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Nach der Revolution muss Bildung her

Wie ein schwäbischer Gewerkschafter eine Ausbildungswerkstatt in Oberägypten auf den Weg bringt

Von Gesa von Leesen *

»Sympathie allein reicht nicht, man muss auch was tun«, sagt der Gewerkschafter Sieghard Bender. Bei Luxor organisiert er eine Ausbildungswerkstatt für Sanitärfachleute und Elektriker. Eine Geschichte aus dem postrevolutionären Ägypten.

Vom schwäbischen Esslingen aus wird derzeit eine systematische Ausbildung im oberägyptischen Thoth organisiert. An einer technischen Schule in der Nähe von Luxor sollen gute Sanitärfachleute und Elektriker ausgebildet werden. An dem Projekt beteiligen sich die Nürtinger Firma Metabo, unter anderem bekannt für ihre Akkubohrer, sowie der Drehmaschinenhersteller Index aus Esslingen. Geboren hat die Idee der Chef der IG Metall Esslingen Sieghard Bender.

Ursprünglich reiste der 58-Jährige vor allem wegen der Tempel und Pyramiden immer wieder ins Land am Nil. Dann kam im Januar 2011 die Revolution. Bender: »Die habe ich natürlich mit großer Begeisterung verfolgt. Aber Sympathie allein reicht nicht. Man muss auch was tun.« Die Idee für die Ausbildungswerkstatt wurde geboren.

Seit der Revolution herrscht Unsicherheit im Land, die Touristenströme sind abgerissen. Junge Männer, die früher Papyrusbilder vertickten oder Kutschfahrten anboten, lungern herum. Dabei wäre viel zu tun: Die Müllabfuhr funktioniert nicht, aus Hauswänden hängen Stromkabel, in den Häusern tropft das Wasser aus kaputten Hähnen.

In Gesprächen vor Ort hat Bender erfahren, dass es extrem schwer ist, gute Handwerker zu finden. Wenn was kaputt ist, wird es zwar repariert - aber eben nur irgendwie. Eine systematische berufliche Ausbildung ist in Ägypten nahezu unbekannt. Bender nahm Kontakt mit dem Gouverneur von Luxor Ezzat Saad auf. Der ehemalige Diplomat, ein weltoffener Mann, fand die Ausbildungsidee gut: »Unsere jungen Leute brauchen eine berufliche Perspektive. Die haben sie nur mit einer ordentlichen Ausbildung.«

In der technischen Schule in Thoth, eine Stadt nahe Luxor, sind die Voraussetzungen vorhanden: Werkstätten, Lehrer, 1400 Schüler zwischen 15 und 17 Jahren - aber kein Material und fast keine Maschinen, an denen gearbeitet werden könnte. Praxisunterricht ist Mangelware.

Nachdem ein Kooperationsvertrag zwischen IG Metall Esslingen und dem GouvernatLuxor unterzeichnet wurde, übergab Bender im vergangenen Mai Gastgeschenke von Metabo: Bohrmaschinen und T-Shirts. Warum Metabo hilft, erklärt dessen Geschäftsführer Horst Garbrecht: »Metabo hat sich schon immer für die handwerkliche Ausbildung stark gemacht und diverse Ausbildungs-Einrichtungen im In- und Ausland mit Maschinenspenden unterstützt. Wir bewundern Herrn Bender dafür, dass er sich für die Jugendlichen in Ägypten einsetzt und freuen uns, wenn wir unterstützen können.«

Inzwischen wurden in Thoth vier Lehrer ausgesucht, die ab Herbst diesen Jahres für jeweils vier Wochen in den Ausbildungswerkstätten von Metabo und Index das deutsche Ausbildungssystem kennen lernen sollen. Derzeit absolvieren sie an der Deutschen Schule in Luxor einen Intensivsprachkurs. Geplant ist zudem, dass deutsche Ausbilder die Schule in Thoth besuchen und ihren dortigen Kollegen helfen. Möglichst bald soll dann die zweijährige - kostenlose - Ausbildung der Schüler beginnen. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit hat Unterstürzung bei der Organisation zugesagt.

Bender: »Ich bin mir sicher: Wenn die ersten Jungs zeigen können, wie viel besser sie ihren Beruf beherrschen als andere, wird sich das rum sprechen und Schule machen.« Der Gewerkschafter will mit dem Projekt auch die IG-Metall-Jugend für andere Welten begeistern. Gleich neben der technischen Schule in Thoth steht eine große, moderne Jugendherberge - dort könnten hiesige Azubis wohnen und das Leben ihrer ägyptischen Altersgenossen kennen lernen. »Das öffnet Herz und Kopf«, sagt Bender. Er lächelt. »Und es macht Spaß.«

* Aus: neues deutschland, Freitag, 3. August 2012


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