nachrichtenagentur am 29. Sept. eingegangenen Videoband erklärte Hekmatjar zugleich, zehn seiner Kämpfer seien gestorben, als die NATO-Soldaten am 18. August in deren Hinterhalt gerieten. Für die Tötung der französischen Soldaten, die größtenteils dem 8. Fallschirmjägerregiment der Marineinfanterie angehörten, hatten zuvor bereits die Taliban die Verantwortung übernommen.
  • Erneuter Angriff auf die Bundeswehr in Afghanistan: Unbekannte haben Raketen auf ein deutsches Feldlager bei Kundus im Norden des Landes abgefeuert. Nach Angaben des Pressesprechers vor Ort (30. Sept.) gab es bei dem Zwischenfall weder Verletzte noch Schäden. Es seien drei Explosionen zu hören gewesen. Die Raketen seien vermutlich von einer Stellung rund fünf Kilometer vom Lager entfernt abgefeuert worden. Zuletzt war das Camp Mitte des Monats ebenfalls mit Raketen angegriffen worden. Auch damals gab es keine Verletzten. (Siehe oben: 17. Sept.)


Zurück zur Kriegschronik

Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zurück zur Homepage