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Juli/August: FriedensJournal 4/2008 erschienen

Thema: "Iran, Afghanistan, Tschad". Mit Beiträgen von Matin Baraki, Murat Cakir, Regina Hagen, Helga Hörning, Ulla Jelpke, Ali Fathollah-Nejad, Karl-Heinz Peil, Paul Schäfer, Helmut Semmelmann, Peter Strutynski und Jürgen Wagner


Editorial: George Orwell 2008

Aus dem Klassiker „1984“ von George Orwell wurde vor allem der darin geschilderte totale Überwachungsstaat mit „Big Brother (is watching you)“ ein geflügeltes Wort. Dass wir in Deutschland des Jahres 2008 dank Schäubles Sicherheits- und Terrorismus-Wahn diesbezüglich Orwell’sche Dimensionen erlangt haben, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Ein anderer Orwell-Begriff ist mittlerweile im Diskurs der heutigen politischen Verhältnisse ebenso populär geworden: Neusprech. In Orwell’s 1984 war Neusprech eines der zentralen Werkzeuge um die Massen zu kontrollieren. Das Kriegsministerium nannte sich bei Orwell Friedensministerium. Eine „Sprachreform“ auf ganzer Linie.

Mit dieser Ausgabe des Friedensjournals möchten wir besonders darauf hinweisen, welche Neusprech-Dimensionen wir in Deutschland mittlerweile erreicht haben. Im Beitrag von Jürgen Wagner über die Um-Etikettierung von Militäreinsätzen als Entwicklungshilfe – speziell am Beispiel Tschad festgemacht – wird dieses besonders deutlich. Praktischer Nutzeffekt des Neusprech wäre hier auch, dass man endlich den Etat für Entwicklungshilfe aufstocken kann, was bisher angeblich nie im notwendigen Maße möglich war.

Der Gastkommentar von Ulla Jelpke fügt sich nahtlos an den vorhergehenden an. Zu den Konsequenzen der EU-„Entwicklungshilfe“ gehört ein „integriertes Grenzmanagement“ der EU. Das klingt gut – und verbirgt geschickt, mit welcher Brutalität und Menschenverachtung gegen Migrantenströme speziell aus Afrika vorgegangen wird. Sprachlich korrekter wäre hier, von einem Kriegszustand an den EU-Außengrenzen zu sprechen.

Geradezu ein Neusprech-Klassiker ist natürlich die Aussage von Ex-Verteidigungsministers Peter Struck, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt werde. Sprachlich korrekter ist dem gegenüber Peter Strutynski, der in seinem Beitrag „unsere“ Interessen in Afghanistan beleuchtet. Der gut besuchte Afghanistan-Kongress in Hannover war geprägt von realistischen Darstellungen dessen, was sich z.B. hinter so wohlklingenden Begriffen wie „zivile Aufbauhilfe“ verbirgt. Die Bundeswehr-Beteiligung an der internationalen ISAF-“Schutztruppe“ ist spätestens seit dem 1.Juli einem klar definierten Kampfauftrag gewichen, durch die Übernahme der „Schnellen Eingreiftruppe“ im Norden Afghanistans. Immerhin wird dieses in den bürgerlichen Medien zum Leidwesen des „Verteidigungsministeriums“ nicht mit Neusprech, sondern tatsächlich noch sprachlich korrekt als Kampfeinsatz benannt.

Um Sprachverdrehungen geht es auch bei den eindeutig vorhandenen Kriegsvorbereitungen gegen den Iran. Dazu haben wir auf Seite 4 die Agenturmeldungen von dpa und afp gegenüber gestellt, um zu zeigen, wie man mit Falschzitaten gezielt Kriegspropaganda betreiben kann.

Das Friedensjournal hatte bereits im Mai 2006 die Titel-Schlagzeile „Kein Krieg gegen den Iran“. Mittlerweile spricht vieles für einen tatsächlich bevorstehenden Angriff, vor allem wegen der propagandistischen Vorgehensweise, die genau dem Schema vor dem Irak-Krieg entspricht. Als wäre dieses nicht schon schlimm genug, wird hierbei auch der Einsatz von Atomwaffen gegen den Iran nicht mehr ausgeschlossen.

Der atomarer Erstschlag der USA in Hiroshima am 6. 8. 1945 muss deshalb dringender denn je wieder in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Dazu gehören auch die aktuellen Forderungen nach Abzug aller in Deutschland lagernden Atomwaffen mit der am 30. 8. geplanten Demonstration am Atomwaffen-Standort Büchel.

Mit den zentralen Demonstrationen am 20. 9. in Berlin und Stuttgart gegen den Afghanistan-Einsatz müssen Zeichen an die Adresse von Bundestag und Bundesregierung gesetzt werden, Ebenso wichtig wird aber auch an diesem Tag sein: Kein Krieg und keine Kriegsdrohungen gegen den Iran!

Karl-Heinz Peil

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