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Tiefseebergbau vor Gericht

UN-Seegerichtshof in Hamburg fällt Urteil über Haftung

Von Hermannus Pfeiffer *

Das UN-Seegericht in Hamburg fällte am Dienstag (1. Feb.) ein Urteil, das zumindest für zwei Drittel der Erde richtungweisend ist.

So groß ist nämlich die Fläche, welche die Ozeane auf unserem Planeten bedeckt. In durchschnittlich 4000 Meter Tiefe ruht das »gemeinsame Erbe der Menschheit«, bislang weitgehend unbehelligt. Noch, denn nicht allein Erdöl und Gas, sondern auch grundlegende Industrierohstoffe liegen tief im Meeresboden geborgen. Staaten und Konzerne streiten um die billionenschwere Erbschaft. Der Internationale Seegerichtshof (ITLOS) entschied nun, dass Energie- und Bergbaukonzerne zukünftig in vollem Umfange haften. Sie können ihre Verantwortung nicht mehr durch eine clevere Vertragsgestaltung auf Entwicklungs- und Schwellenländer abladen.

Begonnen hat der Streit um die Tiefsee vor zwei Jahren. Seither ragt unter dem Nordpol in vier Kilometern Tiefe eine metallene russische Flagge aus dem Untergrund. Russland will damit seinen Anspruch auf einen Großteil der Arktis und auf dessen Rohstoffe signalisieren. Ähnliche Ansprüche erheben Norwegen, Kanada und die USA. Auch Berlin bemüht sich um politischen Einfluss auf die Auseinandersetzung um die Arktis.

Aber die Arktis bildet nur die Spitze des Eisberges. In erster Linie geht es weltweit zunächst um die Förderung von Erdöl und Erdgas aus der Tiefsee. Bislang stammt erst ein Viertel der Öl-Förderung aus dem Meer. Doch wie im US-amerikanischen Golf von Mexiko, wo im April die Ölbohrplattform «Deepwater Horizon« unterging, wird bislang meist noch in Küstenregionen gefördert. Der Trend zielt jedoch immer weiter hinaus auf die hohe See. Und in deren Tiefen ruhen noch ganz andere Schätze. Geologen rechnen beispielsweise damit, dass über 10 000 Gigatonnen Methanhydrat als eisartige Brocken im Atlantik und Indischen Ozean lagern. Abgebaut könnten sie doppelt soviel Energie ergeben wie alle heute verfügbaren Lagerstätten von Kohle, Öl und Gas zusammen.

Im Pazifik ruhen tief am Meeresgrund derweil noch Manganknollen. Die kleinen, schwarzbraunen Brocken enthalten neben Mangan- und Eisenverbindungen wertvolle Industriemetalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt. Die Bundesrepublik hat, wie andere Industriestaaten auch, vor Hawaii einen Claim abgesteckt, größer als Bayern. Doch die Schatztruhe »Meer« weckt auch in anderen Staaten und in vielen Konzernen Begehrlichkeiten. Über eine solche Begehrlichkeit entschied nun der UN-Seegerichtshof: Vor der Pazifikküste des Inselstaates Nauru will der kanadische Bergbaukonzern Nautilus Minerals in 5000 Metern Wassertiefe Manganknollen abernten. Die »Internationale Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten« unter dem italienischen Richter Tullio Treves entschied gegen den Konzern und überraschenderweise auch gegen die Republik Nauru.

Demnach haftet Nautilus Minerals in jedem Fall, selbst wenn der Vertrag mit Nauru einen Haftungsausschluss vorsieht. So kann sich die Republik auch nicht einfach mit einer üppig entlohnten Freikarten-Konzession aus der Verantwortung stehlen, sondern muss sicherstellen, dass der Bergbaukonzern die Regeln des internationalen Seerechts etwa zum Umweltschutz einhält. Sind seine Gesetze zu löcherig oder die Aufsicht zu nachlässig, haftet das Inselreich für Schäden mit. Dieser Grundsatz gilt nun für alle 148 Staaten, die das internationale Seerecht anerkennen. Es fehlt die USA. Die Vereinigten Staaten sollen bereits 13 Konzessionen nach amerikanischem Recht vergeben haben. Der Streit um die Tiefsee geht weiter.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Februar 2011

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