Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

2. bis 19. Oktober 2002

Friedensbewegung in den Medien

Enttäuschte APO
Soziale Bewegungen kritisieren Koalitionsvertrag

Von Tom Strohschneider

Organisationen aus der Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung haben sich enttäuscht über den rot-grünen Koalitionsvertrag geäußert. Das Papier sei das Dokument einer »vertanen Chance« und strotze vor »Halbheiten«. Kaum, dass die Tinte unter dem Koalitionsvertrag getrocknet war, meldete sich die Friedensbewegung zu Wort. Die Vereinbarungen zur Konfliktbewältigung und Rüstungskontrolle seien »völlig unverbindliche Absichtserklärungen«, kritisierte Peter Strutynski für den Bundesausschuss Friedensratschlag. Es sei weder nachvollziehbar, was Rot-Grün unter »gerechter Globalisierung« verstehe, noch welche Konsequenzen aus den »großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts« gezogen werden sollen. Eindeutiger fielen dagegen andere Passagen aus. So soll etwa die Bundeswehr zu einer »Armee im Einsatz« ausgebaut werden. Den »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« will die Bundesregierung nicht nur »entschlossen« fortführen, sondern »wo erforderlich intensivieren«. Angesichts der Gefahr eines Krieges gegen Irak kann derlei für berechtigte Ängste sorgen. Ein »Nein« zu völker- und grundgesetzwidrigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr erkennt Strutynski darin jedenfalls nicht. Außenpolitik sei »noch nicht dadurch ›Friedenspolitik‹, dass sie so genannt« werde. Auch nach Ansicht der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen setzt die Bundesregierung in der Militärpolitik »ganz offenbar auf ein ›Weiter so‹«. [...]

Auszug aus: Neues Deutschland, 19.10.2002

***

Koalitionsvertrag
Friedensgruppen sind von Rot-Grün enttäuscht


KASSEL, 16. Oktober (epd). Friedensgruppen in Deutschland sind vom Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen enttäuscht. Viele der in der Vereinbarung genannten Ziele wie Konfliktprävention, zivile Konfliktbearbeitung, Abrüstung und Rüstungskontrolle würden nicht näher ausgeführt, kritisierte der Bundesausschuss Friedensratschlag am Mittwoch in Kassel. Sie blieben damit "völlig unverbindliche Absichtserklärungen", sagte der Sprecher des Gremiums, Peter Strutynski.
Auslandseinsätze der Bundeswehr stünden offenbar auch für die neue Bundesregierung "auf der Tagesordnung", sagte Strutynski. Laut Koalitionsvertrag solle sich die Bundeswehr endgültig "zu einer Armee im Einsatz" wandeln.

Aus: Frankfurter Rundschau, 17.10.2002


Der DAKS-Koordinator André Maertens teilte am 11. Oktober mit:

Am 09.10.2002 fand im Freiburger Friedenszentrum eine Pressekonferenz anlässlich der Gründung des Deutschen Aktionsnetzes Kleinwaffen Stoppen statt. Zwei Sprecher des DAKS, Jürgen Grässlin und Paul Russmann, erläuterten Ziele und Hintergründe der geplanten Kampagnen und Aktionen, die DAKS organisieren wird.
Die Presse war vertreten durch den SWR (Südwestdeutscher Rundfunk), Radio FR1 (Sender für die weitere Region Freiburg), einem Journalisten, der für Neues Deutschland und Junge Welt schreibt und einer Vertreterin von dpa. Außerdem war ein Fotograf von dpa anwesend. Beide Radiosender haben noch am gleichen Tag Meldungen gebracht. Den Artikel der Jungen Welt habe ich als Anhang mitgeschickt. Außerdem ging unsere Presseerklärung auch an epd und kna (Evangelischer Pressedienst und Katholische Nachrichtenagentur).
Damit ist das Aktionsnetzwerk mit gutem Start an die Öffentlichkeit treten. Ich möchte alle herzlich einladen an unserem nächsten Koordinierungstreffen teilzunehmen, das am 4. Dezember vorraussichtlich in Frankfurt stattfinden wird. Dort wird es um unseren ersten Schwerpunkt G36-Exporte und G3-Verschrottung gehen, aber auch um weitere Kontaktmöglichkeiten auf europäischer und internationaler Ebene.
Um das Netzwerk auch intern ins Rollen zu bringen, werde ich in den nächsten Wochen einige diskussionswerte Texte verschicken und bitte Sie / Euch darum, mir Neugefundenes und Interessantes, das besprochen werden sollte, zur Weiterverbereitung zusenden.


Picknick auf dem NATO-Stützpunkt

Gewaltfreie Friedensaktion gegen USA-Atomwaffen

Von Ralf Klingsieck, Brüssel


Bei der gewaltfreien Aktion am Wochenende gegen USA-Atomwaffen auf der NATO-Basis Kleine Brogel in Belgien waren die Kräfte etwa gleich verteilt: 2000 Anhängern in- und ausländischer Friedensorganisationen standen 1500 Militärs und 500 Polizisten gegenüber.
Seht euch vor dem Stacheldraht und den Hunden vor«, hatten die Organisatoren den Teilnehmern eingeschärft, »und vor allem: Ruhe bewahren!« Nichts wurde dem Zufall überlassen. Noch in den Bussen, die sie in die Nähe der Basis brachten, musste jeder Teilnehmer ein Formular mit seinen persönlichen Angaben ausfüllen und erklären, ob er auf das Gelände des Stützpunkts vordringen oder nur davor demonstrieren wolle. Vor allem musste er sich per Unterschrift zum gewaltlosen Charakter der Aktion bekennen.
Am Ort angekommen, wurden Gruppen von jeweils vier Teilnehmern gebildet, denn größere Ansammlungen hätten gegen das dort extra erlassene Versammlungsverbot verstoßen und der Polizei einen Vorwand geboten, sofort einzugreifen. So näherten sich die Grüppchen durch Wald, Unterholz oder über Weiden von verschiedenen Seiten dem Zaun der 450 Hektar großen NATO-Basis, der schnell überwunden werden konnte. Hier und da gelang es der hoch gerüsteten »Gegenseite«, rechtzeitig genügend Soldaten zusammenzuziehen und die friedlichen »Angreifer« abzuwehren. Dafür hatte die Armeeführung sogar ein Sonderkommando herangeschafft, das speziell für den Einsatz bei Demonstrationen in Kosovo ausgebildet worden war.

Verweis auf Haager Urteil

Von den 2000 Teilnehmern der Aktion, die vor allem aus Belgien kamen, aber auch aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Italien, Großbritannien, Schweden und Finnland, unternahmen 1300 den Versuch, auf die Basis vorzudringen, und 700 gelang das auch. Waren sie erfolgreich auf dem Gelände angekommen, ließen sich die Eindringlinge demonstrativ zum Picknick nieder. Später wurden sie von Militärs aufgefordert, sich zum zentralen Sammelplatz, einer Wiese in der Nähe der Startbahn, zu begeben. Dort mussten sie lange sitzen und warten, bis ihre Personalien aufgenommen wurden. Danach führte man sie gruppenweise aus dem Gelände und setzte sie auf freien Fuß. Zu Zwischenfällen kam es nicht. »Unser Ziel bestand darin, mit möglichst vielen Menschen auf das Gelände der NATO-Basis vorzudringen, uns dort verhaften zu lassen und so einen öffentlichen Prozess zu provozieren, bei dem es zwangsläufig auch um die Rechtsgrundlage für die Lagerung US-amerikanischer Atomwaffen auf belgischem Boden ginge«, erklärte Fabien Rondal, einer der Sprecher der Organisatoren, die von einem »gewaltfreien Akt zivilen Ungehorsams« sprechen. »Am 8. Juli 1996 hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Einsatz von Atomwaffen bei bewaffneten Konflikten oder auch schon die Drohung damit für unrechtmäßig erklärt.«

Das vierte »Bombspotting«

Für die Organisatoren – allen voran die Friedens- und Umweltorganisationen Forum voor Vredesactie und For Mother Earth – war es schon die vierte Aktion »Bombspotting« (Bombensichtung) auf dem NATO-Stützpunkt Kleine Brogel, doch in diesem Jahr bekam sie durch die Drohung eines Krieges gegen Irak besondere Brisanz. Entsprechend stürmischen Beifall fanden denn auch einige Teilnehmer, die sich als UNO-Abrüstungs-Inspekteure verkleidet hatten.
Wegen »Verstoßes gegen das Versammlungsverbot« wurden offiziell 1120 Friedensaktivisten auf oder vor der Basis zeitweise festgenommen, darunter mehrere Abgeordnete der flämischen und wallonischen Grünen und Sozialisten, die zur belgischen Regierungskoalition gehören. Damit war die Aktion für die Organisatoren ein voller Erfolg. Dass es zu einem Prozess kommt, ist jedoch mehr als fraglich. An der ersten Aktion »Bombspotting« 1997 hatten 30 Leute teilgenommen, an der letzten im April 2001 schon rund 1000, doch kein einziger der dabei Verhafteten ist je vor Gericht gestellt worden. »Auf jeden Fall war dies jetzt das letzte Mal hier in Kleine Brogel«, erklärt Hans Lemmerant vom Forum voor Vreedesactie. »Wir wollen dieses Katz-und-Maus-Spiel nicht noch jahrelang fortsetzen. Wenn die Atomwaffen nicht abgezogen werden, wollen wir zu anderen Formen des Protests greifen.« Als künftige Ziele ins Auge gefasst sind das Militärische Oberkommando der NATO (SHAPE) nahe der westbelgischen Stadt Mons und das NATO-Generalsekretariat am Stadtrand von Brüssel.

Aus: Neues Deutschland, 08. Oktober 2002

***

Interview

Belgischer NATO-Stützpunkt gestürmt: Mit direkter Aktion gegen Atomwaffen?

jW sprach mit Britta Bolte, Mitarbeiterin der Umwelt- und Friedensorganisation »Für Mutter Erde« in Belgien
(Interview: Daniel Behruzi) Frage: Sie haben am Samstag eine Bombspotting-(Bombenbesichtungs-)Aktion gegen die Stationierung von US-Atomwaffen auf dem belgischen NATO-Stützpunkt Kleine Brogel durchgeführt. Wie ist das abgelaufen?

Die Demonstranten haben sich um zwölf Uhr in dem Dorf Kleine Brogel getroffen und sind von da aus in kleinen Gruppen zur Militärbasis gegangen. Ziel war es, auf das Gelände zu gelangen, um dort zu picknicken. Das war schwierig, da ein großes Polizei- und Militäraufgebot um die Basis herum stationiert war und ein Versammlungsverbot in der Umgebung erlassen wurde.

F: Ist es Ihnen trotzdem gelungen, auf das Gelände zu gelangen?

Etwa 700 von 1300 Menschen, die es probierten, haben das geschafft. Insgesamt haben 2000 Leute demonstriert.

F: Es sind Teilnehmer verhaftet worden. Wie viele waren das und was droht ihnen?

1135 Menschen wurden verhaftet. Nach ähnlichen Aktionen in den letzten Jahren ist keinem der Prozeß gemacht worden. Der Grund dafür ist, daß in Belgien so etwas als politische Straftat angesehen wird und ein Gerichtsprozeß mit Jury stattfinden muß. Der Aufwand, das weiter zu verfolgen, war ihnen zu groß.

F: Welche Gruppen und Personen haben die Aktion organisiert beziehungsweise unterstützt?

Organisatoren waren das Forum für Friedensaktion und die Gruppe »Für Mutter Erde«, die in Gent und in Antwerpen ansässig sind. Unterstützt wurden wir von vielen Nichtregierungsorganisationen und auch von Parlamentariern der Grünen und der Sozialdemokraten.

F: Inwieweit war die lokale Bevölkerung in die Aktion eingebunden?

Es haben verschiedene regionale Gruppen teilgenommen. Seit Monaten wurden in den Dörfern und Städten der Region Flugblätter verteilt und die lokale Bevölkerung darüber wurde informiert, was auf dem NATO-Stützpunkt passieren sollte.

F: Was sind Ihre Ziele?

In erster Linie wollen wir, daß die US-Atomwaffen aus Belgien verschwinden. Wir wollen ein starkes, internationales Netzwerk für ein atomwaffenfreies Europa schaffen. Deshalb organisierten wir auch einen Jugendaustausch unter dem Motto »Die Jugend für ein atomwaffenfreies Europa«, bei dem junge Menschen aus Schweden, Finnland, Italien und Deutschland zusammengekommen sind, um gemeinsam zu protestieren.

F: Wie hat sich der Protest gegen Atomwaffen in Belgien entwickelt, und was ist als nächstes geplant? Die Kampagne läuft seit fünf Jahren. 1996 hat der Weltgerichtshof in Den Haag erklärt, daß die Anwendung von oder Drohung mit Atomwaffen generell illegal ist. Daraufhin wurden 1997 erste zivile Inspektionen mit vielleicht 30 Leuten durchgeführt. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Menschen hinzu. Letztes Jahr im April haben schon mehr als 1000 am Bombspotting teilgenommen. Am Samstag waren es noch mehr. Nach dieser letzten Massenaktion sind weitere kleinere effektive Aktionen geplant.

Aus: junge Welt vom 07. Oktober 2002


Friedlich im Abseits

Eigentlich war der Aufmarsch der New Yorker Friedensbewegung „Not In Our Name“ ein voller Erfolg, denn angeblich waren am Sonntagnachmittag im New Yorker Central Park mehr Demonstranten, als bei den Anti-Vietnam-Veranstaltungen in den sechziger Jahren. Die ergrauten Veteranen der Friedensbewegung behaupteten das zumindest, und die müssen es ja wissen. 30000 Demonstranten versammelten sich auf dem Ostanger des Parks. Hunderte von Protestorganisationen hatten Redner geschickt. Prominente wie die Schauspieler Martin Sheen, Susan Sarandon, Tim Robbins und der Rapper Saul Williams traten auf. Die Ansprachen reichten von besonnenen Worten bis zu tränenerstickten Wutausbrüchen. Und trotzdem verpuffte der Moment im blauen Spätsommerhimmel, als hätten sich die Zehntausende nur zum Picknick getroffen.

Seit dem polizeitechnischen Fiasko in Seattle haben die amerikanischen Stadtverwaltungen viel dazugelernt. Und so wurden die Demonstranten auch am Sonntag mit Raffinesse ausgebremst. Das begann mit dem Ort, für den man die Genehmigung erteilte. Der Ostanger des Central Parks liegt im Schatten des Mount-Sinai-Krankenhauses, an der Grenze zwischen den Prachthäusern der Upper East Side und den Mietskasernen von Spanish Harlem. Hierher verirren sich nur selten Passanten oder gar Touristen. Und selbst die Medien erschienen nur recht spärlich.

... „Ich bin froh, hier zu sein“, sagte Susan Sarandon. „Bisher habe ich mich einsam und isoliert gefühlt in meiner Anti-Kriegshaltung.“ Ein Gemeinschaftsgefühl gibt es also schon mal. Jetzt muss sich die Friedensbewegung nur noch Gehör verschaffen.
eye
Auszugsweise aus: Süddeutsche Zeitung, 8. Oktober 2002

***

Danke, Germany!

Von Marc Deckert, New York

Deutschland hat ausnahmsweise Recht“, steht auf dem Schild, das ein Demonstrant die New Yorker Fifth Avenue hinaufträgt. Es ist ein wunderschöner Herbsttag unter blauem Himmel. Die Temperaturen sind so angenehm, dass die Menschen im T-Shirt unterwegs sind. An solchen Sonntagvormittagen ist die Museumsmeile auf der Ostseite des Central Parks normalerweise voller Touristen. Doch heute dominieren die Szene zwischen Guggenheim und Metropolitan Museum Schilder und T-Shirts mit Slogans. Eine Reihe von Organisationen und Friedensaktivisten hat unter dem Motto „Nicht in unserem Namen“ zur bislang größten New Yorker Friedensdemonstration aufgerufen und Zehntausende überwiegend jugendlicher Demonstranten sind gefolgt. Und für sie ist Gerhard Schröder in diesen Tagen kein Verräter, sondern ein Hoffnungsträger.

... Als Datum der Demonstration hatten die Organisatoren den Tag gewählt, an dem vor einem Jahr die ersten amerikanischen Bomben auf Afghanistan fielen.

... Nach einer Gallup-Umfrage sind immerhin 58 Prozent der Amerikaner für einen Einsatz von Bodentruppen im Irak, selbst wenn dieser nicht durch UN-Resolutionen gedeckt sein sollte.

Doch zugleich tauchen die ersten sichtbaren Zeichen des Widerstands auf: Vor allem jene großen Anzeigen, die in den vergangenen Wochen von Prominenten und Intellektuellen in Zeitungen geschaltet wurden. In ihnen wurde Präsident Bush so deutlich attackiert wie selten zuvor. Offen warfen ihm Prominente wie der Regisseur Oliver Stone oder der Autor Gore Vidal eine „imperialistische Politik“ und die „Manipulation“ der amerikanischen Bürger vor. Auch die Demonstration in New York – in anderen Städten finden zeitgleich Kundgebungen statt – steht im Zeichen politischer Konfrontation. Niemand singt pazifistische Lieder. Und es gibt kaum ein Plakat, das Präsident Bush nicht direkt angreift. Einige fordern genau wie dieser einen „Regimewechsel“ – allerdings in Washington, nicht in Bagdad. Die Demonstration richtet sich offiziell nicht nur gegen einen scheinbar unbegrenzten „Krieg gegen den Terrorismus“, sondern zugleich gegen den vor einem Jahr mit dem „Patriot Act“ begonnenen Abbau von Bürgerrechten und „polizeistaatliche Methoden“ im Inneren.

Von einer Bühne auf einem sandigen Platz im Central Park, über der der Slogan „Not in our name“ prangt, breitet sich kreisförmig ein Menschenmeer aus. Rund 20000 sind es zur Mittagszeit. Überall sind die schwarzen T-Shirts von „New Yorkers say No to war“ mit dem Logo der Zwillingstürme zu sehen, die in den letzten Wochen zur Marke der Friedensbewegung in den USA geworden sind.

Die erste Rednerin des Nachmittags heißt Colleen Kelly. Ihr Bruder Bill starb am 11.September im World Trade Center. „Der Gedanke verzehrt mich, dass diese Kriege auch im Namen meines Bruder geführt werden“, ruft Colleen Kelly von der Bühne aus und bekommt großen Applaus. Die 40-jährige Krankenschwester aus der Bronx ist Mitbegründerin einer Organisation von Opferfamilien, die sich gegen den Militärangriff auf Afghanistan und den möglichen Schlag gegen den Irak wenden. Später, hinter der Bühne, erzählt sie, wie schwer es für sie war, sich als Angehörige gegen den Krieg in Afghanistan auszusprechen. „Wir waren anfangs eine sehr kleine Minderheit, doch jetzt treffe ich immer mehr Opferfamilien, die nicht verstehen, was der Irak mit dem 11.September zu tun hat. Die Leute beginnen zu fragen ,Was soll der Unsinn?’“ ... Seit Monaten versucht Colleen Kelly mit ihrer Gruppe Kongress-Abgeordnete, die als Friedenspolitiker gelten, auf ihre Seite zu ziehen. Doch sie sagt, die Resonsanz sei minimal. „Die glauben, eine ablehnende Haltung sei unpopulär.“ Insofern ist sie froh über jede Hilfe, selbst wenn die vom deutschen Bundeskanzler im Wahlkampf kommt: „Wir müssen uns bei euch bedanken“, sagt Colleen Kelly, und das klingt, als sei es ehrlich gemeint.

... Der Schauspieler Gabriel Byrne, bekommt riesigen Applaus, als er die Bush-Regierung eine „Junta“ nennt. Martin Sheen, der in der Serie „The West Wing“ einen fiktiven US-Präsidenten spielt, herzt hinter der Bühne jeden Friedensaktivisten, der in seine Nähe kommt. Und das Hollywood-Paar Susan Sarandon und Tim Robbins hält eine beachtlich nuancierte Rede gegen „Fundamentalismus auf allen Seiten“. Robbins glaubt, dass ein Irak-Krieg vor allem aus wirtschaftlichen Gründen geführt werden würde. „Unser eigener Fundamentalismus heißt Business“, ruft er.

Nahezu alle hier sind sich sicher, dass Bush andere Gründe für einen Irak-Feldzug hat als jene, die er vorgibt. „Saddam ist ein vorgeschobener Bösewicht. Es ist so offensichtlich, dass man kaum darüber diskutieren kann“, sagt Lowell Boyers. Der New Yorker Künstler trägt Anstecknadeln von verschiedenen Friedensdemos auf seinem Sakko. Er hat schon an etlichen teilgenommen. „Es ist verrückt, wie wenig in den großen Medien über unseren Widerstand berichtet wird“, sagt Jones. „Aber das hier ist zu groß, das lässt sich nicht unterdrücken.“ Am 26. Oktober wird Boyers nach Washington fahren, um dort an einem Friedensmarsch teilzunehmen. ...

Auszugsweise aus: Tagesspiegel, 8. Oktober 2002


Friedensratschlag

Appell für Ende des »Anti-Terror-Krieges«


Berlin (ND-Strohschneider). Zum ersten Jahrestag des Beginns der Bombenangriffe auf Afghanistan hat sich der Bundesausschuss Friedensratschlag mit einem Appell zur Beendigung des so genannten Anti-Terror-Krieges an die Öffentlichkeit gewandt. Die nach den Anschlägen des 11. September 2001 begonnene Bombardierung Afghanistans habe nach Ansicht unabhängiger Experten Tausende zivile Opfer gefordert aber weder zur Ergreifung Bin Ladens noch zur Lösung der sozialen und politischen Probleme des Landes geführt. Allenfalls in der Hauptstadt Kabul solle der Welt zu beweisen versucht werden, dass »die militärische Intervention zur Befriedung einer Region beitragen könne«. Trotz dieser »offensichtlichen Erfolglosigkeit« versuche die USA nun »mit aller Energie« einen neuen Krieg vom Zaun zu brechen. Die Bundesregierung sei »gut beraten«, ihre ablehnende Haltung auch nach der Wahl beizubehalten und in Übereinstimmung mit Völkerrecht sowie Grundgesetz alles daran setzen, den Krieg gegen den Irak zu verhindern.

Neues Deutschland, 7. Oktober 2002

***

Afghanistan

Angriff auf einen US-Hubschrauber


KABUL, 6. Oktober (afp/dpa/epd/rtr/ap). Beim Beschuss eines US-Armeehubschraubers in Süd-Afghanistans ist am Samstag ein US-Soldat am Fuß getroffen worden. Die Besatzung habe das Feuer erwidert und vermutlich einen Angreifer getötet und einen weiteren verletzt.
Afghanische Sicherheitskräfte haben 30 mutmaßliche Brandstifter festgenommen, die drei Schulen im Süden des Landes niedergebrannt haben sollen. Im Osten Afghanistans tauchten Flugblätter mit Drohungen gegen die USA, Präsident Hamid Karsai und Musikläden auf. Der afghanische Sicherheitschef Hadschi Adschab Schah machte "staatsfeindliche Elemente" für die Flugblatt-Aktion verantwortlich.
Die afghanische Regierung gibt mit dem heutigen Tag eine neue Währung aus, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Zum Jahrestag des Beginns der US-Offensive in Afghanistan rief die Friedensbewegung in Deutschland die Politik zur Umkehr auf. Der "Krieg gegen den Terror" sei gescheitert, erklärte der Bundesausschuss Friedensratschlag am Sonntag in Kassel. Es gelte nun, den geplanten Krieg gegen Irak zu verhindern.

Frankfurter Rundschau, 7. Oktober 2002

***

IM KRIEGSFALL

Luftraum dicht


Die Friedensbewegung hat die Bundesregierung zum Engagement gegen den drohenden Irakkrieg aufgefordert. Im Kriegsfall müsse Rot-Grün den USA Überflugrechte für ihre Militärflüge über Deutschland verweigern, forderte der Bundesausschuss Friedensratschlag. (dpa)

taz, 7. Oktober 2002


Italien stellt sich quer

Landesweite Proteste gegen drohenden US-Angriff auf Irak


Georg Dacher, Florenz - In 120 italienischen Städten fanden am Wochenende Proteste gegen einen drohenden US-Angriff auf Irak statt. Während konservative Zeitungen von hunderttausend Teilnehmern bei den landesweiten Demonstrationen berichten, ging nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Paolo Cento am Sonnabend eine halbe Million Menschen auf die Straßen. Organisiert wurde der Antikriegsprotest mit vorwiegend pazifistischen Parolen von den globalisierungskritischen Sozialforen. Zahlreiche Politiker verschiedener Parteien, Vertreter der Kirche, Künstler und Journalisten beteiligten sich an den Demonstrationen.

In Rom begann der Antikriegsprotest mit einem Sitzstreik vor der US-Botschaft, an deren Gitter sich Aktivisten ketteten. In Venedig besetzten 30 »Befehlsverweigerer« symbolisch das britische Konsulat. Auf der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien folgten rund 3000 Menschen einem Demonstrationsaufruf. Auch in Mailand und im etwa 200 Kilometer südöstlich gelegenen Bologna protestierten zahlreiche Menschen gegen einen Krieg in Irak. In Turin sammelten sich auf Einladung des kirchlichen »Jugendmissionsdienstes« 40000 Jugendliche auf der Piazza San Carlo. Auch Erzbischof Severino Poletto beteiligte sich an der Demonstration.

Die Partei der linken Demokraten (PDS) hatte kurzfristig zu einer »nationalen Demonstration« am Sonnabend nachmittag in Florenz aufgerufen. Diese kann kaum als Erfolg gesehen werden: Nur 12000 Teilnehmer aus ganz Italien fanden den Weg in die Toskana-Stadt. Im Vergleich dazu mobilisierte das »Social Forum« am Vormittag allein 10000 Demonstranten ausschließlich aus Florenz gegen die Politik von US-Präsident George W. Bush. Motto dieses Protestmarsches: »Firenze cittŕ aperta ripudia la guerra« – die offene Stadt Florenz lehnt den Krieg ab.

Der Generalsekretär der PDS, Piero Fassino, versicherte in einer einstündigen Ansprache, keineswegs antiamerikanisch zu sein. Die PDS hätte sich auch stets am »Kampf gegen den Terrorismus« beteiligt, allerdings müsse dieser von der Staatengemeinschaft, der UNO, und nicht im Alleingang geführt werden. Die Berlusconi-Regierung hätte seit einem Jahr Italien in einen zunehmenden Gegensatz zur EU gebracht, die demokratische Linke wolle mit der demokratischen EU für den Frieden wirken. Die »Globalisierung« müsse demokratisch erfolgen, müsse von der Politik und nicht bloß von den Interessen weniger großer Unternehmen gelenkt werden – deshalb spreche die PDS von »New Global«. Die zentrale Losung ihrer Jugendorganisation »Sinistra giovanile« (Jugendliche Linke) drücke dies recht gut aus: »New Global per la pace!«, neu global für den Frieden. Fassino forderte Friedensinitiativen der EU im Nahen Osten (zwei Völker, zwei Staaten) und sprach sich für den Fortbestand des »Olivenbündnisses« aus. Dieses steht wegen der Weigerung der PDS und anderer Parteien, die Entsendung von 1000 »Alpini« unter US-Kommando nach Afghanistan zu unterstützen, vor dem Bruch. Dazu erklärte Fassino, die PDS habe mehrmals der Entsendung italienischer Streitkräfte zugestimmt und werde dies weiterhin tun, allerdings nur im Rahmen der UNO.

Der Vizepräsident des Senats, Roberto Calderoli von der Lega Nord, kommentierte die landesweiten Antikriegsproteste mit den Worten: »Ich fürchte, daß sich hinter dem Pazifismus die schlimmste Form der Gewalt, die des Terrorismus, verbirgt.« Demnach hätte sein Land ein enormes Terrorpotential: Umfragen zufolge sind 80 Prozent der Italiener gegen einen US-Angriff auf Irak.

junge Welt vom 07. Oktober 2002


Aktionstag gegen den Irak-Krieg am 26. Oktober

Am vergangenen Wochenende traf sich in Kassel der Bundesausschuss Friedensratschlag. UZ sprach mit Horst Trapp über die Einschätzung der Friedensbewegung zum Ausgang der Bundestagswahlen und die friedenspolitischen Aufgaben der kommenden Wochen und Monate.

UZ: "Rot-Grün" konnte sich bei den Bundestagswahlen behaupten. War das auch ein Ergebnis der ablehnenden Haltung zum Irak-Krieg?

Horst Trapp: Ich denke schon. Die Bundestagswahlen haben erneut gezeigt, dass es eine Antikriegs-Stimmung in der Bevölkerung gibt. Wenn man heute mit einer Aussage gegen den Krieg Wahlen gewinnen kann, dann ist das zunächst einmal positiv. Ich will hier aber auch klar betonen, dass diese Stimmung gegen den Krieg nicht vom Himmel gefallen ist, sondern auch Ergebnis der kontinuierlichen Arbeit der Friedensbewegung ist.

Es greift aber zu kurz, die Position der Bundesregierung in der Frage des Irak-Kriegs nur auf den Stimmenfang im Wahlkampf zu reduzieren. Die Haltung unserer Regierung zeigt auch, dass es offensichtlich Differenzen zwischen den Führungen in den USA und in der BRD gibt. Die derzeitige Führung in den USA will alle Regionen der Welt kontrollieren, in denen sie ein ökonomisches und strategisches Interesse hat. Dabei sind insbesondere die abnehmenden Öl-Reserven von Bedeutung. Es geht um die Frage, wie man sich das Öl am besten sichern kann. Da ist uns die Position, sich mit den arabischen Staaten zu einigen und das Öl zu kaufen doch alle Mal lieber als die militärische US-Variante.

UZ: Die Friedensbewegung hat die Antikriegsposition der Regierung begrüßt und gleichzeitig gefordert, dass den Worten nun Taten folgen müssen. Gibt es dafür erste Anzeichen?

Horst Trapp: Nein. Es gibt Aussagen, dass man im Prinzip bei dem bleiben möchte, was man gesagt hat. Aber um diese Position zu festigen sind wirklich Taten erforderlich. Diese müssen wir als Friedensbewegung weiter öffentlich einfordern. Nämlich: Sofortiger Abzug der Spürpanzer aus Kuwait, Rückruf der Marine-Verbände aus der Golfregion und die Verweigerung der Nutzung von US-Stützpunkten auf deutschem Boden und des deutschen Luftraums.
Wir sind der Meinung, dass es keine Verpflichtung der BRD gibt, dem US-Militär irgendwelche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wir gehen von der Rechtsauffassung aus, dass es sich hier um einen völkerrechtswidrigen Krieg handelt und dass die BRD durch das Grundgesetz verpflichtet ist, eine Unterstützung in jeder Form zu verweigern.

UZ: Die PDS, als konsequenteste Friedenspartei, hat den Einzug in den Bundestag nicht geschafft. Was bedeutet das für die Friedensbewegung?

Horst Trapp: Der Verlust der PDS-Fraktion ist ein großes Problem für uns. Die außerparlamentarische Bewegung braucht Menschen, die ihre Forderungen auch ins Parlament tragen. Nun ist eine Stimme im Bundestag, auf die wir uns wirklich verlassen konnten, verloren gegangen. Wir müssen uns nun verstärkt nach Ansprechpartnern im Parlament umtun. Das hatten wir bereits vor der Bundestagswahl angekündigt, denn es musste auch mit der PDS darum gehen, den Kreis von Parlamentariern mit Gehör für friedenspolitische Forderungen zu erweitern. Es kann uns nicht nur um die beiden PDS-Abgeordneten und die beiden Abgeordneten der Grünen gehen. Wir brauchen Ansprechpartner im Parlament, die weit über diesen Kreis hinausgehen.

UZ: Vor der Bundestagswahl hatte das "gewerkschaftliche Netzwerk gegen den Krieg" Unterschriften mit dem Ziel gesammelt, dass der DGB seinen sechs Prüfsteinen an die Bundesregierung einen siebten zur Friedenspolitik hinzufügt. Was ist daraus geworden?

Horst Trapp: Über 1 000 Gewerkschaftsmitglieder haben in kürzester Zeit unterschrieben. Und zwar auch Gewerkschafter aus dem mittleren Funktionärsbereich, also Landesvorsitzende und ihre Stellvertreter. Der DGB hat bereits versucht, in die Koalitionsverhandlungen einzugreifen. Bisher hat er aber unsere Forderung nicht mit eingebracht. Wir sind aber, auch beflügelt durch die große Zustimmung, guten Mutes, dass sich das noch ändert und unsere Antikriegs-Haltung auch offizielle Politik des DGB wird. Soviel ist sicher: Wir werden keine Ruhe geben bis der DGB auch diese siebte Forderung an die Bundesregierung richtet und werden dafür weiter Unterschriften sammeln. Wir wenden uns nun an die Einzelgewerkschaften und fordern sie auf, nicht nur die Papiere zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich auch den nun folgenden Aktivitäten der Friedensbewegung aktiv anzuschließen und mit uns zu demonstrieren.

UZ: Zeitgleich mit Eurer Tagung in Kassel demonstrierten in London weit über 300 000 Kriegsgegner, in den USA sorgt der Aufruf von Prominenten "Not in our Name" für Aufsehen. Was plant die deutsche Friedensbewegung?

Horst Trapp: Zunächst planen wir zeitgleich mit Großdemonstrationen in den USA und in Solidarität mit der US-amerikanischen Friedensbewegung am 26. Oktober in möglichst vielen Städten Aktionen und Demonstrationen durchzuführen. Wir finden es nicht sinnvoll, sich jetzt auf den Tag X, also den Tag des Angriffes auf den Irak, zu konzentrieren. Denn wir gehen immer noch davon aus, dass dieser Krieg verhindert werden kann.
Am 23. Oktober wird der Bundesausschuss Friedensratschlag der Bundesregierung die Unterschriften, die unter den Wilhelmsburger Appell "Kein Krieg gegen den Irak" gesammelt wurden, übergeben. Bis dahin werden weiter Unterschriften gesammelt. Am 1./2. November werden wir in Berlin im Schöneberger Rathaus einen internationalen Kongress "Der Irak - Alternativen zu Embargo und Krieg" durchführen. Zudem haben wir ins Auge gefasst, Ende Januar oder Anfang Februar eine oder zwei zentrale Großdemonstrationen durchzuführen.

Die Fragen stellte Wera Richter

unsere zeit - Zeitung der DKP 4. Oktober 2002



Blair wird geschont

Von Michael Goebel


(KOMMENTAR zur Anti-Kriegsdemonstration in London)

Am 28. September protestierten in London mehrere hunderttausend Menschen gegen den Krieg. Auch in der eigenen Partei sieht sich Tony Blair mit wachsendem Widerstand konfrontiert. Es wurde auch Zeit: Umfragen zufolge lehnen drei Viertel aller Briten einen Krieg ohne UN-Mandat ab. In ihrer jetzigen Verfassung jedoch werden die Kriegsgegner den britischen Premier kaum umstimmen. Denn die Demonstration offenbarte nicht nur Protest, sondern auch Ambivalenzen. Weil sich alles um Bush und Sharon drehte, stand Blair am Ende vergleichsweise gut da. Ein Sprecher der Veranstalter erklärte deren Position treffend in zwei Punkten: Grundsätzlich unterstütze ein Großteil Blairs Politik, wenn auch nicht den Krieg gegen den Irak. Ansonsten ginge es aber nicht minder um die Palästinenser.

Dennoch ist die Verunsicherung gegenüber New Labour allenthalben zu spüren. In den Achtzigern durften sich die Gegner von Atomwaffen größtenteils im Schoße dieser Partei gut aufgehoben fühlen. Heute fehlt der linken Opposition ein solches Refugium. Nicht zuletzt deshalb hinterließ die Demonstration einen zwiespältigen Eindruck. Als der Zug die Downing Street passierte, hielt eine ältere Frau ein Plakat in die Höhe, auf dem stand: "Tony, ich habe dich gewählt. Ich kann dich auch wieder abwählen." Aber wie? Das britische Mehrheitswahlrecht wird eine parlamentarische Alternative links von New Labour auf absehbare Zeit nicht zulassen.

Auf der Schlusskundgebung im Hyde Park wurden folgerichtig die Hoffnungsträger innerhalb der Labour Party beschworen. Aber der Parteitag im nordenglischen Blackpool hat diese Hoffnungen nicht erfüllt. Blair bleibt die letzte Instanz in Sachen Krieg oder Frieden. Viele Kriegsgegner sehen ihn als fehlgeleiteten Genossen, während die wirklichen Antagonisten in Washington und vor allem in Tel Aviv ausgemacht werden. Die Opposition gegen Israel lässt sich nachvollziehen, vor allem mit Blick auf die vielen moslemischen Teilnehmer des Protestmarsches. Dennoch: Musste der Redner der Friends of Al-Aqsa den Hyde Park wirklich zu einer Schweigeminute für die "Märtyrer der Intifada" auffordern? Dient der permanente Rekurs britischer Kriegsgegner auf das "heldenhafte palästinensische Volk", wie es eine Journalistin formulierte, nicht eher der Vermeidung einer zwingenden Auseinandersetzung mit New Labour?

Dass auf der Demonstration wieder einmal antisemitische Flugblätter verteilt wurden, mochte man gerade noch als hässliche Randerscheinung verdrängen. Dem grundsätzlichen Motiv der Anti-Kriegs-Demonstration tut es keinen Abbruch, aber zu viele Kriegsgegner in Großbritannien verknüpfen offenbar einen bedingungslosen Antizionismus mit einem nur halbherzigen Widerstand gegen New Labour. Am Ende freut sich Tony Blair.

Freitag 41, 4. Oktober 2002


Zur Seite "Meldungen und Informationen über die Friedensbewegung"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Homepage