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Januar 2005

Friedensbewegung in den Medien

Es sieht ganz so aus, als würde der angekündigte Bush-Besuch in Deutschland (Mainz) die Aufmerksamkeit der Medien auch wieder stärker auf die Friedensbewegung lenken. Der kann das nur recht sein. Am 25. Januar berichteten mehrere Zeitungen von den Vorbereitungen der Protestaktionen. Vom Kasseler Treffen des Bundesausschusses Friedensratschlag am Sonntag (23. Jan.) bracht das Nachrichtenmagazin des HR sogar am Sonntagabend bewegte Bilder und einen informativen Bericht. Zwei Tage später zogen die taz und die "junge Welt" sowie manche Provinzzeitung (z.B. Hessisch-Niedersächische Allgemeine, Neue Rhein Zeitung) nach. Schließlich brachte auch die Frankfurter Rundschau einen Bericht - aber erst einen weiteren Tag danach und auch "nur" im Hessenteil. Wir beginnen mit diesem Artikel:

Um den geplanten Besuch des US-Präsidenten George W. Bush in Deutschland ging es während einer "Aktionskonferenz, zu der der Bundesausschuss Friedensratschlag am Wochenende Vertreter Friedensinitiativen nach Kassel eingeladen hatte. Während bei einem regionalen Treffen in Mainz zur selben Zeit eine große Bush-Demonstration am 23. Februar vorbereitet wurde, beschloss die Versammlung in Kassel, am 22. Februar, dem Tag, an dem Bush in Europa ankommt, landesweit zu Aktionen aufzurufen.
Diese Aktionen sollen lautstark ("Wir pfeifen auf Bush") "deutlich machen, dass der US-Präsident hier zu Lande und in Europa unerwünscht sei, so lange er der Welt mit neuen Kriegen droht", so der Sprecher des Bundesausschuss, Peter Strutynski. Am Tag darauf wolle man dann die Großdemo in Mainz unterstützen.
An die Bundesregierung erging der Appell, "alle Maßnahmen, welche die USA auf dem Schlachtfeld Irak entlasten, sofort einzustellen und dem US-Präsidenten die 2001 versicherte uneingeschränkte Solidarität im so genannten Kampf gegen den Terrorismus aufzukündigen".

Aus: Frankfurter Rundschau, 26. Januar 2005

Die taz hatte sich in Kassel extra noch einmal nach den inhaltlichen Schwerpunkten der Proteste erkundigt. Im Artikel ("Proteste gegen Bush-Besuch", Autorin: Anne Becker) hieß es dann u.a.:

Zum Deutschlandbesuch von US-Präsident Bush hat die Friedensbewegung landesweite Proteste angekündigt. Schon am Vorabend des Staatsbesuchs in Mainz am 23. Februar sollen unter dem Motto "Wir pfeifen auf Bush!" lautstarke Protestaktionen in zahlreichen deutschen und europäischen Städten stattfinden, gab der Bundesausschuss Friedensratschlag gestern bekannt. Für den 23. Februar ist eine Großdemonstration in Mainz geplant. In Berlin, wo Bush dieses Mal nicht zugegen sein wird, soll es eine Demonstration am Vortag geben, sagte gestern der Sprecher des Ausschusses, Peter Strutynski, der taz. Im März 2002 waren mehrere 10.000 Personen gegen die US-Politik in Berlin auf die Straße gegangen.
"Unsere Proteste richten sich gegen die Militärdoktrin des Präventivkrieges und die völkerrechtswidrigen Kriege im Irak und in Afghanistan, die die Bush-Administration hauptsächlich zu verantworten hat", so Strutynski. Besorgnis erregend seien in diesem Zusammenhang die jüngsten Informationen über einen möglichen US-Angriff auf den Iran. Nach Einschätzung der Veranstalter geht es unter dem Deckmantel des Kriegs gegen den Terror um das Ziel, eine neue Weltordnung zu schaffen, in der den führenden Mächten der Zugriff auf natürliche Ressourcen weltweit ermöglicht wird. Bei den Protesten sollen deshalb "nicht einseitig die USA an den Pranger gestellt werden". Auch das Solana-Papier zur EU-Außenpolitik ginge mit diesem Ziel konform, so der Friedensaktivist. (...)
Auf der Abschlusskundgebung in Mainz soll in jedem Fall auch ein US-Bürger sprechen. "Es ist uns wichtig, nicht als antiamerikanischer Protest missverstanden zu werden", so Strutynski. Versuchen, von Nationalisten vereinnahmt zu werden, wollen die Veranstalter durch "eindeutig antinationale und internationalistische Formulierungen" vorbeugen. (...)

Aus: taz, 25. Januar 2005

Reimar Paul berichtete unter der Überschrift "Not welcome, Mr. Bush" über die Vorbereitungen in Mainz und Kassel u.a.:

Mit einer Großdemonstration in Mainz und Aktionen in vielen anderen Städten will die Friedensbewegung gegen den bevorstehenden Besuch von US-Präsident George W. Bush in Deutschland protestieren. Darauf haben sich am Wochenende Initiativen bei Konferenzen in Mainz und Kassel geeinigt. (...)
Die zentrale Demonstration in Mainz soll am 23. Februar stattfinden. Beim Ordnungsamt wurden vorsorglich mehrere Kundgebungen angemeldet, da der genaue Verlauf des Bush-Besuches noch nicht bekannt ist. Inhaltliche Schwerpunkte der Kundgebung sollen die Kritik an der völkerrechtswidrigen Kriegspolitik der USA im Irak und die "wankelmütige bis unterstützende" Haltung der Bundesregierung sein, sagte Manni Stenner vom Netzwerk Friedenskooperative (Bonn). (...) "Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig. Die Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte in Afghanistan und Irak wie das Foltern von Gefangenen verletzen elementare Menschenrechte", so Stenner.
Gleichzeitig fordert die Friedensbewegung von der Bundesregierung, den USA die Kriegsgefolgschaft zu verweigern. (...) Die Kasseler Versammlung beschloß gleichzeitig, am 22. Februar bundesweit zu Aktionen aufzurufen. Sie sollten lautstark deutlich machen, daß der US-Präsident hierzulande und in Europa unerwünscht sei, so lange er der Welt mit neuen Kriegen drohe, sagte Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag (Kassel). Man sei sich darin einig gewesen, daß die jüngsten militärischen Drohgebärden gegenüber dem Iran ernst zu nehmen seien, berichtete Strutynski von der Konferenz. Die US-Administration habe sowohl in ihrer Militärdoktrin vom "Präventivkrieg" als auch in ihrer Praxis gezeigt, daß sie weder auf das Völkerrecht noch auf die Vereinten Nationen oder auf ihre NATO-Bündnispartner Rücksicht nehme, wenn sie ihre eigenen ökonomischen und geostrategischen Interessen verfolge.
Bürger aus Mainz haben unterdessen eine E-mail-Kampagne gestartet, in der sie den Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel dazu auffordern, einen geplanten Empfang mit Bush abzusagen.

Aus: junge Welt, 25. Januar 2005

In derselben Zeitung folgte noch ein Interview (Thomas Klein) mit Hans Christoph Stoodt, Pfarrer der St. Katharinenkirche in Frankfurt a. Main und Sprecher des "Frankfurter Bündnisses gegen den Krieg". Auszüge:

F: Das Bündnis »Not welcome, Mr. Bush« ruft zu Protesten gegen den Besuch von US-Präsident George W. Bush am 23. Februar in Mainz auf. Es verlangt von der Bundesregierung, die Kriegsgefolgschaft zu verweigern. Was ist gemeint?
Die rot-grüne Koalition hat nicht zuletzt wegen ihrer Ablehnung des Irak-Krieges die Bundestagswahlen von 2002 knapp gewonnen. Es wurde aber schnell deutlich, daß diese Ablehnung zum Teil nur verbal war: Ich erinnere an die Überflugrechte etwa für die B-52-Bomber in Richtung Irak, an die Übernahme bis dahin von US-Truppen gewährleisteter militärischer Funktionen durch die Bundeswehr im Wachdienst, die zentrale Rolle der Rhein-Main-Airbase und vor allem an die deutschen Truppen in Afghanistan und am Horn von Afrika. (...)
F: Das Bündnis fordert die Bestrafung aller Verantwortlichen für Folter, Mißhandlungen und für die Angriffe gegen Zivilisten. Schließt das die politisch Verantwortlichen ein?
Natürlich fordern wir – wie auch die US-Friedensbewegung – die Bestrafung der verantwortlichen Politiker. Anläßlich des Prozesses gegen den US-Soldaten Charles Graner, einen der widerlichsten Folterknechte von Abu Ghraib, wurde deutlich, daß die US-Justiz die politische Anweisung befolgt, die Kommandokette dieser Folterexzesse nicht weiter als bis zu den unmittelbaren Vorgesetzten der Folterer zu verfolgen. Dabei weiß heute alle Welt, daß Bush und Rumsfeld persönlich die Anweisung zum Vorgehen dort, aber auch in Guantánamo, gegeben haben. (...) Gleichzeitig faselt Bush in seiner wahrhaft Orwell’schen Inaugurationsrede davon, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte "überallhin" exportieren zu wollen. Kein Wunder, daß die Menschen das eher als Drohung auffassen. (...)
F: Welche Proteste sind vorgesehen?
Wir planen eine Kundgebung in Mainz am Vorabend des 23. Februar. Solche Demos sollen zum selben Zeitpunkt auch in vielen anderen deutschen Städten stattfinden. Und am Tag der Bush-Heimsuchung wird es ab 14 Uhr eine große Demonstration durch Mainz und eine Abschlußkundgebung auf dem Domplatz geben. Dort werden Vertreter der Friedensbewegung und aus dem Irak zu Wort kommen.

Aus: junge Welt, 25. Januar 2005

In der Neuen Rhein Zeitung (NRZ) fand sich folgende Meldung:

Kassel: Die deutsche Friedensbwegung hat zu Massenprotesten gegen den bevorstehenden Besuch von US-Präsident George W.Bush aufgerufen. Eine bundesweite Aktionskonferenz, zu der der Bundesausschuss Friedensratschlag eingeladen hat, beschloss, die Demonstrationen nicht auf Mainz zu beschränken, wie der Sprecher der Initiative, Peter Strutynski, gestern in Kassel berichtetete. Vielmehr soll es am 22. Februar in einer Vielzahl von Städten lautstarke Proteste unter dem Motto "Wir pfeifen auf Bush" geben. Für den 23. Februar, an dem Bush in Mainz mit Bundeskanzler Schröder zusammentrifft, rief die Friedensbewegung zu einer Großdemonstration in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt auf. Diese Aktionen sollten deutlich machen, dass der amerikanische Präsident in Europa unerwünscht sei, so lange er der Welt mit neuen Kriegen drohe, sagte Strutynski.

Aus: Neue Rhein Zeitung, 25. Januar 2005

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Die Absage von US-Verteidigungsminister Rumsfeld, bei der Münchner Sicherheitskonferenz aufzutreten, stürzt nicht nur den Veranstalter in Schwierigkeiten, sondern muss auch von der Friedensbewegung "verkraftet" werden. Unerwartet kam auch die Teilnahme-Zusage von UN-Generalsekretär Kofi Annan. Am 25. Januar berichteten die junge Welt und das Neue Deutschland (siehe hierzu: Der Anfang vom Ende der Münchner Sicherheitskonferenz?.) Stellvertretend ein Auszug aus dem "Neuen Deutschland":

(...) Im Mittelpunkt der diesjährigen Konferenz werden die jüngsten US-Drohungen gegen den Iran, die Lage im Irak und die weitere Militarisierung der EU stehen. Die Proteste des Aktionsbündnisses richteten sich ausdrücklich nicht gegen UN-Generalsekretär Kofi Annan, erklärte Demo-Organisator Claus Schreer. Zusammen mit verschiedenen Friedensorganisationen fordert er Annan dazu auf, seine Zusage für die Teilnahme an der Konferenz zurückzuziehen. »Im Ergebnis würde Ihre Teilnahme an dieser Konferenz, sowohl von den Veranstaltern als auch in der Öffentlichkeit, als Billigung der militär- und machtpolitischen Ziele der NATO interpretiert werden«, heißt es in einem offenen Brief. Einmütig habe der Vorstand des ver.di-Bezirks München die Teilnahme der Gewerkschaft an den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz beschlossen, berichtete der stellvertretende Münchner ver.di-Vorsitzende Ernst Antoni.

Auch Liedermacher Konstantin Wecker, der bereits in den letzten Jahren gegen die Sicherheitskonferenz protestierte, hofft, durch die Demonstration wieder ein Klima zu schaffen, in dem »die Bürger wachgerüttelt« werden und Kriegsgegner nicht als »Außenseiter« erscheinen.

Neues Deutschland, 25. Januar 2005

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Die "Kooperation für den Frieden" hat am 22. Januar eine bundesweite "Strategiekonferenz" durchgeführt. Die Pressemitteilung der Veranstalter haben wir hier dokumentiert: "Für friedensaktive Jahre 2005/2006!") Darüber wusste die Frankfurter Rundschau manch anderes zu berichten:

Die deutsche Friedensbewegung diskutiert kontrovers die Frage, ob man in bestimmten Situationen den Einsatz von Blauhelmsoldaten der Vereinten Nationen (UN) befürworten soll. Man müsse verstärkt die Debatte darüber führen, was zu tun sei, wenn "das Kind in den Brunnen gefallen" sei, meinte Manfred Stenner vom Netzwerk Friedenskooperative. Zum Beispiel: "Was hätte getan werden müssen in Ruanda?", fragte er ...
Susanne Grabenhorst, Sprecherin der Kooperation für den Frieden, hatte Gründe für und gegen ein militärisches Eingreifen der UN zusammengestellt. So könnten Blauhelme sinnvoll sein, "wenn Prävention zu spät kommt", um einen Waffenstillstand zu sichern oder um größere Unabhängigkeit von Staaten und Militärbündnissen zu erreichen. Gegen solche Einsätze spreche die "Dominanz der Mächtigen in den UN" und die Tatsache, dass viele Aufgaben auch von zivilen Kräften erledigt werden könnten.
Zu den Schwerpunkten der Friedensbewegung soll der Kampf gegen eine "Militarisierung der EU" gehören sowie eine präventive Friedenspolitik und gewaltfreie Konfliktbearbeitung im Alltag und in der Gesellschaft, beschlossen die gut 60 Teilnehmer. Aus: Frankfurter Rundschau, 24. Januar 2005

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Die unverhohlenen Drohungen der US-Administration gegen den Iran veranlassten die "junge Welt", mit einem Vertreter der Ärzteorganisation zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) ein Gesprüch zu führen. Mit Jens-Peter Steffen, friedenspolitischer Sprecher der IPPNW, sprach Peter Wolter. Auszüge:

F: US-Präsident George W. Bush droht mit einer militärischen Intervention im Iran. Politische Rhetorik? Oder muß man das ernst nehmen?
Mögliche Ziele im Iran werden offenbar schon aufgeklärt. Realistisch betrachtet befinden wir uns im Vorfeld eines neuen heißen Krieges.
F: Aber geht es den USA denn nicht in erster Linie darum, die Nuklearanlagen des Iran zu zerstören?
Die Militärstrategie der USA unter der Regierung Bush ist ein Gesamtpaket – dazu gehören Waffensysteme, die tief unter der Erdoberfläche verbunkerte Anlagen treffen können. Die Rüstungsindustrie arbeitet darüber hinaus an kleineren Atomwaffen, sogenannten Mini-Nukes, deren Wirkungsgrad einstellbar ist. Die USA haben nicht nur die Absicht, im Iran einzugreifen – sie haben offensichtlich auch die Möglichkeiten dazu.
F: Gesetzt den Fall, die US-Luftwaffe würde iranische Nuklearanlagen »nur« mit konventionellen Mitteln angreifen – besteht nicht auch dann die Gefahr, daß Radioaktivität austritt und ganze Landstriche verseucht?
Radioaktiviät würde auf jeden Fall freigesetzt, selbst wenn nur Lager mit nuklearem Material bombardiert würden. Und selbst wenn Atomwaffen eingesetzt würden – die Energieentwicklung würde nicht dazu führen, daß dieses strahlende Material so in Gestein eingeschmolzen wird, daß es nicht mehr in die Umwelt gelangt. Es würde garantiert zu einer nuklearen Verseuchung kommen.
(...)
F: Sie fordern auch den Stopp deutscher Waffenlieferungen in diese Region. Welche Waffen meinen Sie? Deutschland hat doch nur konventionelle Rüstungsgüter anzubieten.
Dabei geht es nicht um Atomwaffen, aber um Trägersysteme, die an Israel geliefert werden. Konkret: Es handelt sich um U-Boote der Dolphin-Klasse, die in Israel für die Bestückung mit Atomraketen umgerüstet werden. Mehrere dieser U-Boote wurden bereits geliefert. Letztes Jahr gab es eine Anfrage der israelischen Regierung, ob die Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel weitere Boote dieses Typs liefern können. (...)
F: Muß man nicht aus Ihren Äußerungen schließen, daß die eigentliche nukleare Gefahr im Nahen und Mittleren Osten eher von Israel als vom Iran ausgeht?
Offiziell gibt Israel den Besitz von Atomwaffen zwar nicht zu – sie sind aber vorhanden, und die Regierung pokert damit. Israels Atomwaffen bilden im Nahen Osten daher einen extremen Gefahrenherd – deswegen müßte es dringend zu Verhandlungen über die Deklarierung einer atomwaffenfreien Zone in dieser Region kommen.
F: Wenn Atomwaffenträger wie diese U-Boote an Israel geliefert werden, wäre es da nicht eine vorrangige Aufgabe der deutschen Friedensbewegung, dagegen Front zu machen?
Wir als IPPNW versuchen das ja. Das heißt natürlich nicht immer, daß über unsere Interventionen die Medien auch berichten.
F: Die IPPNW versteht sich als Teil dieser deutschen Friedensbewegung. Von der hört man seit einiger Zeit allerdings nicht viel ...
Das ist eine subjektive Wahrnehmung, ich jedenfalls höre sehr viel von ihr. Im Augenblick steht die Vorbereitung auf den für den 23. Februar geplanten Deutschland-Besuch von US-Präsident Bush auf dem Programm. Aber Sie haben nicht ganz unrecht: Eine Anti-Bush-Demo von der Größe, wie wir sie vor zwei Jahren in Berlin hatten, würde es im Moment wohl nicht geben.

Aus: junge Welt, 19. Januar 2005

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"Not welcome, Mr. Bush", heißt das Motto der Aktionen der Friedensbewegung anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten am 23. Februar in Mainz. Über die Vorbereitungen auf dieses Event berichtete das "Neue Deutschland" in einem Interview mit Kristian Golla vom Bonner Netzwerk Friedenskooperative u.a.:

Gibt es schon konkrete Absprachen zum Ablauf der Proteste?
Sicher ist bis jetzt nur, dass es am 23. Februar in Mainz Protestveranstaltungen geben wird. Ob auch die Air-Base in Wiesbaden-Erbenheim auf dem Besuchsprogramm steht, ist derzeit noch unklar. Nach Mainz mobilisiert werden sollen in erster Linie diejenigen, die in der Region von Köln bis Stuttgart und von Metz in Frankreich bis nach Würzburg leben. Für Leute in Berlin, Hamburg, München und alle anderen ist es natürlich sinnvoll, dezentrale Aktionen am 23. Februar durchzuführen. Es lässt sich aber jetzt noch nicht sagen, was an diesem Tag wo los sein wird. (...)
Gibt es bereits einen Aufruf?
(...) Nach dem Verlauf der Diskussion in Mainz ist klar, dass unter anderem diese Punkte aufgegriffen und kritisiert werden sollen: Der völkerrechtswidrige Krieg gegen den Irak, die Kriegsverbrechen in diesem Land aber auch die Militarisierung in der EU und das im EU-Verfassungsentwurf zu findende Aufrüstungsgebot. Kritik wird es nicht nur an der Politik der US-Regierung, sondern auch an der Bundesregierung und dem Kurs der EU geben.

Aus: Neues Deutschland, 18. Januar 2005

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Strucks Pläne, wieder KSK-Kämpfer nach Afghanistan zu schicken, haben die Friedensbewegung auf den Plan gerufen. Die junge Welt (Wera Richter) widmet sich diesem Thema unter dem Titel "Treuegeschenk für Bush" und schreibt u.a.:

(...) Den Meldungen über die baldige Entsendung der Elitekampftruppe aus Calw war eine Einschätzung des Verteidigungsministeriums vorausgegangen, daß die deutschen Soldaten in Afghanistan in diesem Jahr mit mehr Gefahren denn je zu rechnen hätten. Grund dafür dürften NATO-Planungen sein, den Kriegseinsatz in Afghanistan auszuweiten. Die Militärallianz, die das Kommando über die »Internationale Schutztruppe für Afghanistan« (ISAF) führt, will bei einem Treffen der Verteidigungsminister am 10. Februar in Nizza das Startsignal für die Offensive geben. Gemeinsam mit der afghanischen Regierung soll der Kampf gegen die Drogenbarone aufgenommen werden. Diese Zielbestimmung könnte dem deutschen Verteidigungsminister Peter Struck eigentlich Anlaß sein, seine Jungs vom Hindukusch abzuziehen. Denn mit der Drogenbekämpfung ist die Bundeswehr in Afghanistan definitiv nicht beauftragt. Ihre »Friedensmission« zielt offiziell auf Hilfe beim Wiederaufbau und der »politischen Stabilisierung« ab. Bundesaußenminister Joseph Fischer hatte das anläßlich der Mandatsverlängerung am 30. September 2004 noch einmal bestätigt: »Wir sind für den Polizeiaufbau zuständig und die Briten für die Drogenbekämpfung.«
Struck denkt aber nicht ans Abrücken, im Gegenteil. Zur Sicherheit seiner Soldaten will er laut Spiegel noch in diesem Monat mit den Parlamentsfraktionen über einen »robusten Einsatz« sprechen. Geprüft werden solle, ob die bisher auf 2250 Soldaten begrenzte Truppenstärke erhöht werden kann und Spezialkräfte zur Sicherung der Lager entsandt werden können.
Bush kommt, die KSK geht? Der Bundesausschuß Friedensratschlag wertet die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes jedenfalls als »Polithygiene in den transatlantischen Beziehungen«. Das sei der Versuch, die BRD wieder fester in die Front des von den USA angeführten weltweiten »Feldzugs gegen den Terror« einzugliedern, erklärte Peter Strutynski, Sprecher des Friedensbündnisses, am Donnerstag. Für den Besuch des US-Präsidenten in Mainz und Wiesbaden am 23. Februar müsse Berlin offenbar noch ein paar Gesten des guten Willens und Treuegeschenke bereithalten. (...)

Aus: junge Welt, 14. Januar 2005

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Der Bush-Besuch in Mainz am 23. Februar mobilisiert die Friedensbewegung. Am 13. Januar berichtet die "junge Welt" in einem längeren Artikel ("Bush-Trommeln am Main") darüber und geht u.a. auf konkrete Vorbereitungsen ein:

(...) Bei einem ersten Treffen von Vertretern der regionalen Friedensbewegung war festgelegt worden, daß die Anti-Bush-Aktivitäten bereits am Vortage des Besuchs mit einem lautstarken mehrstündigen »Bush-Trommeln« eingeleitet werden sollen. Zeitgleich mit dem Gipfeltreffen ist dann eine Demonstration durch die Mainzer Innenstadt geplant.
Über Mainz hinaus plant die Friedensbewegung bundesweit ebenfalls schon am Vortag Mahnwachen und Demonstrationen gegen den Bush-Besuch. In Berlin ist für den 22. Februar eine Demonstration vom Alexanderplatz zur US-amerikanischen Botschaft geplant. Am Tage des Besuches selber sollen dezentrale Aktionen in der ganzen Stadt organisiert werden. Schwerpunkte der Veranstaltungen sollen die Kritik an der völkerrechtswidrigen Kriegspolitik der USA im Irak und die »wankelmütige bis unterstützende« Haltung der Bundesregierung sein, heißt es in einem ersten Papier des Netzwerks Friedenskooperative zur Vorbereitung der Protestaktionen. Gleichzeitig soll auch die zunehmende Militarisierung Europas thematisiert werden.

Aus. junge Welt, 13. Januar 2005

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Am 12. Januar 2005 meldete ddp, dass das Verteidigungsministerium vorhabe, 50 KSK-Elitesoldaten nach Afghanistan zu schicken. In der Internetzeitung "www.ngo-online.de" wurde darüber berichtet:

Bundeswehr-Soldaten des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK) kehren nach Afghanistan zurück. Nach Darstellung westlicher Nachrichtendienste haben die USA und Großbritannien beschlossen, im Frühjahr mit einer Großoffensive gegen den Drogenanbau in Afghanistan vorzugehen. Daher sehen die deutschen Zuständigen die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan in Gefahr. Das KSK soll nach offiziellen Angaben die Truppen in Kundus und Faisabad schützen. (...)
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte betont, die Bundeswehr unterstütze die britischen und amerikanischen Kräfte beim Kampf gegen die Schlafmohnproduktion. Allerdings war es bisher der Bundeswehr vom Parlament verwehrt, sich "aktiv" am Vorgehen gegen den Drogenanbau zu beteiligen.
(...)
Peter Strutynski von der AG Friedensforschung an der Universität Kassel erklärte hingegen, die Erfahrungen in Kolumbien hätten bewiesen, dass es nicht möglich sei, Drogenanbau militärisch zu bekämpfen. Die Anbaugebiete würden sich nur geographisch verschieben. Das Vorhaben sei ein "Kampf gegen Windühlen".
Seiner Ansicht nach ist das Vorgehen der Bundesregierung "ein Geschenk an die USA". Die Bundesregierung versuche ihre beschädigten Beziehungen zu den USA im Vorfeld der Bush-Besuche bei der NATO und in Deutschland zu verbessern. Sowohl die USA als auch die NATO hätten in der letzten Zeit verstärkt Druck auf Deutschland ausgeübt, das militärische Engagement im "Kampf gegen den Terror" zu vergrößern, so Strutynski. (...)

Aus: www.ngo-online.de

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Der 8. Mai 2005, der 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, wird nicht nur Anlass für zahlreiche wissenschaftliche Tagungen sein, sondern wird auch von der Friedensbewegung mit vielfältigen Aktivitäten begangen. In Berlin gibt es einen Vorbereitungskreis, dessen Vertreterin, Laura von Wimmersperg (Friedenskoordination Berlin), in einem Zeitungs-Interview Auskunft über den Stand der Vorbereitungen gab. Auszug:

(...) Unser Aufruf zu diesem Gedenktag ist nach vorne gerichtet. Wir wollen deutlich machen, daß sich die Hoffnungen nach Kriegsende nicht erfüllt haben, Deutschland werde ein friedliches Land mit Gleichheit und ohne Rassismus sein. Ein Blick auf die Europäische Verfassung etwa macht deutlich, welches Interesse Deutschland am Militär und daran hat, seine Einflußsphäre über Europa hinaus auszudehnen.
F: Aus welchem gesellschaftlichen Spektrum setzt sich der Vorbereitungskreis zusammen, welche Organisationen sind beteiligt?
Das ist nicht viel anders als bei ähnlichen Veranstaltungen, die die Berliner Friedenskoordination früher schon organisiert hat. Aktiv dabei sind Vertreter der katholischen Kirche sowie Gewerkschafter aus ver.di oder der GEW. Es sind lokale Friedensgruppen oder antifaschistische Verbände wie die VVN/BdA oder die DRAFD beteiligt. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist ebenso dabei wie die PDS oder die DKP oder die »Freunde der Völker Rußlands«. Wir haben auch linke Sozialdemokraten.
(...) F:Die regierungsamtliche Publizistik ist offenkundig bemüht, die Rolle der Sojwetunion bei der Befreiung Deutschlands klein und die der USA immer größer zu schreiben. Verstehen Sie Ihre Veranstaltung auch als Korrektiv zur offiziellen Propaganda?
Wir sind empört über alle derartigen Versuche der Geschichtsklitterung. Wir sind sehr besorgt darüber, daß selbst in den Reihen der Friedensbewegung gelegentlich wertneutral vom »Kriegsende« und nicht von der »Befreiung« gesprochen wird. Auch bei der einen oder anderen ausgesprochen linken Organisation gibt es diese Anpassung – es gibt da wohl Leute, die Sorge haben, man könne als verstaubt gelten, wenn man die Rolle der Sowjetunion hervorhebt. Wir müssen aber deutlich machen, daß wir vor allem ihr für die Befreiung dankbar sein müssen – ohne daß man damit die Leistungen anderer Staaten oder der Widerstandsbewegungen kleinschreibt. Die Rote Armee wird daher ein wenig im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltungen stehen.

Aus: junge Welt, 11. Januar 2005

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Ein interessantes Interview hat Jürgen Grässlin (DFG-VK) der Badischen Zeitung zu Beginn des Jahres gegebenen. Es erschien unter dem Titel "Deutschland gießt Öl ins Feuer von Bürgerkriegen". Darin geht es um die nahezu unkontrollierte Verbreitung von Kleinwaffen made by Heckler & und Koch. Auszüge:

BZ: Sie bezeichnen Kleinwaffen als Massenvernichtungswaffen. Warum?
Grässlin: Weil von hundert Kriegsopfern auf den Schlachtfeldern dieser Welt 95 durch so genannte Kleinwaffen getötet werden, damit sind dies die Massenvernichtungswaffen schlechthin.
BZ: Wie konnten deutsche Waffen wie das G3-Gewehr, jahrzehntelang die Standardwaffe der Bundeswehr, überhaupt in Krisengebiete gelangen?
Grässlin: Zum einen durch Direktexporte des Herstellers Heckler & Koch, der in Oberndorf am Neckar sitzt. Zum anderen wurden allein für das G3-Gewehr in der Vergangenheit 15 Lizenzen zum Nachbau an Staaten wie Pakistan, den Iran, Saudi-Arabien und die Türkei vergeben. Dadurch hat eine unkontrollierbareVerbreitung stattgefunden. In Somalia und Kurdistan bin ich mehr als 200 Opfern von Heckler-&-Koch-Waffen begegnet. Das G3 ist, neben der Kalaschnikow und dem amerikanischen M 16, das meistverbreitete Gewehr der Welt.
BZ: Die Lizenzvergaben liegen doch schon Jahrzehnte zurück.
Grässlin: Aber jetzt ist das Nachfolgemodell des G3 auf dem Markt, das G36. An Spanien wurde bereits die erste Lizenz vergeben, auch Mexiko wird vermutlich eine erhalten. (...)
(...)
BZ: In welche Krisengebiete wird denn direkt exportiert?
Grässlin: Aktuell zu nennen wäre beispielsweise Malaysia. Dort gibt es laut amnesty international eine katastrophale Menschenrechtssituation. Es kommt immer wieder zu Folterungen und Tötungen, auch durch die Polizei. Dennoch hat die rot-grüne Bundesregierung der Lieferung von mehr als tausend Maschinenpistolen an die malaysische Polizei zugestimmt. (...)
BZ: Was werfen Sie Heckler & Koch vor?
Grässlin: Die Firma zeichnet sich durch eine offensive Rüstungsexportpolitik aus, die bar jeglicher Hemmungen ist, selbst wenn es um Lieferungen in Bürgerkriegsländer geht. (...) Bis heute sind mehr als 1,5 Millionen Menschen durch Heckler-&-Koch-Waffen gestorben.
BZ: Aber sind nicht letztlich Menschen für Morde verantwortlich, und nicht die Hersteller der Waffen?
Grässlin: Natürlich, und ein klassisches Argument von Heckler & Koch lautet: "Auch mit einer Gabel kann man jemanden erstechen." Aber es ist unglaublich schwierig, 40.000 Kurden zu "ergabeln". (...)

Aus: Badische Zeitung, 8. Januar 2005

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Zu Beginn des neuen Jahres hat die Bürgerinitiative Freie Heide ein Zeichen gesetzt und mit 2.000 Menschen gegen das geplante "Bombodrom" demonstriert - am Neujahrstag! Zumindest die Regionalmedien honorierten das Ereignis mit ausführlichen Berichten:

Die Bürgerinitiative "Freie Heide" hat ihren Protest gegen den geplanten Luft-Boden-Schießplatz Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide im neuen Jahr fortgesetzt. An der ersten Aktion im Jahr 2005 beteiligten sich am Samstag nach Veranstalterangaben mehr als 2000 Menschen. Es waren deutlich mehr als am Neujahrstag 2004, sagte ein Sprecher der Initiative am Samstag dpa. (...)
Zu Beginn der Protestwanderung zu dem Militärareal wurde in Schweinrich (Ostprignitz-Ruppin) ein Gedenkstein für den Mitte 2004 gestorbenen Vorsitzenden der Initiative, Helmut Schönberg, enthüllt. Von dort zogen die Demonstranten zu dem 12 000 Hektar großen Militärgelände, um das seit 13 Jahren gestritten wird. (...)
Die Landtage und Regierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lehnen die Wiederaufnahme des Militärbetriebs ab. Anwohner und Kommunen befürchten durch den geplanten Übungsbetrieb der Luftwaffe Lärmbelästigung und in der Folge Einbußen im Tourismus- Geschäft. Friedensaktivisten werfen der Bundesregierung außerdem vor, Kriegseinsätze im Ausland üben zu wollen.
Zu dem Konflikt sind mehrere Gerichtsverfahren anhängig. Dabei erlitt das Bundesverteidigungsministerium kurz vor Jahresende erneut eine Niederlage. Das brandenburgische Oberverwaltungsgericht lehnte eine Beschwerde des Bundes gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam ab. Das Ministerium hatte es versäumt, die Gemeinde Lärz (Müritzkreis), die in ihrer Planungshoheit von Lärm durch den Flugbetrieb betroffenen wird, anzuhören.

Märkische Oderzeitung (www.moz.de), Samstag, 01. Januar 2005


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