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Todesurteile bestätigt

Ägypten: Unruhen nach Gerichtsverfahren wegen Fußballkrawallen

Von Karin Leukefeld *

Nach weiteren Urteilen im Prozeß um tödliche Ausschreitungen im Fußballstadion von Port Said im Februar 2012 ist es in Ägypten erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Dutzende Angeklagte mußten sich wegen vorsätzlichem Mord, grober Fahrlässigkeit oder Waffenbesitz verantworten, darunter auch hochrangige Angehörige der Polizeikräfte. Die Verhandlung am Samstag war aus Sicherheitsgründen nach Kairo verlegt worden. Die bereits vor einem Monat verhängten Todesurteile gegen 21 Angeklagte wurden bestätigt. Fünf weitere Angeklagte wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, 19 Personen erhielten niedrigere Haftstrafen. 28 Personen, darunter auch sieben Polizeibeamte, wurden freigesprochen.

Aus Zorn über die Freisprüche drangen Anhänger des Fußballclubs Al-Ahly in das Gebäude des Ägyptischen Fußballverbandes auf der Nilinsel Gezira (Kairo) ein. Sie zerbrachen Fenster, verwüsteten Räume und legten Feuer. 74 Al-Ahly Fans waren im Stadion von Port Said im Februar 2012 ums Leben gekommen.

Aus Protest gegen die Bestätigung der 21 Todesstrafen verhinderten in Port Said Hunderte Demonstranten und Anhänger des örtlichen Fußballclubs Al-Masry das Auslaufen von Fähren, die zwischen den Ufern des Suez-Kanals pendeln. Reifen wurden angezündet, und am Hafeneingang forderte ein großes Transparent »Unabhängigkeit für Port Said«. Zum Schutz des international wichtigen Hafens zogen Panzer auf, Militärhubschrauber kreisten über den Demonstranten, berichtete die ägyptische Tageszeitung Al-Masri Al-Youm. Die Polizeikräfte hatten sich bereits am Freitag vollständig zurückgezogen, viele, weil sie sich an einem landesweiten Streik gegen den Innenminister beteiligen. Seit Januar herrscht in Port Said der Ausnahmezustand.

Präsident Mohammed Mursi erklärte über seinen Sprecher Ihab Fahmi, wer sich an Krawallen beteilige, werde juristisch zur Verantwortung gezogen. Mursi und seine islamisch geprägte Regierung stehen nicht nur wegen der instabilen Sicherheitslage unter Druck. Auch politische Konflikte und wirtschaftliche Probleme verunsichern das Land. Vor wenigen Tagen wurde der von Mursi genannte Termin für die Parlamentswahlen gerichtlich gestoppt.

Die Regierung wartet auf die Zusage des Internationalen Währungsfonds (IWF), dem wirtschaftlich geschwächten Land einen Kredit in Höhe von 4,8 Milliarden US-Dollar zu gewähren. Die Kreditzusage ist mit massiven Einschnitten in staatliche Subventionen verbunden, beispielsweise im Ölsektor. Ägypten muß Benzin und Heizöl importieren, Lieferausfälle sorgen für lange Schlangen an Tankstellen. Weil sie seit Tagen ihre Tanks nicht auffüllen konnten, blockierten am Sonntag morgen aufgebrachte Minibusfahrer eine vielbefahrene Ringstraße im Kairoer Bezirk Maadi und sorgten im morgendlichen Berufsverkehr für einen massiven Verkehrsstau. In islamischen Ländern ist Sonntag der Wochenbeginn.

* Aus: junge Welt, Montag, 11. März 2013


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