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"Friedensbewegung hat Aktionsfähigkeit bewiesen"

Aller Unkenrufe zum Trotz: Organisatoren sind mit Verlauf der Ostermärsche zufrieden. Ein Gespräch mit Willi Hoffmeister *


Willi Hoffmeister ist Sprecher des Ostermarsches Ruhr und engagiert sich seit Jahrzehnten in der Friedens- und Antifabewegung.

Insgesamt rund 100 Kundgebungen, Demonstrationen und Mahnwachen fanden bundesweit rund um das vergangene Wochenende im Rahmen der Ostermärsche statt. Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der diesjährigen Märsche?

Trotz solcher Bekundungen, die Friedensbewegung finde keine Resonanz mehr und zerlege sich selbst, kann ich nur feststellen, dass die Bewegung keineswegs tot ist. Mit den bekannten rund 100 Aktionen, die über die vergangenen Tage bundesweit stattfanden, hat die Friedensbewegung vielmehr ihre Aktionsfähigkeit bewiesen. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass es anderer Größenordnungen bedarf, um die Rüstungsbefürworter und Kriegstreiber in ihre die Schranken zu verweisen.

Trotzdem ist die Friedensbewegung vielerorts überaltert. Haben Sie den Eindruck, dass es in diesem Jahr gelungen ist, auch junge Menschen zu den Protesten zu mobilisieren?

Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass die Friedensbewegung überaltert ist, zumindest was die Ostermärsche betrifft. Dass das Alter der Aktiven in Organisationen, Vereinen und Initiativen sehr hoch ist, ist kein Geheimnis. Das zu verändern ist jedoch administrativ nicht zu lösen. Junge Menschen bewegen sich dort, wo sie sich wiederfinden und ihre Probleme zur Sprache kommen. Nun kann gefragt werden, ob die Friedensfrage bei der heutigen Jugend nicht von Interesse sei. Ich behaupte jedoch, und das haben mir etliche Gespräche gezeigt, dass die Jugend ihren Spielraum für die Umsetzung eigener Ideen braucht. Das hat auch der Jugendblock beim Ostermarsch vor zwei Jahren in Düsseldorf gezeigt. Mein Wunsch heute wie gestern ist, dass Jugendorganisationen, wie beispielsweise Falken, Jusos und SDAJ, wie in den 1980er Jahren wieder die Ideengeber und Gestalter im Ostermarsch-Komitee werden.

Beim Ostermarsch Rhein-Ruhr spielt traditionell auch das Thema Antifaschismus eine große Rolle. Gab es – wie in den Vorjahren – erneut Provokationen von Neofaschisten?

Orte des antifaschistische Gedenkens waren Gelsenkirchen, Wattenscheid und Dortmund-Dorstfeld. In Dorstfeld haben in den vergangenen Jahren die Nazis versucht, den Ostermarsch zu stören. In den vergangenen zwei Jahren versuchten sie, mit Hilfe biederen Auftretens in die Zugreihen einzusickern. Beim Kooperationsgespräch im Polizeipräsidium in Dortmund mussten wir zur Kenntnis nehmen, das es keine Handhabe für die Polizei gebe, gegen friedliche Teilnehmer einer öffentlichen Veranstaltung einzuschreiten. Ausnahme seien geschlossene Räume, sagten die Beamten. Zur diesjährigen Kundgebung war in der Tat wieder eine Handvoll der Rechten anwesend, die aber von der Polizei in Seitenstraßen befördert wurde.

In den vergangenen Wochen und Monaten kam es in der Friedensbewegung zu massiven politischen Auseinandersetzungen bezüglich einer Zusammenarbeit mit den sogenannten Montagsmahnwachen. Hat dieses Spektrum bei den Ostermärschen überhaupt eine Rolle gespielt?

Eine enge Zusammenarbeit mit den Mahnwachen in der Vorbereitung des Ostermarsches hier an Rhein und Ruhr hat es nicht gegweben. Das war auch wegen der vorausgegangenen Auseinandersetzungen und Unklarheiten bezüglich der Abgrenzung nach Rechts nicht möglich. Für mich ist eines klar: Wer mit Aussagen, Rechts und Links gebe es nicht mehr und alle sseien willkommen, die für den Frieden sind, hat die Grenzen unseres Engagements verlassen.

Ist es aber nicht trotzdem notwendig, dass die Friedensbewegung nun einmal eine breiter angelegte Debatte über ihre Strategie und Bündnispartner führt?

Ich bin immer für eine breit angelegte, solidarisch- kritische und vorwärtsweisende Debatte. Diese liegt für mich bei den beiden Dachorganisationen, dem »Arbeitsausschuss Friedensratschlag« und dem »Netzwerk Friedenskooperation«. Alle relevanten Friedensgruppen und -organisationen sind dort vereint. Nur so können gemeinsame Aktionen entwickelt werden – und seien sie auch nur punktuell wirksam.

Interview: Markus Bernhardt

* Aus: junge Welt, Dienstag, 7. April 2015


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