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Afghanistan-Krieg kostet das Dreifache

DIW-Studie deckt Etat-Täuschungen auf / Wehrbeauftragter will weiter "Leoparden" schicken

Von René Heilig *

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist wesentlich kostspieliger als bislang behauptet. So steht es in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) - und zwar unabhängig von allen politischen Bewertungen des Einsatzes.

Die letzten offiziellen Zahlen zum Afghanistan-Einsatz lesen sich so: 2010 plant das Bundesverteidigungsministerium 1,059 Milliarden Euro für den Militäreinsatz am Hindukusch ein, das Auswärtige Amt ist mit 181 Millionen Euro dabei, die wirtschaftliche Zusammenarbeit ist dem zuständigen Ministerium 250 Millionen Euro wert und das Bundesinnenministerium lässt eine Summe von 12 Millionen Euro addieren.

Haushaltsexperten haben schon lange vor versteckten und Nebenkosten gewarnt. Nun errechneten Experten des DIW realistischere Kosten. Danach verschlingt der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan aktuell rund drei Milliarden Euro pro Jahr. In der Studie wurden neben den unmittelbaren Verteidigungsausgaben auch Gelder einbezogen, die durch andere Ministerien bereitgestellt werden. Dazu addierte man - realistisch - langfristige Aufwendungen, die durch Verwundung oder Tod deutscher Soldaten entstehen. Hinzu kommen Zinskosten für die Finanzierung des Afghanistan-Einsatzes sowie weitere Aufwendungen in der Volkswirtschaft. Insgesamt dürfte die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Krieg etwa 36 Milliarden Euro kosten. Dabei gehen die Forscher von einem optimistischen Szenario aus: Demnach genügt die vom Bundestag genehmigte Stärke der Bundeswehr von bis zu 5350 Mann, um das Land zu stabilisieren und 2013 mit dem Abzug beginnen zu können.

Weil dieses Szenario wenig realistisch erscheint, rechneten die DIW-Leute auch mit einem pessimistischen Fortgang des Krieges. In diesem Fall müssten die deutschen Truppen in Afghanistan verdoppelt werden, der Abzug könnte erst 2020 beginnen. So würden sich auch die volkswirtschaftlichen Kriegskosten in den kommenden Jahren verdoppeln.

Anfang Juni ist Kabinettsklausur in Meseberg. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) informierte deshalb seine Ministerkollegen gerade über seine Sparvorgaben. Besonders stark betroffen ist das Verteidigungsministerium mit 1,3 Milliarden Euro. Man darf gespannt sein, wo Kriegskosten demnächst versteckt werden.

Trotz Sparnotwendigkeiten und stärker werdenden Rückzugsforderungen im Volke setzen Parlamentarier auf eine Ausweitung des Krieges. So beharrte gestern der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), darauf, Leopard-Kampfpanzer nach Afghanistan zu schicken.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Mai 2010


Keine Frage des Geldes

Von René Heilig **

Wer hat daran je gezweifelt? Das Afghanistan-Abenteuer, in das Deutschland in höriger rot-grüner Bündnis-Blödheit hineingestolpert wurde, kommt uns teuer zu stehen. Deutschland führt zum zweiten Mal - nachdem nie wieder ein Krieg von Deutschland ausgehen sollte - Krieg. Menschen werden umgebracht, verletzt, verstümmelt. Alle humanistischen Werte gelten im Kampfgetümmel nichts, obwohl man uns vorlügt, dass genau die verteidigt würden am Hindukusch.

Wer will, der kann das mit dem teuren Krieg auch in Geld ausdrücken. Geld, das die wenigen, die hierzulande noch die Pflicht oder das Privileg haben, Steuern zu zahlen, aufbringen müssen. 1,059 Milliarden Euro hat das Verteidigungsministerium für 2010 offiziell eingeplant. Als man 2002 in die Falle Afghanistan kroch, waren es noch 306 Millionen Euro. Sich völlig unpolitisch gebende Analysten stellen Kosten und Nutzen nebeneinander und halten fest, dass sich dabei Niveau-Unterschiede ergeben, die ordentlichen Haushältern das Genick brechen müssten. Einmal so im Zweifel ob des Nutzens deutscher Außen- und Sicherheitspolitik haben Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auch Neben- und Folgekosten des deutschen ISAF-Einsatzes berechnet. Fazit: Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist dreimal so teuer wie offiziell ausgewiesen. Umkehr ist unabwendbar - und wahrlich nicht nur, weil uns einfach das Geld fehlt, um weiter töten zu können.

** Aus: Neues Deutschland, 21. Mai 2010 (Kommentar)

Dokumentiert: Pressemitteilung des DIW

Afghanistan-Einsatz: Jedes weitere Jahr kostet Deutschland drei Milliarden Euro

Kosten etwa drei Mal höher als offizielles Kriegsbudget

Die Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan kostet jährlich circa drei Milliarden Euro. Die gesamten Kosten der deutschen Beteiligung am Krieg in Afghanistan betragen bei einem Abzug ab dem Jahr 2010 etwa 36 Milliarden Euro. Dies sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des DIW Berlin, die das manager magazin vorab berichtete. Die Ökonomen kommen damit zu einer wesentlich höheren Zahl als die Bundesregierung, die die gesamten Kriegskosten mit vier Milliarden Euro und für das Jahr 2010 mit einer knappen Milliarde Euro bezifferte. „Unsere Schätzung ist bei aller Vorsicht relevant und angemessen und bewegt sich eher noch am unteren Rand der Möglichkeiten“. sagte DIW-Experte Tilman Brück.

Kosten durch entgangene Investitionen

Im Unterschied zur Bundesregierung berücksichtigen die Ökonomen nicht nur die zusätzlichen Ausgaben des Verteidigungsministeriums, sondern auch indirekte Kosten wie die Ausgaben anderer Ressorts, Finanzierungskosten, die gesellschaftlichen Kosten durch tote und verletzte Soldaten sowie die Opportunitätskosten durch unterbliebene Investitionen in anderen Bereichen. Brück: „Durch den deutschen Kriegseinsatz fehlen insgesamt jährlich mindestens zwei Milliarden Euro für staatliche Investitionen zum Beispiel in Bildung, Forschung oder Entwicklungshilfe“.

Drei Szenarien

Die DIW-Forscher haben für ihre Berechnungen drei unterschiedliche Szenarien aufgestellt: Für den unrealistischen Fall, dass die deutschen Truppen bis Ende 2010 vollständig aus Afghanistan abziehen, belaufen sich die Gesamtkosten des Einsatzes auf 25 Milliarden Euro. Im realistischeren Szenario eines schrittweisen Rückzugs ab 2013 rechnen die Forscher mit Gesamtkosten von etwa 36 Milliarden Euro. Bei einem umfassenden Engagement mit doppelter Truppenstärke und einem Rückzug ab 2020 schätzt das DIW Berlin die Gesamtkosten auf 73 Milliarden Euro.

Quelle: Pressemitteilung vom 21.05.2010; Website des DIW; www.diw.de




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