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Wettlauf um die Rohstoffe

Deutsche Industrie läuft Chinas Konzernen hinterher

Von Knut Henkel *

Weltweit sputen sich die Industrie und Schwellenländer, um die langfristige Versorgung mit Rohstoffen wie Kupfer, Nickel, Indium und Gallium sicherzustellen. Besonders energisch geht China dabei vor. Doch auch die deutsche Industrie will den Anschluss nicht verpassen.

Zijin Mining, Chinalco, Delong Iron oder Yanzhou Coal heißen die neuen Big Player auf dem internationalen Markt für Industriemetalle und fossile Energieträger. Dabei sind die chinesischen Konzerne nicht nur im Reich der Mitte aktiv, sondern haben sich längst auf dem afrikanischen Kontinent den Zugriff auf zahlreiche Industriemetalle, die für Hightech-Produkte nötig sind, gesichert. Und in Lateinamerika. werden Nickel aus Kuba, Kupfer und Blei aus Peru sowie Kohle aus Kolumbien bereits en Gros nach China geschippert. Langfristige Verträge oder der direkte Abbau unter chinesischer Regie sichern die langfristige Rohstoffversorgung.

Dank des Agierens rund um den Globus hält China mehr und mehr den Daumen auf Rohstoffen, klagt die Konkurrenz. Darunter neben den USA und Japan, denen ebenfalls eine wenig zimperliche Politik bei der Rohstoffsicherung nachgesagt wird, auch die Europäer. Abgesehen von Baustoffen werden in der EU 70 bis 90 Prozent aller Werkstoffe importiert. Besonders düster sieht es aus bei Industriemetallen und den »seltenen Erden« - neuen, besonders knappen Werkstoffen, die für die Produktion von Mobiltelefonen, Brennstoffzellen, Akkus und Co. benötigt werden. Rund drei Dutzend Rohstoffe wie Lithium, Tantal, Kobalt oder Antimon verstecken sich in den immer leistungsfähiger werdenden Handys - und es wird zunehmend schwierig, diese seltenen Metalle zu bekommen.

»Die Zunahme der staatlichen Interventionen im Rohstoffbereich bereitet uns Sorgen«, ist denn auch vom Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, zu hören. Der Ruf aus der Wirtschaft an die Politik wird in Europa lauter. Bereits im Juni fand in Madrid die »European Minerals Conference« statt, auf der die Industrie an die EU-Politiker appellierte, für einen fairen internationalen Wettbewerb zu sorgen. Sie solle die Welthandelsorganisation (WTO) einschalten und auch in bilateralen Gesprächen auf unfaire Handelspraktiken aufmerksam machen.

Dazu zählt aus EU-Perspektive die chinesische Politik, sich weltweit Schürfrechte in Entwicklungsländern zu sichern und den betreffenden Ländern im Gegenzug Infrastrukturprojekte und Kredite zuzusichern. In Afrika erhalten bereits 35 Staaten chinesische Gelder. »Auch für deutsche Unternehmen sind die Chinesen eine harte Konkurrenz«, erklärt Manfred Schmidt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). In Lateinamerika versuchen deutsche Maschinenbauer, mit Ausrüstung und Equipment für Bergbaukonzerne Fuß zu fassen. Aber es geht der Industrie auch darum, Kontakte zu knüpfen Dazu hat die deutsche Botschaft in Lima die »Canasta Tecnológica Alemana« - soviel wie »Deutscher Hochtechnologie-Einkaufskorb« - aus der Taufe gehoben. Ziel ist es, im Bergbauboomland Peru bei der Belieferung mit Erzen, Kupfer und Co. langfristig Vorteile zu haben. »Da deutsche Unternehmen den Bergbau im Ausland Ende der 90er Jahre einstellten, ist das ein wichtiger alternativer Ansatz«, so VDMA-Mann Manfred Schmidt.

Ein anderer Modell, das derzeit im Bundeswirtschaftsministerium diskutiert wird, ist jenes der »Rohstoffpartnerschaften mit Entwicklungsländern«. Dabei will man diesen bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften helfen, um den Zugang zu Metallen und seltenen Erden zu erhalten. Obendrein wurde nun eine »Deutsche Rohstoffagentur« ins Leben gerufen, um die Unternehmen mit Informationen zum Rohstoffmarkt zu versorgen. Im Gespräch ist schließlich auch der Wiedereinstieg der deutschen Industrie in den Bergbau, um die Versorgung mit den benötigten Rohstoffen zu gewährleisten.

Beim Wettlauf um die Rohstoffe, fällt ein Thema bisher völlig unter den Tisch: die Arbeitsbedingungen in der Branche.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2010


Brüderle gibt Startschuss für Deutsche Rohstoffagentur

Pressemitteilung, 4.10.2010

Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, hat heute die Deutsche Rohstoffagentur ins Leben gerufen. Den Startschuss gab der Minister anlässlich eines Besuchs bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Die neue Agentur wird in der BGR angesiedelt und kann auf die gesamte dort bereits verfügbare Expertise in geowissenschaftlichen und rohstoffwirtschaftlichen Fragen zurückgreifen.

Bundeswirtschaftsminister Brüderle: "Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe am Standort des Geozentrums Hannover bietet ideale Voraussetzungen für die Deutsche Rohstoffagentur. Über viele Jahrzehnte hat sie eine besondere wissenschaftliche Rohstoffexpertise aufgebaut. Sie ist mit allen internationalen Einrichtungen auf diesem Gebiet hervorragend vernetzt. Mit der neuen Rohstoffagentur werden die Kompetenzen bei der Rohstoffberatung weiter gebündelt. Ich bin mir sicher, dass dieser Schritt ein wichtiger Beitrag ist, um den Industriestandort Deutschland nachhaltig zu sichern."

Die Deutsche Rohstoffagentur wird als eine neue organisatorische Sondereinheit in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe agieren. Die bisher bereits bestehende rohstoffwirtschaftliche Beratungstätigkeit der Bundesanstalt für die Bundesregierung wird in die neue Rohstoffagentur integriert. Die Rohstoffagentur wird insbesondere folgende Aufgaben wahrnehmen:
  1. Aufbau eines Rohstoffinformationssystems: Damit soll die Transparenz auf den Rohstoffmärkten erhöht werden. So erhält die deutsche Wirtschaft eine bessere Entscheidungsgrundlage für ihre Bemühungen zur Rohstoffsicherung.
  2. Kundenspezifische Beratung und Unterstützung von Unternehmen und Unternehmensverbänden: Insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen sollen unterstützt werden, ihre Rohstoffversorgungsrisiken zu senken, Rohstoff-Bezugsquellen zu diversifizieren, Beteiligungen an Explorations- oder Rohstoffgewinnungsprojekten zu erwerben und effiziente Verfahren bei der Rohstoffgewinnung und Rohstoffverarbeitung anzuwenden.
  3. Fachliche Unterstützung der Bundesregierung bei der Einrichtung und Durchführung von Förderprogrammen auf den Gebieten der Rohstofferkundung, der Rohstoffgewinnung sowie der Rohstoff- und Materialeffizienz; hierzu gehört auch die fachliche Bewertung von Anträgen auf Garantien für Ungebundene Finanzkredite für Rohstoffvorhaben.
  4. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Vorfeld der Industrie: Neue Rohstoffpotentiale sollen untersucht sowie neue rohstoff- und bergwirtschaftliche Instrumente und Methoden entwickelt werden.
  5. Kooperation mit rohstoffreichen Ländern: Die Rohstoffagentur wird Kontakte aufnehmen und rohstoffwirtschaftliche Kooperationen anstreben. Bei der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern wird die Rohstoffagentur in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit der nachhaltigen Nutzung der jeweiligen Rohstoffpotentiale besondere Bedeutung beimessen.
Darüber hinaus wird die Deutsche Rohstoffagentur in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen Diensten der Bundesländer in den kommenden Jahren das Potential der Erdgasgewinnung aus Tongesteinen (sog. "Shale Gas") in Deutschland analysieren. In Verbindung mit der Entwicklung umweltfreundlicher Gewinnungsmethoden könnte Erdgas aus Tongesteinen einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung Deutschlands leisten.

Die BGR wurde im Jahr 1958 vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard gegründet. Sie ist die zentrale Beratungseinrichtung des Bundes auf dem Gebiet der Geowissenschaften und Rohstoffe. Die BGR verfügt über ein breites Aufgabenspektrum, das von der Atomteststoppverifikation über die Endlagerung radioaktiver Abfälle bis zu Fragen der Grundwassernutzung und des Bodenschutzes reicht. Für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist die Bundesanstalt Trägerorganisation für die Technische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in geowissenschaftlichen Fragen.

Quelle: Website des Wirtschaftsministeriums, 4. Oktober 2010; www.bmwi.de




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