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Göttinger Friedenspreis an IANUS verliehen

Am 9. März wurde in einer Feierstunde in der Aula der Universität Göttingen der Friedenspreis der Dr. Roland Röhl-Stiftung verliehen. Preisträger ist die kritische Naturwissenschaftlergruppe an der TU Darmstadt, die sich vor 12 Jahren gegründet hatte und den Namen IANUS trägt. IANUS steht für "Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit", erinnert aber auch an die Janusköpfigkeit von (natur-)wissenschaftlicher Forschung und Technik. Der bekannte Friedensforscher Ulrich Albrecht, Hochschullehrer an der FU Berlin und Vorsitzender der bundesdeutschen Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung-AFK zog in seiner sehr vergnüglichen Laudatio denn auch die Paralle von IANUS zum altrömischen doppelgesichtigen Gott Janus.

Wer ist IANUS?

In ihrer Gründungsphase konzentrierte sich IANUS auf naturwissenschaftlich begründete Beiträge zu Fragen der (Ab-)Rüstungskontrolle, der Nichtverbreitung von Atomwaffen sowie der Abrüstung von biologischen und chemischen Waffen. Hinzu kamen Untersuchungen über die bestimmenden Faktoren der Rüstungsdynamik (politisch-gesellschaftliche, aber auch technologische), die Problematik der zivil-militärischen Ambivalenz von Wissenschaft und Technik oder verantwortungsvolle ("nachhaltige") Energieversorgungssysteme der Zukunft. Die Friedensbewegung profitiert von der Expertise der Darmstädter Gruppe, indem sie sich ihrer Studien, Gutachten usw. bedient, um in der friedens- und abrüstungspolitischen Diskussion argumentativ gewappnet zu sein. IANUS-Mitarbeiter sind z.B. immer wieder gern gesehene Gäste und Referenten bei den "Friedensratschlägen" in Kassel. In einer längeren Stellungnahme, die während der Preisverleihung von Wolfgang Liebert im Namen der Gruppe vorgetragen wurde, wird auf die gegenwärtigen Schwerpunkte hingewiesen.

Abrüstung:
Zum Beispiel Nuklearwaffen. "Einerseits bestehen Staaten auf ihrem souveränen Recht auf Besitz und Fortentwicklung von Kernwaffen und fortgeschriebenen Einsatzdoktrinen, andererseits fordert die überwiegende Mehrheit der Staatengemeinschaft eine Einlösung der alten Versprechen zur vollständigen nuklearen Abrüstung ein. Gleichzeitig - und dadurch mit angetrieben - ist die Weiterverbreitungsgefahr keineswegs gebannt. Neben einer Bemühung um Denuklearisierung weiter Regionen der Welt steht eine neue Nuklearisierung anderer Regionen, wie die Entwicklung in Indien und Pakistan in dramatischer Weise belegen." IANUS hat beispielsweise an der Erarbeitung eines Entwurfs für eine Nuklearwaffenkonvention mitgewirkt, die zur Zeit in den Vereinten Nationen zirkuliert. Tätig ist die Gruppe auch bezüglich des Münchner Forschungsreaktors FRM-II (in Garching), der nach dem Willen des Betreibers und der bayerischen Staatsregierung mit waffenfähigem Brennstoff betrieben werden soll, nach den Vorschlägen von IANUS und anderen Kritikern aber auf die Verwendung von niedrigangereichertem (und damit nicht waffenfähigem) Uran umgestellt werden soll. (Vgl. hierzu auch Bundesausschuss Friedensratschlag: Friedens-Memorandum 2000, S. 30)

Präventive Rüstungskontrolle:
Präventive Rüstungskontrolle wird der alten, klassischen "Rüstungskontrolle" aus der Zeit des Kalten Kriegs gegenübergestellt, die ja eher eine Art Rüstungsbegrenzung auf relativ hohem Niveau war. Präventive Rüstungskontrolle muss auch die Technologiedynamik einbeziehen. "Insbesondere muss endlich die qualitative militärische Fortentwicklung in den Griff bekommen werden, denn zunehmend überholt die technische Fortentwicklung die Durchgriffskraft politischer Regelungen. Technologisch determinierte Rüstungswettläufe können nur unterbunden werden, wenn eine vorausschauende Analyse erfolgen kann und Eingriffsmöglichkeiten frühzeitig diskutiert werden."

Ambivalenz und dual-use:
"War es früher in der Forschungspolitik der Bundesrepublik Deutschland der Versuch, verdeckt und intransparent bei vergleichsweise kleineren Rüstungsforschungsetats militärisch relevante Projekte über Umwegfinanzierungen und unter Nutzung einer breiter angelegten Grundlagenforschung zu stärken, so gibt es heute in der westlichen Hemisphäre weit verbreitete Bemühungen, mit dem Argument der Kostenersparnis eine frühzeitige Parallelität von zivilen und militärischen Entwicklungslinien und Techniknutzungskonzepten zu erzeugen. Damit werden neue, zivil-militärisch ambivalente Grauzonen im Forschungs- und Technologiebereich erzeugt, die genauer analysiert werden müssen ..."

Prospektive Technikfolgenabschätzung:
Hier geht es darum, die traditionelle Technikfolgenabschätzung, die häufig nur nachsorgend angelegt ist, durch einen problemorientierten, vorausschauenden Ansatz zu überwinden, d.h. schon in den Entstehungsprozess von Technik einzugreifen. Nur so könnten "technikfixierte Verkürzungen" vermieden werden.

Technikbedingte Konflikte:
Es gibt zahlreiche gesellschaftliche Konflikte, die durch moderne Technologien mitversursacht sind oder durch diese qualitativ verändert wurden. Es gebe ein "komplexes Ineinander von gesellschaftsbestimmter Technik- und Wissenschaftsentwicklung und technikbedingter Gesellschaftsentwicklung und - unter Hinzunahme der ökologischen Dimension - von gesellschaftlichen Naturverhältnissen und naturabhängigen Gesellschaftsverhältnissen." Gesucht werden kooperative Lösungen technikbedingter Konflikte. Dies setzt voraus die theoretische Klärung von Konfliktursachen, Konfliktkonstellation und Konfliktdynamik. Dabei müssten alle Konfliktpartner einbezogen werden. IANUS würde als eine Art "Moderator" fungieren.

Zum Göttinger Friedenspreis:
Der Göttinger Friedenspreis wurde 1999 zum ersten Mal vergeben (Preisträger: Dieter Senghaas). Der jährlich ausgelobte Preis ist mit 10.000 DM dotiert und erinnert an den Göttinger Wissenschaftsjournalisten Dr. Roland Röhl. R. Röhl war 1997 an Krebs gestorben und hatte in seinem Testament verfügt, dass sein Nachlass für die Bildung des Stiftungsvermögens verwendet wird. R. Röhl war promovierter Chemiker und hatte als Forschungsstipendiat unter dem Nobelpreisträger Prof. Manfred Eigen gearbitet. Als Journalist befasste er sich vor allem mit Fragen der Sicherheitspolitik sowie der Konflikt- und Friedensforschung. So war er auch der Friedensbewegung sehr verbunden.

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