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"Der 'Friedenswinter' macht die Friedensbewegung kaputt"

Gespräch mit Monty Schädel. Über die Schwäche der antimilitaristischen Kräfte in der BRD, organisierte Einflussversuche von rechts und fragwürdige Bündnisse mit den sogenannten Montagsmahnwachen


Monty Schädel ist seit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik in verschiedensten Bereichen der Antifa, Friedens-, Flüchtlings und Sozialpolitik aktiv. Seit 2007 als politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) beschäftigt, verurteilt als Kriegsdienst(total)verweigerer nach mehrwöchigem Hungerstreik im Arrest der Bundeswehr 1997; von 1998 bis 2002 parteiloser Abgeordneter der PDS-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern; Rostocker Koordinator im Bündnis gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heilgendamm; Mitorganisator des Protests gegen den NATO-Gipfel 2009 in Baden-Baden/Strasbourg; mehrere Jahre Kosprecher der Kooperation für den Frieden, Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in Mecklenburg-Vorpommern.

Am vergangenen Wochenende hat in Frankfurt am Main eine Koordinierungskonferenz des »Friedenswinter«-Bündnisses aus Teilen der Friedensbewegung und der sogenannten Montagsmahnwachen stattgefunden, an der Sie teilgenommen haben. Dort sollte es um Strategien gehen, wie die Friedensbewegung auf die Konfrontation zwischen Russland und der NATO und die bedrohliche Sicherheitslage in der Welt reagieren kann. Was hat die Diskussion ergeben?

Gemeinsam mit unterschiedlichen Gruppen aus der Friedensbewegung sollte eine Bilanz gezogen werden: Was haben wir in den vergangenen Monaten erreicht, wie arbeiten wir in Zukunft zusammen, was muss die Friedensbewegung in der BRD tun? Natürlich betrifft dies die Auseinandersetzung um die Ukraine, aber auch um Kriegsherde in anderen Teilen der Welt. Wie reagieren wir auf die Bundeswehr im Inneren, auf die »Weiterentwicklung« der NATO? Weiter nach Osten, immer weiter in Konfrontationssituationen? Am Ende ging es aber vor allem um den Versuch einer Analyse des »Friedenswinters« selbst. Da gab es sehr unterschiedliche Positionierungen. Die Gruppe Pax Christi hat in der Auswertung gesagt, die Auseinandersetzung mit Gruppen, die neu zur Friedensbewegung gekommen sind, habe die Friedensbewegung als solche blockiert. Diese Einschätzung teile ich. Wir sollten uns in Zukunft wieder auf unsere bewährten Strukturen stützen und den »Friedenswinter« beenden. Das sehe ich ganz genau so! Andere haben die Veranstaltungen, die im Rahmen des »Friedenswinters« stattgefunden haben, gelobt. Zum Beispiel wurden die seit Jahren stattfindenden Proteste gegen die Münchner »Sicherheitskonferenz« aufgeführt – die es allerdings auch lange vor dem Bündnis schon gab. Als Erfolg wurde auch der 13. Dezember gewertet, an dem man in Berlin und bundesweit an verschiedenen Orten Proteste auf die Straße gebracht hat. Außer in Berlin konnten allerdings kum größere Menschenmassen angesprochen werden. Die mit dem »Friedenswinter« erwartete Verbreiterung der Friedensbewegung wurde nicht erreicht.

Für mich ist im Ergebnis dieser Beratung deutlich geworden: Wir müssen uns auf unsere eigenen Strukturen stützen. Wenn andere, nämlich die Mahnwachen, eine Struktur brauchen, sollen sie sich die selber geben.

Die traditionellen Ostermärsche im vergangenen Jahr zogen nicht so viele Menschen an, die sogenannten Montagsmahnwachen, die im März 2014 entstanden, konnten mehr Menschen mobilisieren. Die traditionelle Friedensbewegung hat sich über den Krieg in der Ukraine in Schweigen gehüllt oder in Äquidistanz geübt. Ist dieses Versagen Gegenstand von Debatten gewesen?

Dieses Versagen ist schon lange vorher diskutiert worden, nicht bei dieser Konferenz. Die so entstandene Leerstelle wurde vom Mahnwachenspektrum besetzt. Der »Friedenswinter« ist im Oktober letzten Jahres entstanden, als Vertreter aus der Friedensbewegung dazu aufgerufen hatten, endlich in Bewegung zu kommen. Auch, um darauf zu reagieren, dass die Mahnwachen etliche Menschen mobilisierten, unter der Decke des Friedensengagements aber auch merkwürdigste andere, z. T. rassistische Positionen verbreitet worden sind. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir haben auf die Eskalation in der Ukraine nicht reagiert, wir haben in dieser Situation als Friedensbewegung in der Bundesrepublik versagt. Wir haben einfach keine Leute mobilisieren können, das haben andere für sich genutzt. Um dem Rechnung zu tragen, wollten wir im Oktober mit einigen, die bei den Mahnwachen beteiligt waren, schauen, was man gemeinsam machen kann.

Nun gibt es an den Montagsmahnwachen schon sehr viel länger Kritik, auch schon vor dem Oktober letzten Jahres. Sie haben im Interview mit der jW im Dezember gesagt, dass es in der Mahnwachenbewegung zu Abgrenzungen gegenüber Rassismus, Faschismus und Menschenfeindlichkeit gekommen sei. Sie wollten damals nicht von einer Spaltung sprechen. Welche Bilanz ziehen Sie nun?

Die Einschätzung von damals muss ich revidieren. Meine Beobachtung ist, dass es von den Mahnwachen zwar viele Erklärungen gab, die sich von rechts distanzierten oder zum Antifaschismus und Humanismus bekannten. Diese Erklärungen wollte auch ich beim Wort nehmen. Es hatten sich verschiedene Mahnwachenaktivisten mit Personen der Friedensbewegung, die ich seit Jahren und Jahrzehnten kenne, zusammengetan, sie haben miteinander geredet, Positionen angeglichen. Das deckte sich mit meinen Ansichten nicht in allen Punkten, aber in den allermeisten.

In der Realität, vor allem in den vergangenen Wochen, sehe ich aber, dass bei Mahnwachenveranstaltungen Leute aufgetreten sind, die auch in anderen Zusammenhängen eine Rolle spielen, zum Beispiel bei »Endgame«, den neurechten »Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas«. Es gab eine klare Distanzierung von bestimmten Personen aus dem rechten Spektrum, und trotzdem agieren Mahnwachenvertreter, die auch für den »Friedenswinter« sprechen wollen, also mit mir und uns als DFG-VK in einem Bündnis sind, mit solchen Personen auf Demonstrationen.

Am 28. Februar hat in Berlin auf einer Demonstration, die aus dem Umfeld der rechten Zeitschrift Compact organisiert wurde, eine Protagonistin der Hamburger Montagsmahnwachen gesprochen. Die Abgrenzung gegenüber dem rechten Magazin und seinem Herausgeber Jürgen Elsässer war stets als eine der gemeinsamen Grundlagen benannt worden. Reiner Braun, Sprecher der Kooperation für den Frieden, hat am Mittwoch im Interview mit jW erklärt, dass eine klare Grenze zu eindeutig nach rechts offenen Initiativen wie »Endgame« gezogen werden muss. Kann man davon ausgehen, dass das eingehalten wird?

Das ist eine Differenz, die ich mit Reiner Braun habe. Meine Erfahrung ist, dass diese Zusagen nicht eingehalten werden. Mahnwachenvertreter, die gemeinsam mit Elsässer auftreten, haben für mich diese Grenze überschritten. Das ist meine persönliche Einschätzung, von der ich weiß, dass das viele in meinem Verband genau so sehen. Das geht nicht. Da hilft es nicht, irgendwo ein Grundlagenpapier abzugeben. Wenn es einen klaren Beschluss gibt, dass es nach rechts keine Offenheit und mit bestimmten Personen keine gemeinsamen Auftritte gibt, muss das eingehalten werden. Oder das Bündnis als solches muss beendet werden.

Sehen Sie den Versuch einer organisierten Beeinflussung?

Organisierte Einflussnahme habe ich am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main erlebt. Eine Arbeitsgruppe der besagten Mahnwachenvertreterin aus Hamburg, die bei Elsässer auf der Demo geredet hat, ist deshalb abgesagt worden. Ich will nicht mit jemandem unter einem Aufruf stehen oder bei einer Veranstaltung angekündigt werden, der mit diesen Kräften zusammenarbeitet. Dies war ein Verstoß gegen gemeinsam gefasste Beschlüsse. Auf der Konferenz in Frankfurt ist dann der Antrag gestellt worden, diese Arbeitsgruppe doch wieder einzurichten. Da ist massiv Druck ausgeübt worden. Eine Mehrheit hat schließlich dafür gestimmt. Die Moderation hat es sich dann leicht gemacht und behauptet, es sei gar keine Mehrheit zustande gekommen. Schließlich wurde eine zweite Abstimmung organisiert; nach meiner Beobachtung haben dann noch mehr Teilnehmer dafür gestimmt. Das war ein organisiertes Auftreten. Die Moderation hatte daraufhin wieder behauptet, keine Mehrheit erkennen zu können. Schließlich wurde darauf bestanden, die Stimmen auszuzählen. Dazu kam es nicht; denn derjenige, der den Antrag gestellt hat, zog ihn selbst zurück.

Haben Sie eine Vermutung, warum das nicht durchgezogen wurde, wenn es sich doch um organisiertes Vorgehen gehandelt haben soll?

Es hätte für den Eklat gesorgt, wenn die Aktionskonferenz »Friedenswinter« den Namen einer Frau auf die Tagesordnung setzt, die vorher wegen Auftritten mit Elsässer gestrichen worden war. Das hätte zum Bruch geführt. Es hätte auch diejenigen, die den »Friedenswinter« organisiert haben, in Erklärungsnöte gebracht.

Für mich bestand der Eklat allerdings bereits darin, dass dieser Antrag überhaupt gestellt wurde, und das, nach meiner Sicht, eine Mehrheit dafür gestimmt hat. Das ist für mich der letzte Beleg, dass bestimmte Kräfte die Friedensbewegung für sich nutzen wollen, um dort Politik in ihrem Sinne zu machen. Dabei störe ich mit meiner verkündeten Ablehnung des »Friedenswinters« wohl. Anders kann ich mir die Angriffe gegen mich in den letzten Tagen nicht erklären.

Sie spielen auf Ken Jebsen an. Auf einer Berliner Montagsmahnwache am 16. März hat Sie der ehemalige Radiomoderator massiv angegriffen, als »Feind in diesem Land« bezeichnet (junge Welt hat Jebsens Rede in Auszügen am 18. März dokumentiert). Was bezweckt er damit?

Auch wenn er meint, mich in seine Feindesliste einführen zu müssen: Ich kann ihn bis heute nicht wirklich einschätzen. Seine Interviewpartner sind von weit rechts bis weit links zusammengesucht, er teilt offensichtlich von weit links bis weit rechts alle Positionen. Das ist eine Beliebigkeit, die ich nicht teile und die ich in der Friedensbewegung, wie ich sie kenne, bislang noch nicht erlebt habe.

Auch von Jürgen Elsässer, seinem langjährigen Kooperationspartner, wollte sich Jebsen nicht distanzieren. Nichtsdestotrotz waren es Politiker aus der Linkspartei, zum Beispiel Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke, die ihn erst durch gemeinsame Auftritte salonfähig gemacht haben. Wie erklären Sie sich das? Ist Ken Jebsen jemand, mit dem man zusammenarbeiten kann?

Zusammenarbeit mit Ken Jebsen geht für mich persönlich überhaupt nicht. Andere bestätigen mich darin, wenn sie sagen: Wer jemanden aus unseren Reihen als »Feind« bezeichnet, der disqualifiziert sich als Bündnispartner. Man kann unterschiedliche Positionen haben, man kann auch völlig konträre Ideen haben, das ist alles kein Problem. Doch erstens sollte es nicht ins Persönliche gehen, und zweitens ist die Tür nach rechts zu. Das waren immer die Positionen der Friedensbewegung.

Nun ist die Linkspartei alles andere als homogen, es gibt auch einen Reformerflügel. Die Mainstream-presse, aber auch der an Regierungsbeteiligung interessierte Flügel der Linkspartei, rückt Friedensakti-visten seit dem ersten Auftreten der Montagsmahnwachen in die Nähe von Verschwörungstheoretikern, Rechten und Spinnern. Hat im Zuge des »Friedenswinters« der Friedensgedanke selbst Schaden genommen?

Diesen Vorwurf einer angeblichen Nähe zu rechts formulieren gerade diejenigen aus der Linkspartei, die die antimilitaristische Bewegung vor allem innerhalb der eigenen Partei dafür abwatschen wollen, dass sie konsequent gegen Bundeswehreinsätze einsteht. Die Linke muss deutlich dabei bleiben, dass es keine Auslandseinsätze geben darf, dass die Bundeswehr abgeschafft, mindestens aber reduziert wird, so wie es auch ihr Parteiprogramm verlangt. Dass gerade die, die innerhalb der Partei gegen diese Forderungen angehen, sich zum Wortführer einer großen Friedensbewegung machen, ist schon sehr merkwürdig. Dahinter vermute ich die Strategie, innerhalb der Partei diejenigen zu diskreditieren, die den Antikriegskurs fortsetzen wollen. Diese strategische Frage innerhalb der Linkspartei sollte sie auch dort lösen und nicht die Friedensbewegung dazu benutzen. Doch die Friedensbewegung hat sich leider nicht nur selbst blockiert, sie hat mit dem »Friedenswinter« auch Menschen, die seit Jahren aktiv waren, verloren.

Meinen Sie damit, dass Debatten innerhalb der Friedensbewegung blockiert wurden, weil Themen eingebracht wurden, die mit den eigentlichen Anliegen nichts zu tun hatten?

Genau, wir mussten uns in den vergangenen Wochen und Monaten darüber auseinandersetzen, was Faschismus ist, was rechts bedeutet, ob es rechts und links überhaupt noch gibt. Der »Friedenswinter« macht so die Friedensbewegung kaputt.

F: Gab es in dieser Debatte wenigstens Ergebnisse?

Früher war das völlig klar: Die Tür nach rechts ist zu, der Schlüssel ist verbuddelt, eingeschmolzen – durch diese Tür geht es nicht. Jetzt werden uns auf einmal alle möglichen Diskussionen dazu aufgezwungen. Viele, die diese Debatten nicht führen wollen, die in erster Linie Friedensarbeit machen möchten, sind gegangen. Viele sind nur noch lokal in ihren Wohnorten aktiv, der »Friedenswinter« interessiert sie nicht. Da haben sich ganz viele Leute verabschiedet. Diese Diskussionen sind einer Friedensbewegung unwürdig.

Nachgefragt: Wenn jetzt neue Leute, die bislang nicht Teil von politischen Zusammenhängen waren, dazustoßen, müssen dann solche Debatten nicht immer wieder neu geführt werden?

Natürlich müssen mit neuen aktiven Menschen, die sich in der Friedensbewegung engagieren wollen, immer wieder Diskussionen geführt werden. Zum Beispiel zur Frage der Gewaltfreiheit. Dass es jedoch keine Zusammenarbeit mit rechten Kräften gibt, war immer Konsens; selbst für neue Teilnehmer: Mit Nationalisten können wir nicht zusammengehen, die produzieren schließlich Kriege. Auf einmal stellen sich etliche Leute die Frage, ob man nicht vielleicht auch mal nach rechts blicken solle? Man könne ja als Friedensbewegung nicht nur links sein? Die Friedensbewegung war tatsächlich nie ein linker homogener Block, ragte weit in die bürgerliche Mitte und auch bis in den konservativen Bereich hinein – gar keine Frage. Aber zur organisierten Rechten gab es immer eine Abgrenzung, und jetzt kommen Kräfte, die sagen, diese Tür müsse geöffnet werden. Die Diskussion ist ganz massiv in die Friedensbewegung hineingetragen worden. So wurde sie blockiert, lahmgelegt. Damit muss umgehend Schluss sein. Die Tür nach rechts ist zu!

Mit der AfD formiert sich gerade eine neue rechtsbürgerliche Partei, gleichzeitig gibt es breite Mobilisierung im bürgerlichen Lager, »Pegida«, »Marsch der 1.000 Kreuze«, und so weiter. Soll von dort auch in die Friedensbewegung hineingewirkt werden?

Genau. Das ist eines meiner Erlebnisse, das mich in den letzten Monaten schockiert hat. Bei einer Demonstration vom »Mvgida«, dem örtlichen »Pegida«-Ableger in Stralsund, wurden über zwei Stunden lang Forderungen aus der Friedensbewegung vorgetragen. Doch Neonazis haben andere Ziele. Denen geht es nicht um Frieden, selbst wenn sie davon reden, selbst, wenn sie sich von »rechts« distanzieren. Nationalisten sind nun mal rechts. Daran gibt es nichts zu rütteln. Das sind auch mit Friedensforderungen keine Partner für die Friedensbewegung.

Ist es dem »Friedenswinter« denn gelungen, eines seiner wichtigsten Ziele zu erreichen und eine Reihe von Orientierungslosen für die Sache der Friedensbewegung, klassisch oder nicht, zu gewinnen?

Ich denke nicht, dass wir wirklich Leute dazugewonnen haben. Das wird an den Demonstrationen deutlich, die nicht viel größer gewesen sind als früher. Gegen die Münchner »Sicherheitskonferenz« hätten viel mehr Menschen mobilisiert werden müssen, aber auch dort ist der Protest nicht wesentlich gewachsen, das ist an vielen anderen Stellen ebenso zu beobachten. Ich gehe auch nicht davon aus, dass wir beim Ostermarsch in diesem Jahr deutlich mehr Teilnehmer haben werden, obwohl doch die Bedrohung durch Krieg nicht viel größer sein könnte. Aber ich erlebe, dass bei den Vorbereitungen viele Diskussionen stattfinden, die uns blockieren, weil wir uns mit irgendwelchen anderen Sachen beschäftigen müssen. Wir müssen uns ständig gegen alles mögliche, gegen Pegida und Endgame, gegen Elsässer und andere Rechte abgrenzen, das blockiert uns in unserer Arbeit.

Und das in einer Phase, wo die Kriegsgefahr wächst …

Richtig. Reiner Braun hat in seinem Interview in der jW vom 18. März gesagt, manche hätten wohl nicht begriffen, vor welche Herausforderungen uns die Kriegsgefahr zwischen der NATO und Russland stellt. Das nehme ich als Vorwurf auch mir gegenüber wahr. Das finde ich anmaßend. Wir müssen natürlich mehr Leute auf die Straße bringen, denn die Situation wird schließlich immer bedrohlicher. Aber selbst wenn vom »Friedenswinter« und den Mahnwachen behauptet wird, dass wir mit der Forderung nach klarer Distanz zu rechts die Bewegung spalten würden: Ohne deutliche Abgrenzung nach rechts geht Friedensbewegung nicht!

Das heißt, ohne organisatorische Eigenständigkeit, ohne eine auf eigenen Beinen stehende Friedensbewegung kann das nicht funktionieren?

Die Friedensbewegung kann das besser ohne »Friedenswinter«. Die Mahnwachen bleiben suspekt. Natürlich muss die antimilitaristische Bewegung ihre Mechanismen zur Gewinnung von Menschen überprüfen. Das funktioniert nicht mehr wie vor 30 Jahren. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir uns nach rechts so weit öffnen, dass Rassisten sich einreihen, dass nur noch Beliebigkeit übrigbleibt. Grundsätzlich: Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Dieses zu verhindern, geht nur ohne Nationalisten, das geht nur gegen Neonazis.

Interview: Stefan Huth und Sebastian Carlens

* Aus: junge Welt, Samstag, 21. März 2015


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