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Haftstrafen für "Schwarzarbeit"

Ägypten: Gericht schließt Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung. Westerwelle empört

Von Sofian Naceur, Kairo *

Ein Strafgericht in Ägyptens Hauptstadt Kairo verurteilte am Dienstag 43 Mitarbeiter ausländischer Organisationen zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren und ordnete die Schließung von fünf Stiftungen und Menschenrechtsorganisationen an. Auch das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kairo ist betroffen und muß seine Arbeit in Ägypten damit vorerst einstellen. Dessen ehemaliger Leiter, Andreas Jacobs, wurde zu fünf Jahren und seine Mitarbeiterin Christine Bader zu zwei Jahren Haft verurteilt. Anwälte der Angeklagten kündigten an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen.

Bereits im Dezember 2011 durchsuchten Vertreter ägyptischer Behörden die Büros von 17 Menschenrechtsorganisationen und politischen Stiftungen, beschlagnahmten Unterlagen und erhoben Anklage gegen Dutzende Mitarbeiter. Der Vorwurf: Arbeit für nicht genehmigte Nichtregierungsorganisationen, Schwarzarbeit und illegale Geldtransfers zugunsten der betroffenen Verbände. Angeordnet wurden die Razzien vom autoritär regierenden Militärrat, unter dessen Führung das Land nach der Revolution 2011 vorrübergehend stand. Ähnlich wie die Funktionäre des alten Regimes unter Hosni Mubarak hatte die Militärführung immer wieder versucht, die Protest- und Demokratiebewegung wegen des Einflusses ausländischer Organisationen zu diskreditieren.

Die jetzt gesprochenen Urteile wurden zum Großteil in Abwesenheit der Angeklagten gefällt. Kurz nach Prozeßbeginn im Februar 2012 wurde das Ausreiseverbot für die angeklagten Ausländer gegen Kaution aufgehoben. Mit Ausnahme eines US-Bürgers, der aus Solidarität mit seinen Kollegen die Ausreise verweigerte, bleibt die Gerichtsentscheidung damit für das Gros der Verurteilten weitgehend folgenlos. Für die ägyptische Zivilgesellschaft ist der Richterspruch dennoch ein harter Schlag. Derzeit entwirft Ägyptens Regierung ein neues Gesetz zum rechtlichen Status von Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen. Befürchtet wird, daß die Regelung, deren Verabschiedung in Kürze erwartet wird, die Arbeit und vor allem die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten massiv einschränken könnte. Sie würde dem Staat eine umfangreiche Kontrolle und Überwachung gesellschaftlicher Aktivitäten in Ägypten ermöglichen, die Meinungsfreiheit könnte massiv beschnitten werden, befürchtet eine Aktivistin einer ägyptischen Jugendorganisation in Kairo.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte in erstaunlich scharfem Tonfall den Richterspruch vom Dienstag. Dieser sei »in hohem Maße beunruhigend« und das Vorgehen der ägyptischen Justiz »besorgniserregend«. Noch im Januar wurde die KAS im Rahmen des Besuchs von Ägyptens Staatspräsident Mohamed Mursi in Berlin offiziell in das deutsch-ägyptische Kulturabkommen aufgenommen. Die Stiftung zeigte sich anschließend optimistisch in bezug auf den damals noch laufenden Prozeß. Schließlich sei durch das Abkommen »die Rechtssicherheit für die Arbeit der Stiftung von den Regierungen beider Länder bestätigt« worden.

Nicht nur die KAS intensivierte nach der ägyptischen Revolution ihre Aktivitäten. Auch die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) hatte für 2012 ein Auslandsbüro in Kairo geplant. Nach den Razzien im Dezember 2011 und der Veröffentlichung des ersten Entwurfes des geplanten Gesetzes für Nichtregierungsorganisationen legte die RLS ihre Pläne aber zunächst auf Eis und bereitet inzwischen die Eröffnung eines Büros in der tunesischen Hauptstadt Tunis vor.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 6. Juni 2013


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