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Nix los in Monterey

Schieferölblase ausgeblubbert: US-Energieagentur senkt Prognose beim bislang als größtes Vorkommen bezeichneten Feld in Kalifornien um 96 Prozent

Von Rainer Rupp *

Mittwoch war nicht nur ein schwarzer Tag für Kalifornien, sondern für die USA insgesamt. Den strategischen Träumen vom übermächtigen Öl-und Gasförderer folgte ein weiteres böses Erwachen. Die Vereinigten Staaten sind von der zuletzt oft beschworenen Energieunabhängigkeit offenbar ebensoweit entfernt, wie von der Wiederauferstehung boomender Industrielandschaften. Dabei hatte man zuletzt sogar den Westeuropäern versprochen, sie mit Gas und Öl versorgen zu können. Keine Abhängigkeit von den Russen mehr, so die Botschaft. Doch nun hat die US-Energieinformationsagentur (EIA) eine schlechte Nachricht für alle Uncle-Sam-Versteher: Die Einschätzung der Reserven im Monterey-Schieferölfeld wurden drastisch nach unten revidiert. Bis Mitte der Woche noch galt als gesichert, daß dieses Feld knapp zwei Drittel der technisch förderbaren US-Ölreserven enthielte.

Stolz hatten US-Medien Monterey in den vergangenen Jahren gefeiert. 2,8 Millionen neue Arbeitsplätze und 24,6 Milliarden Dollar zusätzlicher Steuereinnahmen allein für den wirtschaftlich stärksten US-Bundesstaat wurden versprochen. Im Zug einer kritischen Neubewertung der Daten sind noch ganze vier Prozent als – zu heutigen Preisen – technisch förderbar beschrieben worden: Von ursprünglich prognostizierten 13,6 Milliarden Faß (Barrel; je 159 Liter) 600 Millionen.

»Nicht alle Reserven sind gleich«, erklärte EIA-Mitarbeiter Adam Sieminski der Financial Times und dem Informationsdienst Energy Intelligence Oil & Gas am Mittwoch in New York. Es habe sich als viel schwieriger erwiesen als bisher angenommen, »diese Reserven aus dem Boden zu fracken«. In dem durch viele Erdbeben und Verschiebungen der Erdplatten geologisch labilen Kalifornien sei die Fördermethode nur selten geeignet, dem Boden das schwarze Gold zu entreißen. Zudem ist Fracking nicht nur sehr teuer, sondern stellt auch eine enorme Belastung für Infrastruktur und Umwelt dar. Besonders die verwendeten hochgiftigen Chemikalien, die unter hohem Druck in den Boden gepumpt werden, sind ein Problem. Auch geht die Gewinnung von Schieferöl mit einem gewaltigen Wasserbedarf einher. Wegen der nicht seltenen Trockenperioden im ganzen Südwesten der USA ist das ein weiteres Handicap für die Förderung.

Fragt sich nun, warum die staatliche EIA bei ihren Ölreserveschätzungen für die Monterey-Formation so falsch gelegen hat. Die Antwort darauf gibt Chris Martenson, Analyst der Öl- und Gasindustrie bei Peak Prosperity. Die EIA habe sich voll und ganz auf die technischen Angaben der privaten Ingenieurs- und Public Relationsfirma Intek Inc. verlassen. Die hatte die ersten Messungen vorgenommen und war dann von interessierten Kreisen dafür bezahlt worden, Monterey als riesige und profitable Öl-Bonanza zu vermarkten.

Wie so oft bei »profitablen Entdeckungen« handelt es sich auch in diesem Fall um legalen Betrug. Das große Geschäft wurde nämlich nicht mit der Ölförderung gemacht, sondern mit den Milliarden von Dollar, die den neu aus dem Boden gestampften Explorationsfirmen von Investoren in der Hoffnung auf Riesengewinne als Risikokapital oder als Anleihen geradezu aufgedrängt wurden.

Das gerade drei Jahre alte, so gut wie unbekannte Gas- und Ölunternehmen Rice Energy Inc. ist ein aktuelles Beispiel dafür, daß die US-Anleger angesichts der Nullzinspolitik ihrer Notenbank Fed so versessen auf Profite sind, daß sie jede Vorsicht zum Schutz ihrer Anlagen verloren haben. Seit seiner Gründung vor drei Jahren hat Rice Energy nur Geld verloren und insgesamt weniger als 50 Bohrlöcher niedergebracht. Jede dieser Bohrungen war geschickt nach einem US-Superhelden oder einem Monstertruck benannt worden. Da spielte es kaum eine Rolle, daß die Fördermenge kläglich war. Auch für 2014 hatte Rice Energy prognostiziert, daß es für jeden Dollar, den es verdient, 4,09 Dollar ausgeben werde. Dennoch ist es der Firma diesen Monat gelungen, innerhalb von nur drei Tagen gutverzinste Anleihen im Volumen von 900 Millionen Dollar am US-Finanzmarkt zu plazieren, 150 Millionen Dollar mehr als die Firma ursprünglich wollte.

Jeder scheint versessen, ein Stück vom Fracking-Kuchen zu bekommen. Analysten der britischen Barclays Bank weisen darauf hin, daß sich seit Ende 2004 das Volumen der Anleihen von zweifelhaften Explorations- und Produktionsunternehmen aus der Fracking-Branche verneunfacht hat. Das hält offensichtlich die »Fracking-Revolution« am Leben, denn die Unternehmen können weiterhin Geld schneller ausgeben, als sie es einnehmen. Man darf gespannt sein, ob nach dem Monterey-Desaster eine Ernüchterung einsetzen wird – und wie viele maßlose Übertreibungen auch in den übrigen Fracking-Prognosen stecken.

* Aus: junge Welt, Samstag, 24. Mai 2014


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