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Erste Bilanz der Ostermärsche 2000

Friedensbewegung im allgemeinen recht zufrieden

Die Ostermärsche in den Medien

Das zentrale Ostermarschbüro berichtete in einer Presseinformation, dass während der Ostertage an über 60 Orten Ostermärsche stattgefunden hätten. Damit habe die Friedensbewegung gezeigt, dass sie "eine in allen Regionen der Bundesrepublik aktive Basisbewegung ist. Ostermärsche bleiben ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Kultur unseres Landes." Sieht man sich die Berichterstattung in den Medien an, so wird dieser Eindruck vielfach bestätigt.

Fernsehen

In der Tagesschau war der Ostermarsch am Samstag (Bericht über München), Sonntag (Freie Heide) und Montag (Berlin) präsent. Die kurzen Szenen und Kommentare waren weder vom Bildmaterial noch von den Aussagen zu beanstanden. Gleiches gilt für das Regionalfernsehen, jedenfalls was den Hessischen Rundfunk betrifft. Der brachte am Montagabend als Spitzenmeldung einen fünfminütigen Bericht von den Ostermärschen in Kassel und Frankfurt.

Presse

Zwar erhält der Ostermarsch nicht immer einen gebührenden Platz auf den ersten Seiten der großen Zeitungen, sie werden aber in knappen Texten und zum Teil mit Bildern erwähnt, wobei vielfach auf die Pressemitteilung des Ostermarschbüros zurückgegriffen wird. Von den von mir - allerdings nicht systematisch - durchgesehenen Zeitungen am Dienstag nach Ostern (25. April), tat sich lediglich eine Zeitung aus Sachsen, die den ehrwürdigen Namen "Leipziger Volkszeitung" trägt, dadurch unrühmlich hervor, dass sie den Ostermarsch an keiner Stelle erwähnte. Die anderen Zeitungen informieren zum Teil mit den gewohnten Hinweisen auf die geringe Resonanz der Ostermärsche.
Zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung: Unter einem großen Bild (es zeigt ein Mädchen, das bei einer Zwischenkundgebung in Kassel am Mahnmal für die NS-Opfer eine Blume niederlegt) kann man u.a. lesen:
"Zu den Ostermärschen, die früher oft Massenkundgebungen für den Frieden waren, kamen in diesem Jahr nur einige tausend Menschen."

Die Frankfurter Rundschau titelt - unter einem Bild aus der Freien Heide -:
Frieden bewegt nur wenige. Ostermärsche verlieren nach Kosovo-Krieg wieder an Zulauf"
Ähnlich der Berliner "Tagesspiegel": Dessen Überschrift über einen Einspalter:
"Schwache Beteiligung an Ostermärschen"
Und dann heißt es: "Die Ostermärsche in mehreren deutschen Städten sind am Montag mit ernüchternder Beteiligung zu Ende gegangen." Und weiter wird mitgeteilt, dass demgegenüber die Organisatoren durchaus zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Ostermärsche gewesen seien, an denen sich - "nach deren Angaben an 45 Orten mehrere tausend Menschen beteiligt" hätten. Woran mag es wohl liegen, dass aus 60 Orten, wie vom Frankfurter Ostermarschbüro gemeldet, plötzlich exakt 45 Orte gemacht wurden? Auch das trägt wohl zur Ernüchterung bei - über die Seriosität der "seriösen" Presse.

Die mit dem Tagesspiegel konkurrierende "Berliner Zeitung" hält sich im politischen Teil an die Pressemeldung aus Frankfurt ("Ostermärsche in mehr als 60 deutschen Städten") und erwähnt in einer knappen Meldung (mit Bild) noch die vorübergehende Festnahme von zehn Kriegsgegnern in Stuttgart, die auf das Gelände der Europäischen Kommandozentrale der US-Streitkräfte "eingedrungen waren".

Nur für eine Zeitung, das Neue Deutschland, ist der Ostermarsch der Aufmacher auf der ersten Seite. "Friedenpolitisch aufgerüstet" habe die Friedensbewegung mit ihren Osteraktionen. Im Bericht werden ein paar Ostermärsche beispielhaft erwähnt (Berlin, Freie Heide und Offene Heide, Chemnitz, Leipzig, Kassel, Schwerin und Rostock) und die zentralen Inhalte wiedergegeben: Gegen Bundeswehr-Auslandseinsätze, gegen Waffenexporte, gegen die Krisenreaktionskräfte, gegen den Tschetschenien-Krieg usw. Das ND setzt noch einen drauf und bringt auf der Seite 3 einen ausführlichen bebilderten Bericht über den Protestmarsch in der Freien Heide sowie drei weitere Artikel über Stuttgart (die Aktion vor EUCOM), Duisburg und Dortmund.

Mehr in den Lokalteilen

In den Lokalteilen auch der großen überregionalen Zeitungen wird relativ ausführlich und weniger hämisch berichtet. Negative Ausnahme hier die Berliner Zeitung mit einem nichtssagenden Agenturbericht (!) über die Berliner Demonstration. Ansonsten fällt eine gewisse Detailversessenheit auf: Nicht die politischen Inhalte der Ostermarschreden stehen im Mittelpunkt, sondern kleine Begebenheiten am Rande der Kundgebungen werden geschildert. Wieviele bzw, wie wenige rote Fahnen oder PDS-Embleme zu sehen sind, wie die Stimmung ist (fast wie ein "Happening" erscheint dem SZ-Redakteur der Münchner Ostermarsch) und was einzelne Teilnehmer/innen sich beim Marschiere so alles denken. Doch sind die Berichte - ganz im Gegensatz zu den betont distanzierten Meldungen in den politischen Teilen der Zeitungen - mit einer gewissen Sympathie verfasst.

Fazit: Ostermarsch bleibt das Aushängeschild der Friedensbewegung

Die Ostermärsche sind nach wie vor das Ereignis der Friedensbewegung, das von den überregionalen und lokalen Medien im ganzen Land nahezu flächendeckend wahrgenommen wird. Allein schon aus diesem Grund gilt es an den Ostermärschen festzuhalten. Das Feilschen um Teilnehmerzahlen (am krassesten differieren regelmäßig die Angaben der Organisatoren und der Polizei in Berlin) ist zwar nervig und unserem Anliegen nicht angemessen, es ist aber ein Kennzeichen unseres medial vermittelten politischen Systems, dass oppositionelle linke Kräfte nicht nur an ihren Aussagen, sondern auch an den Menschen, die sie zu mobilisieren imstande sind, gemessen werden. Aber auch unabhängig davon kann es der Friedensbewegung keineswegs egal sein, ob 10.000 oder 10 Leute bei einem Ostermarsch teilnehmen. Die Friedensbewegung wird immer versuchen müssen, möglichst viele Menschen von ihren Positionen zu überzeugen und zur politischen Aktivität zu bewegen. Je besser das gelingt, desto eher kann auf die offizielle Politik Einfluss genommen werden.

Das Ostermarschbüro in Frankfurt hat über 60 Städte erfasst, in denen Ostermärsche stattfanden. Insgesamt dürften - nach Eigenangaben der Organisatoren - ca. 20.000 Menschen an ihnen teilgenommen haben. Das ist wenig, verglichen mit den Zahlen aus 1999. Das ist aber ein durchaus gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass in weniger zugespitzten Zeiten es für die Friedensbewegung immer schwer war, ihre Anliegen massenhaft auf die Straße zu tragen. In allen anderen Jahren seit dem Golfkrieg (1991) dürften die Teilnehmerzahlen an den Ostermärsche kaum höher, eher sogar niedriger gewesen sein.

Hinzu kommt dreierlei:
  1. In einigen Städten (z.B. in den neuen Bundesländern) fanden erstmals in diesem Jahr Ostermärsche statt. Das Bedürfnis der Friedesnaktivistinnen und -aktivisten, diese Form des bundesweiten dezentralen Protestes anzuwenden, scheint also noch zuzunehmen.
  2. Die reinen Teilnehmerzahlen sagen noch längst nicht alles aus über den Wirkungsgrad der Friedensbewegung. Einen Ostermarsch durchzuführen, ist ja nur der Schlusspunkt einer ganzen Reihe von Aktivitäten, die ihm vorausgehen: Diskussionen mit Friedens- und anderen Gruppen und Organisationen zur gemeinsamen Planung des Ostermarsches, die Verbreitung von Ostermarsch-Aufrufen (z.B. durch das Sammeln von Unterstützer-Unterschriften), die Durchführung örtlicher oder regionaler Pressegespräche, das Verteilen von Flugblättern, die Durchführung von Info-Ständen usw.usf. Mit all diesen Aktivitäten erreicht die Friedensbewegung in den Tagen und Wochen vor dem Ostermarsch Hunderttausende von Menschen im ganzen Land.
  3. Von 60 Ostermärschen hat das Ostermarschbüro in Frankfurt dieses Mal Kenntnis erhalten. Darüber hinaus dürfte es eine größere Zahl von Osteraktivitäten kleinerer lokaler Friedensgruppen gegeben haben, die unterhalb der Schwelle von Demonstrationen oder Kundgebungen lagen: Info-Stände, Unterschriftensammlungen, Verteilen von Friedensmaterial, Werbung für Ostermärsche in näher gelegenen Städten usw. Wertvolle Aktivitäten, die dafür sorgen, die Forderungen der Friedensbewegung in die "Fläche" zu tragen.


Ausgewählte Ostermarsch-Reden und weitere Informationen zu den Ostermärschen

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