Die NEIN-Stimmen im Bundestag werden zunehmen
Briefe und Erklärungen aus der Friedensbewegung gegen Fortsetzung des Afghanistankrieges
Zur bevorstehenden Abstimmung über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan dokumentieren im Folgenden zwei Pressemitteilung: eine vom Bundesausschuss Friedensratschlag, die zweite vom Komitee für Grundrechte und Demokratie und dem Netzwerk Friedenskooperative.
Afghanistan-Krieg: Abgeordnete sollen NEIN sagen:
7 Gründe gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 26. Januar 2011 - Zwei Tage vor der Abstimmung im Deutschen Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan haben viele Gruppen und Organisationen der Friedensbewegung in Briefen und Eingaben sowie mit Sprechstundenbesuchen bei Bundestagsabgeordneten gefordert, Nein zum Krieg zu sagen. In einigen Städten haben auch Aktionen (von Mahnwachen bis zu Kundgebungen) stattgefunden und werden noch stattfinden. Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag fasste die Erwägungsgründe gegen den Krieg noch einmal in sieben Punkten zusammen.
1) Die Bundeswehr führt im Rahmen der NATO nun schon im zehnten Jahr Krieg in Afghanistan. Die offiziellen "Kriegsziele" änderten sich im Verlauf der Jahre ständig: Vom Kampf gegen den Terrorismus und der Durchsetzung von Menschenrechten, insbesondere der Rechte von Frauen und Mädchen, über die Einführung rechtsstaatlicher Verwaltungsstrukturen und von Demokratie bis hin zum ökonomischen und sozialen (Wieder-)Aufbau des Landes reichte die Palette der Gründe, in Afghanistan zu bleiben.
2) Keines dieser Kriegsziele wurde wirklich erreicht. Terroristische Aktivitäten weltweit wurden nicht eingeschränkt, Menschen- und Frauenrechte nicht erkämpft, die bisherigen Wahlen in Afghanistan sprechen demokratischen Grundsätzen Hohn, von Wiederaufbau und Entwicklung des Landes kann keine Rede sein. Das einzige, was heute blüht in Afghanistan, sind der Mohnanbau und die Korruption.
3) Auch die Kriegsbilanz ist verheerend: Nach vorsichtigen Schätzungen (USA und NATO geben keine Zahlen heraus) fielen dem Krieg bisher mindestens 70.000 Menschen zum Opfer, der größere Teil davon Zivilpersonen. Die NATO hat mehr als 2000 getötete Soldaten zu beklagen, die Bundeswehr 45 Männer und Frauen. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, Landwirtschaft – der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes – ist wegen der Millionen von Minen nur sehr eingeschränkt möglich. Ein großer Teil der internationalen Hilfsgelder versickert in den Taschen der korrupten Regierung oder in den aufwändigen Apparaten unseriöser Hilfsorganisationen. Die Selbstmordrate unter Frauen ist in den letzten Jahren gestiegen, die Analphabeten-Quote ebenfalls und die
Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen beträgt mittlerweile knapp 50
Prozent.
5) Weder die NATO noch die Bundesregierung haben bisher die wahren Gründe für ihren aussichtslosen Krieg in Afghanistan genannt. Alle Welt weiß aber, dass es um Rohstoffe, um Pipelines für das zentralasiatische Öl und Erdgas sowie um geostrategische Positionen im Kampf um die Weltmacht geht. Originalton Guttenberg: „Die Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen sind ohne Zweifel unter militärischen und globalstrategischen Gesichtspunkten zu betrachten“. (In einer Rede am 9. Nov. 2010 in Berlin.)
6) 70 Prozent der Bevölkerung hier zu Lande lehnen den Afghanistan-Einsatz ab und fordern die Rückkehr der Bundeswehr – je eher desto besser. Nach Auffassung der Friedensbewegung hier zu Lande und nach Auffassung der Mehrheit der Zivilgesellschaft in Afghanistan muss es in einem ersten Schritt zu einem sofortigen Waffenstillstand und zu einem sofortigen Beginn des Abzugs der NATO-Truppen Truppen kommen. Heinz Josef Algermissen, Bischof von Fulda, hat in einer viel beachteten Botschaft erklärt: "Wer den Einsatz in Afghanistan Krieg nennt, muss auch den Mut haben, diesen Krieg umgehend zu beenden. Afghanistan
braucht Frieden."
7) Ein Abzug der Truppen ist nicht gleichbedeutend mit einem Rückzug aus der Verantwortung. Im Gegenteil: Parallel dazu muss die ausschließlich zivile Hilfe verstärkt und verbessert werden. Das sind wir dem geschundenen Volk in Afghanistan schuldig.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag geht davon aus dass die NEIN-Stimmen im Bundestag zunehmen werden. Dies wird auch in den Reihen der SPD-Fraktion der Fall sein, obwohl deren Führung abermals die Kriegsverlängerung empfiehlt und Druck auf die Abgeordneten ausübt. In der Mitgliedschaft und der SPD-Wählerschaft wird diese Haltung immer weniger mitgetragen.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
PM: Appell an MdBs gegen Afghanistaneinsatz
Prof. Dr. Andreas Buro (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
Manfred Stenner (Netzwerk Friedenskooperative)
An die Presse, 26.01.2011
Appell an MdBs gegen Afghanistaneinsatz
Fortsetzung des Krieges ist „intellektuelle Zumutung“
Vor der Abstimmung zur Verlängerung des Bundeswehrmandats in
Afghanistan haben Vertreter der Friedensbewegung bei den
Abgeordneten für die Ablehnung der Regierungsvorlage geworben.
Eine von 88 Organisationen getragene Petition an den Bundestag
fordert „Krieg beenden! – Zivil unterstützen! – Friedenspolitisch
vermitteln!“
Die Initiatoren, Prof. Dr. Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte
und Demokratie und der Geschäftsführer des Netzwerks
Friedenskooperative, Manfred Stenner, appellieren in einem Schreiben
an alle Abgeordneten, mit Nein zu stimmen und sich „für eine
wesentliche Aufstockung der zivilen Hilfe für die afghanische
Bevölkerung über Hilfsorganisationen und NGOs, die neutral und
unabhängig von der Bundeswehr agieren“ einzusetzen.
Ein Ende des Krieges sei nur über eine Verhandlungslösung zu
erreichen. Buro und Stenner betonen:
„Diese Einsicht ist fast schon Allgemeingut, auch bei Militärs und
Regierungen, die ISAF-Truppen stellen. Dem gegenüber ist es
unverständlich, dass offensichtlich daran festgehalten werden soll,
den Krieg weiter zu führen und von Ihnen als MdB ein Ja dazu
abverlangt wird. Wir bitten Sie, dieser intellektuellen Zumutung
durch ein Nein bei der Abstimmung eine Absage zu erteilen“.
Die MdBs werden auch an die „kleineren Fußangeln“ des
Regierungsantrages erinnert. So sei die Aussicht auf erste
Truppenreduzierungen noch im Jahr 2011 so vage und lageabhängig
formuliert, dass mit einem tatsächlichen Beginn des Abzuges nicht zu
rechnen sei.
Und: „Klar scheint auch, dass Sie schon bald erneut, um ein neues
Mandat zur Beteiligung der Bundeswehr zur Beteiligung an der AWACS-
Luftüberwachung über Afghanistan angegangen werden. Diese wurde ja
nur bis nach einer NATO-Überprüfung zurückgestellt, um atmosphärisch
eine breitere Zustimmung im Bundestag zu fördern. Die
Manipulationsversuche gegen Abgeordnete mit solchen Mitteln sind
Ihnen wahrscheinlich nicht fremd.“
Die Erklärung samt Unterzeichnern und die Petition gibt es hier als pdf-Datei
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