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Koptische Christen im Visier von Extremisten

Attentat auf ägyptische Minderheit

Von Karin Leukefeld *

Die Gläubigen standen nach dem Gottesdienst in der Nacht noch auf der Straße zusammen und plauderten, als plötzlich ein grüner Fiat mit drei Männern auf sie zukommt. Zwei von ihnen feuern wahllos auf die jungen Christen, von denen sechs starben.

Bei einem Anschlag auf koptische Christen sind in der Nacht zum Donnerstag (7. Jan.) in Nag Hammadi, einem Ort unweit von Luxor, rund 650 km südlich von Kairo, mindestens sieben Menschen getötet worden. Offiziellen Quellen zufolge sollen zehn weitere Personen verletzt worden sein, darunter auch Muslime. Unbekannte eröffneten demnach aus einem vorbeifahrenden Auto heraus das Feuer auf die Gläubigen, als sie nach der Mitternachtsmesse zum koptischen Weihnachtsfest am 7. Januar aus der Kirche kamen.

Bei den Toten handelt es sich um sechs Kopten und einen Muslim, der als Wachmann für die Kirche gearbeitet habe, hieß es weiter. Noch in der Nacht soll es Agenturberichten zufolge in Nag Hammadi zu Auseinandersetzungen zwischen etwa 2000 Kopten und der Polizei gekommen sein. Arabische Medien wie die Agentur Al Arabiya zitieren darüber hinaus einen Mitarbeiter im ägyptischen Innenministerium, wonach es sich bei dem Anschlag um die Rache für die Vergewaltigung eines zwölfjährigen muslimischen Mädchens handeln könnte, die ein koptischer Christ im November in Nag Hammadi verübt haben soll. Damals war es Tage lang zu Ausschreitungen in dem Ort gekommen, wobei vor allem christliches Eigentum in Brand gesetzt und zerstört worden sein soll.

Ungefähr zehn Prozent der 80 Millionen Ägypter sind nach offiziellen Angaben Christen, die man als Kopten bezeichnet. Das Wort leitet sich aus dem griechischen Wort »Aigyptos« ableiten, was »Ägypten« bedeutet. Die Kopten gibt es in Ägypten seit dem Ende des 2. Jahrhunderts, sie teilen sich in Orthodoxe, Katholiken und Protestanten. Daneben gibt es noch kleinere altorientalische Kirchen. In der islamischen Welt sind Christen wie Juden traditionell als »Volk des Buches« geschützt, unterliegen allerdings besonderen Regeln, die sich im Laufe von Jahrhunderten immer wieder geändert haben und Verfolgung nicht ausschließen konnten.

In Ägypten gibt es Konflikte vor allem bei Eheschließungen. Während muslimische Männer christliche oder jüdische Frauen heiraten dürfen, ist es muslimischen Frauen untersagt, Mitglieder anderer Konfessionen zu ehelichen. Auch dürfen Christen keine muslimischen Ehepartner nehmen, tun sie es doch, ist Konflikt programmiert. Erst im November hatte ein ägyptisches Gericht zwei Christen zum Tode verurteilt, weil sie den muslimischen Ehemann einer Verwandten getötet hatten, die gegen den Willen der Familie zum Islam konvertiert war.

Ein anderes Konfliktfeld ist der Personalausweis, in dem die Religionszugehörigkeit angegeben ist. Auch wenn es weder der Verfassung noch den Gesetzen Ägyptens entspricht, werden Christen die einen Ausweis beantragen, häufig aufgefordert, zum Islam überzutreten, um das Papier zu erhalten. Weigern sie sich, werden sie abgewiesen. Einem Bericht der britischen BBC ist zu entnehmen, dass daher viele Christen ohne Papiere leben, sich aber aus Stolz über ihre Zugehörigkeit zur koptischen Kirche ein Kreuz in die Innenseite des Handgelenks tätowieren lassen. Auch wenn es seit einigen Jahren vermehrt zu Spannungen zwischen Kopten und Muslimen kommt, sind gewalttätige oder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen die Ausnahme. Die schwersten Ausschreitungen in Ägypten liegen zehn Jahre zurück. Damals wurden in verschiedenen südägyptischen Ortschaften 20 Christen getötet, 22 verletzt und viele Geschäfte zerstört.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Januar 2010


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