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Staatliche Zensur

Sendung abgesetzt. Deutsche Welle beschuldigt Ägypten, die Presse- und Meinungsfreiheit zu missachten

Von Sofian Philip Naceur *

Das neue Kooperationsprojekt der Deutschen Welle (DW) mit dem privaten ägyptischen TV-Sender ONTV ist nach nur zwei Folgen Opfer staatlicher Zensur geworden. Peinlich für Ägyptens Staatschef Abdel Fattah Al-Sisi, der am 3. und 4. Juni zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) hatte aus Protest gegen die Verletzung von Menschenrechten in Ägypten ein schon vereinbartes Treffen mit Al-Sisi abgesagt.

Die von der als regimekritisch bekannten Journalistin Reem Maged moderierte Sendung »Women at a turning point« wurde kurz vor Ausstrahlung der dritten Folge am Freitag aus dem Programm von ONTV gestrichen. Der Sender teilte lediglich mit, die Show sei aufgrund anstehender Veränderungen des Programmschemas verschoben worden. ONTV-Chef Albert Shafiq sagte dem zur Nachrichtenagentur Reuters gehörenden Internetportal Aswat Masriya, es werde noch beraten, ob die Sendung ab- oder nur ausgesetzt werde.

Die DW kündigte unterdessen an, die Sendung weiter in ihrem arabischsprachigen Programm DW Arabic ausstrahlen zu wollen. In einer überraschend aggressiven Pressemitteilung beschuldigt die DW ägyptische Sicherheitsbehörden, ONTV unter Druck gesetzt zu haben, die Sendung abzusetzen. »Die Deutsche Welle verurteilt die Intervention ägyptischer Behörden als massiven Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Der deutsche Auslandssender hat dem Partner ONTV seine Unterstützung zugesagt beim Bemühen, die Koproduktion und Ausstrahlung der Sendung für das arabische Publikum fortzusetzen«, heißt es dort.

Der Haupteigentümer von ONTV, Naguib Sawiris, sagte einer ägyptischen Zeitung, er habe keinerlei Befehle erhalten, die Sendung abzusetzen. Da der Sender jedoch in einer finanziellen Krise stecke und Mageds Show keine Werbeeinnahmen akquiriere, sei die Sendung gestoppt worden, so Sawiris. Maged reagierte auf die Stellungnahmen von ONTV und DW mit einem Kommentar auf ihrer Facebook-Seite und fragt dort, warum sich ONTV auf ein Kooperationsprogramm mit der DW geeinigt habe, ohne dem Partner mitzuteilen, dass eine Veränderung des Programmschemas bevorstehe. Es sei zudem fraglich, warum der ägyptische Privatsender bereits für die dritte Folge der Show geworben habe, wenn eine Veränderung des Programmschemas bevorstehe. Der Sender hatte selbst in Ägyptens Straßen massiv Werbung für die neue Show machen und Werbung in der Kairoer Innenstadt aufhängen lassen. Noch am Sonntag hingen Hunderte Werbeplakate für die Sendung mit Mageds Konterfei und dem Logo der DW auf der Oktober-Brücke, einer Hauptverkehrsachse im Herzen der ägyptischen Hauptstadt.

Maged fragt in ihrer Stellungnahme zudem, warum ONTV die Pressemitteilung der Deutschen Welle weder korrigiert noch kommentiert habe, wenn es sich bei den Gründen für die Absetzung ihrer Show nur um Veränderungen im Programmschema handele. Sie verwies darauf, dass die Internetseite von ONTV eine der ersten Nachrichtenquellen im Land gewesen sei, die berichtet habe, dass der Sender unter Druck gesetzt worden sei, die Show abzusetzen. Der auf der Website von ONTV veröffentlichte Text, auf den sich Maged beruft, ist ein Artikel mit dem Titel »Reem Maged: Ein Mädchen, dass einer Regierung Angst macht«. Eine anonyme Quelle im Sender bestätigt, dass ONTV von staatlichen Behörden und Sicherheitsstellen unter massiven Druck gesetzt worden sei, Mageds neue Show unverzüglich einzustellen.

Ihre Sendung wurde von beiden Fernsehkanälen erst im April auf einer Pressekonferenz in Kairo offiziell vorgestellt (jW berichtete) und sollte fortan in Ägypten produziert und wöchentlich von beiden Sendern ausgestrahlt werden. Die Journalistin hatte bereits vor einigen Jahren eine Talk-Show auf ONTV moderiert. In der zweiten Folge ihrer neuen Sendung war die ägyptische Fotografin Iman Hilal zu Gast und erzählte unter anderem von ihren Erfahrungen während der ägyptischen Revolution 2011. Dazu wurden Fotos von der gewaltsamen Räumung der beiden Protestlager der islamistischen Muslimbruderschaft durch Ägyptens Sicherheitsbehörden gezeigt, bei der Hunderte Menschen getötet wurden. Die blutige Räumung der Protestcamps gilt als schwerstes Massaker in Ägyptens neuerer Geschichte.

Ägyptische Behörden hatten in den vergangenen Monaten immer häufiger die Veröffentlichungen von Berichten über verschiedenste Themen, wie Folterpraktiken in Ägyptens Sicherheitsapparat, verboten und Zeitungen gezwungen, Artikel zu streichen oder umzuschreiben. Mehrfach wurden ganze Ausgaben von Tageszeitungen konfisziert und mussten neu gedruckt werden. Seit der Absetzung der Muslimbruderschaft im Sommer 2013 und der Machtübernahme des alten Regime unter Federführung der Armee ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Ägypten stark unter Druck geraten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 21. Mai 2015


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