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Veto gegen "Keystone XL"

Teersand gegen Schieferöl, oder Interesse an Klima- und Umweltschutz? US-Präsident stoppt Pipelinebau und legt sich mit Kongress und Teilen der Lobby an

Von Dieter Schubert *

Der Streit um den Bau der Ölleitung »Keystone XL« tritt in eine neue Phase. Wie zuvor angekündigt legte US-Präsident Barack Obama sein Veto gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz ein und übermittelte diesem die Entscheidung am Dienstag (Ortszeit). Beide Kammern des Kongresses hatten zuvor beschlossen, dass für die Pipeline nicht alle regierungsamtlichen Prüfverfahren abgewartet werden müssen, sondern sofort mit dem Bau begonnen werden kann. Am 13. Februar hatte der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, das Keystone-Gesetz unterzeichnet. Um dies mit einem Präsidentenveto zu stoppen, hatte das Weiße Haus zehn Wochentage Zeit.

Der Kongress habe das »bewährte Verfahren« aushebeln wollen, mit dem seine Regierung prüfe, ob die Pipeline im Interesse der USA sei, schrieb der Präsident zur Begründung. Mit seinem Einspruch verhindert Obama vorerst, dass Pipelinebetreiber »Trans Canada« sofort mit den Arbeiten beginnen kann.

Die Reaktion auf Obamas Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Umgehend erklärte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitchell McConnell, diese Parlamentskammer werde das Präsidentenveto bereits am 3. März überstimmen. Das bedarf jedoch einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus, deren Zustandekommen Beobachter für unwahrscheinlich halten. Obwohl die Republikaner in beiden Kongresskammern in der Mehrheit sind, wären sie dennoch auf zahlreiche »Abweichler« aus den Reihen der Demokratischen Partei des Präsidenten angewiesen, um dessen Veto auszuhebeln. Danach sieht es offenbar derzeit nicht aus.

Das Projekt hat durchaus Dimensionen angenommen, die die üblicherweise geforderte Parteiloyalität der Abgeordneten in den Hintergrund drängen. Es geht zunächst um die Verarbeitung von Teersand. Keystone XL soll von der kanadischen Provinz Alberta, in der die weltweit größten Lagerstätten des Rohstoffs erschlossen worden sind, über insgesamt 1.900 Kilometer bis zu den Raffinerien im US-Bundesstaat Texas führen. Die Gewinnung von Öl aus Teersand gilt umweltpolitisch als besonders risikoreich. Umweltschützer warnen sowohl vor den Folgen möglicher Lecks in der Pipeline wie auch vor den bei der Verarbeitung entstehenden Treibhausgasen. Denn deren Menge ist deutlich höher als bei der Verarbeitung herkömmlichen Erdöls.

Und dann gibt es noch die Interessen der Fracking-Branche. Die Unternehmen der Schieferölförderung galten bis vor wenigen Wochen als Garanten für die Energieautonomie der USA und sind Unterpfand für deren Rolle als weltweit führender Ölproduzent. Die seit Sommer vergangenen Jahres deutlich gesunkenen Weltmarktpreise aber haben das »Zukunftsmodell« bereits in Schwierigkeiten gebracht. Die bei der Förderung von Schieferöl mittels der Frackingmethode anfallenden relativ hohen Kosten rentieren sich bei Preisen unter 50 US-Dollar pro Fass (159 Liter) vielerorts nicht. Da braucht es nicht auch noch die Konkurrenz durch nicht gerade billiges Öl aus kanadischem »Sand«.

Natürlich thematisieren das weder die Befürworter noch die Gegner der Keystone-Leitung. Die einen – politisch angeführt von der republikanischen Kongressmehrheit – tun so, als sei durch Umweltschutz und klimaschonende Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der USA bedroht. Obama und dessen Regierung hingegen plädieren schon immer für Mindeststandards. Nicht zuletzt wurden auch mit umweltpolitischen Versprechen zweimal die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Zudem geht es auch darum, wer welchen Machtbefugnisse für sich reklamieren kann – denn das Keystone-Projekt ist wegen des Ausgangspunktes Kanada keine rein nationale Angelegenheit.

Die Republikaner instrumentalisierten das nicht nur als Beweis einer wirtschaftsfeindlichen Politik der Demokratischen Partei. Vor allem rührten sie die Trommel wegen der Arbeitsplätze, die beim Bau der Leitung entstehen würden – 42.000 sollen es angeblich sein. Nach ihrem Sieg bei den Zwischenwahlen im November, der ihnen auch die Mehrheit im bislang von Demokraten dominierten Senat einbrachte, hatten sie das Gesetz zum sofortigen Bau der Pipeline zu einer ihrer Prioritäten vor der Präsidentschaftswahl 2016 erklärt. (Quellen: dpa, AFP, Deutsche Welle)

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. Februar 2015


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