Friedensbewegung enttäuscht über Koalitionsvertrag:
"Das Positive bleibt unverbindlich - Keine Absage an Interventionskriege - Weiterer Ausbau der Bundeswehr zu einer 'Armee im Einsatz'"
Am Tag der Verkündung der zwischen SPD und Bündnis90/Die Grünen ausgehandelten Koalitionsvereinbarung gab es bereits kritische Stimmen aus der Friedensbewegung. Der Bundesausschuss Friedensratschlag äußerte sich in einer Presseerklärung, die wir im Folgenden dokumentieren.
Den Text des außenpolitischen Teils der Koalitionsvereinbarung haben wir hier dokumentiert: "Gerechte Globalisierung"
Pressemitteilung
Friedensbewegung enttäuscht über Koalitionsvertrag:-
Das Positive bleibt allgemein und unverbindlich
-
Keine Absage an Interventionskriege
-
Weiterer Ausbau der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz"
Das Kapitel IX des rot-grünen Koalitionsvertrags ist überschrieben mit:
"Gerechte Globalisierung - Deutschland in Europa und in der Welt". Vor
allem dem ersten Teil der Überschrift wird das Papier in keiner Weise
gerecht. Weder erfährt man, was den Prozess der Globalisierung ausmacht,
noch wird erläutert, was daran "gerecht" sein soll.
Positiv zu beurteilen ist, dass die Vereinten Nationen und ihre
Institutionen an erster Stelle genannt werden. Ihnen falle "eine
Schlüsselrolle" bei der Bewältigung der "großen Herausforderungen des
21. Jahrhunderts" zu. Was das allerdings für die Außen- und
Sicherheitspolitik und die Völkerrechtspolitik Deutschlands heißt,
bleibt im Dunkeln. Stattdessen wird der Frage breiter Raum eingeräumt,
ob und unter welchen Bedingungen Deutschland einen ständigen Sitz im
UN-Sicherheitsrat anstreben solle.
Positiv ist auch, dass im Zusammenhang mit den VN auch die OSZE an
prominenter Stelle genannt wird - gewissermaßen als regionale
Unterorganisation der VN. Das "politische Profil der OSZE zu stärken und
auf eine angemessene personelle und finanzielle Ausstattung der OSZE
hin(zu)wirken", bleibt allerdings ein nebulöses Versprechen, weil keine
konkreten Zielvereinbarungen genannt werden. Schon vor vier Jahren
versprach Rot-Grün die Stärkung der OSZE - seither ist diese größte
europäische Staatengemeinschaft vollkommen an den Rand des politischen
Geschehens geraten und fristet eine Aschenputtel-Existenz in einem
bescheidenen Büro in Wien.
Auch alle weiteren im Koalitionsvertrag genannten positiven Zielbegriffe
(wie Konfliktprävention, zivile Konfliktbearbeitung, Menschenrechte,
auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, Abrüstung und Rüstungskontrolle)
werden nicht näher ausgeführt und operationalisiert. Es bleiben völlig
unverbindliche Absichtserklärungen.
Demgegenüber fallen die Passagen über die Rolle der Bundeswehr
eindeutiger aus. Die Bundeswehr soll sich endgültig "zu einer Armee im
Einsatz" wandeln. Dementsprechend werden "moderne, gut ausgerüstete und
schnell verfügbare Einsatzkräfte erforderlich". Mit anderen Worten:
Auslandseinsätze der Bundeswehr - ob mit oder ohne Bemäntelung ihrer
Rechtmäßigkeit durch UN-Resolutionen - bleiben an der Tagesordnung. Eine
kritische Reflexion des völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieges findet
nicht statt (er wird nicht einmal erwähnt). Zum drohenden US-Krieg gegen
Irak wird nicht Stellung bezogen. Allerdings verspricht die
Bundesregierung, sich auch weiterhin an der "Operation Enduring
Freedom", dem von den USA geführten sog. "Anti-Terror-Krieg" zu
beteiligen und so ihre "Zusage" der "Solidarität mit den Vereinigten
Staaten" einzulösen.
Ein Hohn ist in dem Zusammenhang die Feststellung: "Die parlamentarische
Kontrolle von Spezialeinsätzen wird gewährleistet." Seit dem 16.
November 2001 operieren Einheiten des Kommando Spezialkräfte verdeckt in
und um Afghanistan. Alle Anfragen, wo und mit welchem "Erfolg" diese
Spezialeinheiten kämpfen, sind vom Verteidigungsministerium bisher
unbeantwortet geblieben!
Der Bundesausschuss Friedensratschlag stellt nach einer ersten Prüfung
des außenpolitischen Teils der Koalitionsvereinbarung insgesamt fest:
Das was friedenspolitisch in die richtige Richtung weist, bleibt
schwammig und unkonkret. Und das was konkret ist, weist in die falsche
Richtung.
"Deutsche Außenpolitik" ist noch nicht dadurch "Friedenspolitik", dass sie so genannt wird. Sie würde es erst, wenn
messbare Schritte zur Abrüstung und zur Zivilisierung der Außen- und
Sicherheitspolitik gemacht würden. Wir warten immer noch auf ein
unmissverständliches Nein zu jedem völkerrechts- und grundgesetzwidrigen
Bundeswehreinsatz.
Bundesausschuss Friedensratschlag
Kassel, 16. Oktober 2002
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