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Ablenkendes Säbelrasseln am Nil

Ägypten fürchtet wegen Staudamm-Projekt in Äthiopien um seine Wasserversorgung

Von Sofian Naceur, Kairo *

Mit martialischen Tönen versucht Ägyptens Regierung, aus einem Staudamm-Projekt Äthiopiens politisches Kapital zu schlagen. Vordergründig geht es in der aufgeheizten, nationalistischen Debatte um eine Mega-Talsperre am Oberlauf des Nils, mit der Äthiopien seinen chronischen Energiemangel beheben will. Ägypten fürchtet um seine Wasserversorgung, die das Land zu 95 Prozent aus dem Fluß bezieht. Präsident Mohamed Mursi bezeichnete den Staudamm daher als Bedrohung der nationalen Sicherheit und rief zur Einheit auf. Mit dem Konflikt versuchen Mursi und die regierenden Muslimbrüder, von innenpolitischen Themen abzulenken.

Mit dem Aufruf zur nationalen Einheit will Mursi nun offensichtlich die Opposition auf Regierungslinie trimmen und Protesten im Land das Wasser abgraben. Seine Gegner haben für den 30. Juni, dem ersten Jahrestag von Mursis Amtsantritt, zu einer Großdemonstration gegen seine Politik aufgerufen. Anfang Juni trommelte der Regierungschef nun die Opposition zu einem Treffen zusammen, das zum medialen Super-Gau wurde. Man hatte schlicht vergessen, die Teilnehmer zu informieren, daß die Debatte live im Staatsfernsehen übertragen wurde. Entsprechend offen waren die Wortmeldungen. Der liberale Oppositionspolitiker Ayman Nour schlug vor, Gerüchte zu streuen, Ägypten verfüge über neuartige Kampfflugzeuge und plane den Damm zu bombardieren. Younis Makhyoun von der salafistischen Partei »Das Licht« sagte, Ägypten solle äthiopische Rebellen unterstützen, um Äthiopiens Regierung unter Druck zu setzen. Mursi drohte, »wenn unser Anteil am Nil-Wasser sinkt, ist unser Blut die Alternative«, und selbst der populäre Linkspolitiker Hamdeen Sabahi rief Ägyptens Bevölkerung auf, die Regierung in dieser Frage zu unterstützen.

Unterdessen appellierten die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die EU eindringlich an beide Staaten, den Dialog wieder aufzunehmen. Nach dem grotesken zweiwöchigen Säbelrasseln reiste am Sonntag Ägyptens Außenminister Mohamed Kamel Amr nach Äthiopien. In Kairo hieß es, die Gespräche hätten im »Geist der Kooperation« stattgefunden. Äthiopiens Außenminister Tedros Adhanom betonte jedoch, der Bau des Dammes werde nicht eingestellt. Die äthiopische Regierung hatte ohnehin stets betont, lediglich Strom erzeugen zu wollen und keineswegs Ägyptens Wasserversorgung zu beeinträchtigen. Ägypten beharrt jedoch auf seinem »historischen« Anrecht auf den Nil. Kurz nach Ende der britischen Kolonialherrschaft über Ägypten hatten London und Kairo ein Abkommen unterzeichnet, das Ägypten die Kontrolle über den Nil und ein Veto-Recht in allen Belangen zusprach. 1959 signierten Ägypten und Sudan einen Vertrag zur gemeinsamen Nutzung des Nil-Wassers, jedoch ohne Beteiligung der anderen Nil-Anrainer. Diese drängen schon lange, die Wasser- und Energieregelungen am Nil auf eine gemeinsame vertragliche Grundlage zu stellen.

Der Schlüssel für eine Verhandlungslösung im Konflikt zwischen Kairo und Addis Abeba ist die Zeitspanne, in der der Stausee gefüllt werden soll. Äthiopien will damit 2014 beginnen und zwei Turbinen zur Stromproduktion in Betrieb nehmen. Die Fertigstellung des Staudamms und der Wasserkraftwerke, die mit einer Leistung von 5250 MW die derzeit in Äthiopien installierte Kraftwerksleistung von nur 2000 MW mehr als verdreifachen sollen, ist für 2017 geplant. Ein Ingenieur in Kairo, der anonym bleiben will, betont, die von Äthiopien geplante Füllung des Stausees in drei Jahren würde Ägyptens Wasser- und Stromversorgung akut gefährden und negative ökologische Auswirkungen auf den Assuan-Stausee in Süd-Ägypten haben. Eine Füllungsperiode von mindestens zehn Jahren könnte jedoch die negativen Folgen des Projektes kontrollierbar machen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 19. Juni 2013


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