Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Sorge um den Ölpreis

Iran-Sanktionen könnten die Krise in Südeuropa verschärfen. Unkonventionelles Erdgas scheint keine Lösung zu sein

Von Wolfgang Pomrehn *

Wie lange reicht das Öl noch? Erstaunlich nervös klingt eine Erklärung, die die G-8-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche auf ihrem diesjährigen Gipfel abgegeben haben. Auf den ersten Blick verwundert das. Immerhin sind die Preise zuletzt wieder gesunken. Ein Kontrakt für die Lieferung eines Barrels der US-Standardsorte WTI im Juli kostet derzeit an der New Yorker Börse rund 93 US-Dollar. Für die Sorte Brent, die in Europa den Standard darstellt und in der Nordsee gefördert wird, müssen knapp 109 US-Dollar auf den Tisch gelegt werden. Das ist deutlich weniger als noch vor einigen Wochen, aber für die Europäer immer noch viel. Einerseits öffnet sich seit zwei Jahren eine erstaunliche Schere zwischen den annähernd gleichwertigen Standardsorten, und andererseits verteuert sich durch den Kursverlust des Euros das Öl.

Um so mehr verwundert es, daß vor allem die US-Regierung wegen des Ölpreises Alarm schlägt und die G-8-Partner drängt, ihn gegebenenfalls mittels Öffnung der strategischen Reserven zu drücken. Das, so Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, am Montag abend auf einer Podiumsdiskussion in Berlin, macht eigentlich überhaupt keinen Sinn. Wenn die G-8-Staaten Öl aus ihren Notreserven auf den Markt pumpen, dann würde das die Händler eher nervös machen und den Preis nach oben treiben. Offensichtlich hätten die USA »etwas« mit dem Iran vor, anders sei der etwaige Rückgriff auf die Reserven nicht zu erklären.

Dabei sei es keine Frage, daß ein hoher Ölpreis für die Volkswirtschaften Gift sei, so Kemfert. Deshalb muß diese Abhängigkeit langfristig aufgehoben und müssen erneuerbare Energieträger erschlossen werden. Um so bemerkenswerter ist es allerdings, daß die westliche Allianz bei ihrem Säbelrasseln gegen den Iran ein Spiel mit diesem Giftschrank in Kauf nimmt. Leidtragende dürften vor allem die südeuropäischen Sorgenkinder der EU sein. Deren Außenhandelsbilanz ist ohnehin schon durch die teuren Öleinfuhren stark belastet. Eine weitere Preissteigerung könne die Krise eigentlich nur verschärfen.

Ungemach droht allerdings nicht nur von den Kriegsspielen der NATO. Neben politischen Einflüssen und Konflikten, die die Förderung in dem einen oder anderen Land zeitweise drosseln können, könnte sich das Öl aus einem anderem Grund verknappen. Die förderbaren Reserven sind offensichtlich inzwischen im wesentlichen erschlossen. Es wird immer schwieriger, neue Felder zu finden. Meldungen von Funden gibt es zwar regelmäßig, aber die Vorkommen sind meist klein. Schon seit den 1980er Jahren übersteigt der jährliche Verbrauch regelmäßig und deutlich den Ertrag der jeweils neu erschlossenen Felder. Daß derzeit der Ölpreis trotz humpelnder Konjunktur in Nordamerika, Japan und Westeuropa um die 100 US-Dollar pro 159-Liter-Faß pendelt, ist ein deutliches Zeichen für beginnende Verknappung. In allen vorherigen Krisen der letzten vier Jahrzehnte gingen die Energiepreise nämlich aufgrund der Nachfrageeinbrüche jeweils in die Knie.

Entsprechend gibt es bereits seit einer ganzen Reihe von Jahren eine lebhafte Debatte darüber, wann das Maximum der globalen Ölförderung, der sogenannte Peak Oil, erreicht sein wird. Dieses Datum ist insofern von Interesse, da von diesem Punkt an Angebot und Nachfrage auseinanderklaffen und die Preise immer weiter nach oben klettern werden. Zumindest, so lange die Weltwirtschaft sich nicht aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreit.

Schon vor zwölf Jahren hat sich in den USA eine Gesellschaft zum Studium des Peak Oils, auf Englisch ASPO abgekürzt, gegründet. Auch in Deutschland gibt es einen ASPO-Ableger, der sich am Montag zu seiner Jahrestagung in Berlin traf. Im Zentrum der Diskussionen stand in diesem Jahr die Frage, ob sogenanntes unkonventionelles Erdgas die Rettung bringen könnte, ob also neue Gasvorkommen die Lücke in der Versorgung schließen können, welche die sich leerenden Erdölfelder aufreißen. Die meisten Teilnehmer und Referenten waren skeptisch. Viel zu hoher Aufwand, bedenkliche Auswirkungen für die Umwelt und letztlich zu geringer Ertrag, meint etwa Rolf Kreibich, Wissenschaftlicher Direktor des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Als unkonventionelles Erdgas werden Lagerstätten bezeichnet, die nicht aus großen Einschlüssen bestehen, die einfach nur angebohrt und abgelassen werden müssen. Vielmehr gibt es offensichtlich auch zahlreiche und in der Summe sogar größere Vorkommen, in denen das Erdgas in kleinen Kammern im Gestein eingeschlossen ist. Diese sind nur zu erschließen, wenn das Gestein durch mechanischen Druck aufgebrochen wird. Fracking wird diese Methode genannt, bei der unter hohem Druck Wasser und ein Gemisch an Chemikalien in den Boden gepreßt wird. In den USA hat sich diese Methode in den letzten Jahren weit verbreitet und einen neuen Erdgasboom ausgelöst. In der Bevölkerung gibt es aber inzwischen einige Widerstände, denn in einigen Förderregionen wurde bereits Verschmutzung des Trinkwassers festgestellt. Auch hierzulande gibt es die ersten Pläne und auch bereits örtliche Bürgerinitiativen, die sich dagegen formieren.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 23. Mai 2012


Zurück zur Seite "Erdöl, Erdgas und andere Ressourcen"

Zur Iran-Seite

Zur Seite "Sanktionen, Embargo"

Zurück zur Homepage