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Ostermarsch 2000 in Duisburg

Rede von Eberhard Przyrembl (PAX CHRISTI)

Gegen den Nonsens des Krieges, gegen die Remilitarisierung der BRD

Wer mich kennt, weiß daß ich hier als Mitglied von Pax Christi der katholischen Friedensbewegung rede. Ich engagiere mich im Friedensforum Duisburg mit allen, die gegen Krieg und Militär kämpfen.

Der Streit um das Tucholsky-Zitat "Soldaten sind Mörder" ist aus dem Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwunden. Aber diese öffentliche Meinung zeigt in den letzten Jahren eine erschreckende Entwicklung, besonders seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien. Der Glaube an den politischen Sinn des Militärs ist stetig gewachsen und heute fast öffentlicher Standard.

Als die PDS auf ihrem letzten Parteitag mit qualifizierter Mehrheit aggressive kriegerische Interventionen auch der UN ablehnt, fällt die gesamte Medienöffentlichkeit über die PDS her und beschimpft sie als hinterwäldlerisch, naiv-unrealistisch usw. Dabei muß heute mit Nachdruck immer wieder gesagt werden: Wer Krieg führt, betreibt eine Mordmaschine, die nur zerstört, aber nichts aufbaut.

Ich will auch dieses Mal beim Ostermarsch sagen, was ich seit mehr als 20 Jahren denke und wiederhole: Krieg ist Unsinn. Denn im Krieg wird das befohlen und getan, wofür jeder Bürger normalerweise bestraft wird.

Krieg ist Unsinn, weil Menschen getötet, weil Menschen zerstört werden. Kriegsbilder zeigen zerstörte Familien, verstümmelte Menschen jeden Alters. Kriegsbilder zeigen heulendes Elend und hoffnungslose Verzweiflung. Kriegsbilder zeigen schmerzverzerrte Gesichter mit der ewigen Frage "Warum?". Andererseits kann niemand in mörderischer Absicht auf Menschen zielen, schießen oder Bomben werden, ohne sein Menschsein aufzugeben. Sein Menschsein aufgeben ist Unsinn.

Ein Meisterstück der Wortverdrehung und Sprachverwirrung ist die inzwischen übliche Verbindung des Wortes "humanitär" mit Krieg. In der Bibel steht: man kann nicht Teufel mit Beelzebub austreiben. Das was ich als Hilfsmittel einsetze, darf nicht dasselbe sein was ich bekämpfe.

Mahatma Gandhi hat es positiv ausgedrückt: der Friede ist der Weg. Hilfsmittel zum Frieden kann nur sein, was dem Frieden entspricht. Wer Menschen, ihre Kultur und Zivilisation zerstört, handelt als Mensch dumm, aber niemals human, niemals humanitär.

Menschlich handelt, wer auch im Konfliktfall andere wahrnimmt und achtet.

Menschlich handelt, wer sich in die Lage der anderen hineinversetzt und so seinen eigenen Standpunkt relativiert. Menschlich handelt, wer mit den Augen der anderen sieht und aus dieser neuen Perspektive eine gemeinsame Lösung entdeckt oder zumindest einen gemeinsamen Weg dahin, daß alle zu,ihrem Recht kommen.

Die Mordmaschine Krieg schlägt alles kurz und klein: Trümmer, Verwüstung, Chaos und unabsehbare Leiden. Niemals ist das Ergebnis Friede.

Friede ist der Weg: Alle Menschen müßten alle Vernunft und Fantasie aufwenden, damit glaubhaft für den Frieden mobilisiert werden.

Die Friedensbewegung hat früher gewaltig demonstriert - aber mit zweifelhafter Wirkung z.B. auf die Remilitarisierung der deutschen Öffentlichkeit.

Während beim 2. Golfkrieg nur wenige Menschen zu einem Friedenscamp zwischen den Fronten von Irak und Kuweit zusammenkamen, hat der Krieg im ehemaligen Jugoslawien viele Hundert Helfer aufgerüttelt, die Alternativen zeigen zur Mordmaschine Krieg:

Mitarbeit in Flüchtlingslagern, Hilfen für traumatisierte Menschen, Schüler helfen Schülern ...

Solidaritätsaktionen für Flüchtlinge und Deserteure, und viele spontane lokale Hilfsaktionen, Balkan-Peace-Team, das u.a. 1995 albanische Studenten aus Pristina mit serbischen Studenten aus Belgrad zusammenbrachte, jedes Jahr weise ich auf die Aktion "Ferien vom Krieg" hin. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie bittet um Patenschaften á 250.-DM, damit jeweils ein Kind aus seinem unverschuldeten Kriegselend herauskommt und 14 Tage an der Adriaküste eine unbeschwerte Ferienzeit erleben kann. in 6 Jahren wurde 9.400 Kindern für 2,4 Millionen DM dieses paradiesische Erlebnis geschenkt: mit Kindern der "Feinde" vorsichtig zusammenkommen, zusammenspielen und sich verstehen lernen. In kommunalen Jugendzentren wird diese Arbeit fortgesetzt...

Das FORUM ZIVILER FRIEDENSDIENST kann dieses Jahr 2-300 Friedensarbeiterinnen ausbilden ...

All diese wirklich humanitären Aktivitäten erscheinen vorn Finanziellen her gesehen wie Tropfen auf einen heißen Stein. Humane, humanitäre Politik im ehemaligen Jugoslawien? Mich ekeln die Politiker an, die in verbrecherischer Einseigkeit Milliardenbeträge für Militär und für die Mordmaschine Krieg ausgeben. Aber statt der vorgesehenen 6000 zivilen Polizisten für den Wiederaufbau im Kosovo bringen sie keine 2000 Mann auf die Beine!

Winfried Wolf von der PDS im Bundestag hat unter dem Buchtitel BOMBENGESCHÄFIE dargelegt, warum die Mordmaschine Krieg läuft und läuft. In einer Grafik-Lese-Übung an der Fieberkurve des Dow-Jones-Index während des Kosovokrieges macht er jedem Einsichtigen deutlich: Bei "Friedensgefahr" sinken die Aktienkurse, bei jeder Beschleunigung der Mordmaschine Krieg steigen die Aktienkurse. Klar. Jede abgeworfene Bombe, jede verschossene Lenkrakete muß wieder neu beschafft werden. Je heftiger und je länger der Krieg, desto höher der Umsatz und entsprechend höher die Dividenden der Aktionäre. Die politische Wahrheit jedoch heißt: Wer Bomben sät, erntet l000fache Zerstörung, aber niemals Frieden. Der Friede ist der Weg.

Eine andere teuflische Worterfindung der Sprachzerstörer heißt "Kollateralschäden": damit sollen die Zerstörungen der Mordmaschine Krieg auf die Seite gedrängt, für nebensächlich erklärt werden. Der Kosovo-Krieg aber hat ohne politische Zielvorgabe - nämlich: was soll aus diesem Landesteil Jugoslawiens werden? - nur einen schier unermeßlichen Schaden angerichtet:
  • Die Vertreibung der 800.000 Kosovaren kam erst nach Kriegsbeginn in Gang. Dazu die Zerstörung von Wohngebieten und öffentlichen Verkehrsmitteln: Brücken, Bahn- und Straßenverbindungen, von Fabriken, Elektrizitäts- und Fernheizkraftwerken.
  • Verpestung der Umwelt durch Riesenfeuersbrünste und die Verseuchung ganzer Landstriche durch Verwendung atomar strahlender Munition.
  • Zerstörung aller gewachsenen sozialen Bindungen und Zerstörung der dafür nötigen materiellen Voraussetzungen z.B. Grundbesitz, Arbeitsplätze.
  • Statt innerem Frieden alltägliche Gewalt und Gewaltangst, Verhetzung ohne Aussicht auf Normalisierung, Versöhnung.

Der Frieden ist der Weg!

Treffend zusammengefaßt wird das tatsächliche Ergebnis des Krieges in der britischen "TIMES" vom7.Mai 1999 (zitiert nach INFORMATIONEN des Komitee für Grundrechte und Demokratie 2/99 - 8.6.99 / 5.3)
"Seit fast einem Jahrzehnt widersprechen die Resultate der Politik ... verkündeten Zielen. Indem die von außen eingreifenden Staaten die ko~nplexen Umstände der inneren Politik in Bosnien wie in Serbien ignorieren, betreiben die restlichen Staaten eine Politik, die ebenso schlecht informiert ist, wie ihre Resultate in steigendem Maß pervers ausfallen. Bosnien wird geteilt, um es zu erhalten. Die Wirtschaft Jugoslawiens wird zerstört, um eine Demokratie in Gang zu setzen. Menschen werden getötet, um sie zu retten." Im griechischen Wahlkampf vor ein paar Wochen wurde folgende polemisch zugespitzte Formel gebraucht: Der Aufbau einer friedlichen Demokratie erfordert 10 Jahre und länger. Jeden friedlichen Politikansatz zerstören ein paar Bombenleger im Handumdrehn. Genau das haben die Herren Fischer und Scharping mit der deutschen Teilnahme am Kosovokrieg getan, zwar nicht im Handumdrehn sondern in fast drei Monaten. Aber die Folgen dieses völkerrechtswidrigen Krieges sind eine schwere Hypothek für das neue Jahrhundert.

Politiker verwenden in kritischen Situationen leichtfertig und immer öfter historische Vergleiche: Hitler, Saddam Hussein, Milosevic, ... Ich fordere auf, die Kriegsanfänge zu vergleichen:
Der Sender Gleiwitz meldet: Ab 3 Uhr wird zurückgeschossen - mit dieser Lüge beginnen die Deutschen den 2.Weltkrieg.
Eine junge kuweitische Frau erzählt im US-Fernsehen tränenüberströmt, wie irakische Soldaten Babies brutal töten, indem sie die winzigen Wesen aus Brutkästen herausreißen - Mit dieser Lüge erreicht Präsident Bush die öffentliche Zustimmung zum 2. Golfkrieg. Jahrelang fand die albanische Friedensbewegung im Kosovo keine Beachtung der kritischen Öffentlichkeit des Westens. Heimlich wurde die UCK aufgerüstet. Schließlich wollten die USA Krieg im Kosovo. Als die Medien lange genug aufwühlende Bilder von albanischen Opfern, Flüchtlingselend und vom "Massaker" in Racak gebracht hatten, nach dem "Scheitern" der Konferenz von Rambouillet blieb als einzige politische Möglichkeit der NATO-Krieg gegen Serbien? "Es zeigt sich unter den Bedingungen medialer Omnipräsenz zum wiederholten Male, daß es stets die Schlacht der Lügen ist, die einen Krieg entscheidend prägt" (Zitat nach Clemens Ronnefeldt in so das Fazit von Oberstleutnant Rose, nicht mehr Mitarbeiter im Luftwaffenamt der Bundeswehr, in einem Artikel der BERLINER ZEITUNG (24.11.99) mit der Überschrift "Warum die NATO angriff". Als Insider erklärt dieser Fachmann, daß der Kosovokrieg alles andere als ein Kreuzzug für die Menschenrechte war.

Deutschlands Aufstieg bzw. Rückkehr in die Normalität wird unwidersprochen als Rückkehr zum Militärstaat verstanden. Deutschland entwickelt sich nach dem Vorbild der USA. Ein Zitat aus der NEW YORK TIMES (28.3.99 - zitiert nach GEWALTFREIE AKTION 122/ S.41f) "Damit der Globalismus funktioniert, darf Amerika sich nicht scheuen, als die allmächtige Supermacht aufzutreten, die es ist. Die unsichtbare Hand des Marktes wird nie ohne eine unsichtbare Faust funktionieren. McDonald kann nicht ohne den F-15-Konstrukteur Mc Donell Douglas florieren. Und die unsichtbare Faust, die dafür sorgt, daß die Welt für Silicon-Valey-Technologien sicher ist, heißt Heer, Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie der USA." mit anderen Worten: Die unsichtbare (?) Faust des Militärs garantiert die "Neue Weltordnung". Da wird dann z.B. täglich im Nordirak bombardiert, ohne daß sich jemand offizeill auf regt ... Nicht als Supermacht aber doch nach dem Vorbild der USA wird in Deutschland das Militär wieder zum entscheidenden politischen Faktor ?

Seit der Veröffentlichung der Verteidigungspolitischen Richtlinien 1992, die nie im Parlament beraten, geschweige denn abgestimmt und ratifiziert wurden, seit den verschiedenen, sorgfältig dosierten Auslandseinsätzen der Bundeswehr, gemischt mit Hilfsaktionen wie beim Oderhochwasser, wird die deutsche Öffentlichkeit an die Unersetzlichkeit des Militärs gewöhnt. Bis hin zu der Auffassung, Kriegsdienst sei eine normale Arbeit und der Beruf des Soldaten ein Job wie andere auch. Daß Militäraktionen wie z.B. die medizinische Hilfe für Osttimor von Australien aus 10mal so teuer sind wie vergleichbare Aktionen der "Territorialverteidigung" - das rechnen die wenigsten Bürger nach.

So wie die letzten Kriegsteilnehmer sterben, gerät die leidvolle Erfahrung des 2.weltkrieges in Vergessenheit: Nie wieder Krieg!

Ich wollte den Unsinn der Mordmaschine Krieg an den Folgen des völkerrechtswidrigen Kosovokrieges verdeutlichen. Vor anderem Hintergrund und mit einer anderen Entstehungsgeschichte wäre dasselbe möglich beim türkischen Krieg gegen Kurdistan: das zahlenmäßig größte Heer in Europa; die finanziellen Ausgaben für das Militär in schreiendem Gegensatz zu den Forderungen der sozialen Gerechtigkeit. Man bracht nur die "Hilfe" für die Erdbebenopfer zu nennen. Gleichfalls ließe sich der Unsinn der Mordmaschine Krieg an den Vorgängen in Tschetschenien zeigen: eine Großstadt wie Grosny ausradieren und das als Terrorismusbekämpfung deklarieren Oder andere Länder ansehen wie Irak - Tibet - Sudan Die Mordmaschine Krieg schafft nirgendwo Frieden.

Noch eine Schlußbemerkung zur scheinbar unaufhaltsamen Militarisierung der deutschen Politik: Als Kanzlerkandidat wollte Herr Schröder nicht alles anders, aber vieles besser machen. Tatsächlich hat er nichts anders gemacht - ich erinnere an die gespenstische Abstimmung im Bundestag über die deutsche Teilnahme am Kosovokrieg. Dagegen hat H. Schröder fast alles, jedenfalls was das Militär angeht, noch schlimmer gemacht: Die Ausgaben werden mehr und mehr in andere Etats versteckt. Was die Umrüstung der Bundeswehr zu einer mobilen Einsatztruppe kosten soll, wird geheimgehalten.

Mir scheint alles auf eine Glaubensfrage hinauszulaufen: die uns Regierenden erscheinen unbeirrbar in ihrem G L A U B E N an das Militär. Wenn diese Politiker doch mit ebenso konsequentem Glauben die Arbeitslosigkeit bekämpfen würden!

Ich glaube dagegen, daß die Menschen doch noch eines Tages einsehen:

Die Mordmaschine Krieg ist kein Instrument um Frieden zu schaffen. Der Friede ist der Weg.

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