Zwielichtige Ölgeschäfte
Streit in Kiel um Förderrechte im Wattenmeer
Von Dieter Hanisch, Kiel *
Die Verlängerung einer Konzession zur Tiefseeölbohrung im Nationalpark
Wattenmeer für RWE/Dea fand jetzt ein Nachspiel im Landtag von
Schleswig-Holstein. Das Parlament war zum Zeitpunkt der Verlängerung
nicht über den Vorgang informiert.
Nachlässigkeit oder bewusste Nichtinformation? Was Schleswig-Holsteins
Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) als eine eher belanglose
»Kommunikationspanne« in seinem Ministerium darstellt, ärgerte die
gesamte Opposition im Kieler Landtag so sehr, dass sie jetzt einen
Missbilligungsantrag der Grünen-Fraktion gegen de Jager unterstützte,
damit aber an CDU und FDP scheiterte.
Es geht um die Erdölförderung in der Nordsee. Diese hat viele Kritiker,
sie verweisen ganz aktuell unter anderem auf die Ölkatastrophe im Golf
von Mexiko und generell auf die Tatsache, dass in den letztlich
begrenzten fossilen Rohstoffen keine energiepolitische Zukunft mehr
liegt. Doch just zum 25. Geburtstag der Deklaration des Naturparks
Wattenmeer – seit dem vergangenen Jahr auch offiziell als Weltnaturerbe
anerkannt – hat das Bergbauamt in Hannover dem Energiekonzern RWE/Dea
die Erlaubnis erteilt, auch weiterhin Öl von der Mittelplate-Bohrinsel
aus dem Watt zu fördern – bis ins Jahr 2041. Die Plattform auf einer
Sandbank vor der Meldorfer Bucht ist Deutschlands größte Ölförderanlage,
seit 1987 wird dort gefördert.
Angst vor Protesten
Die Genehmigungsbehörde in Niedersachsen wollte zunächst nur bis ins
Jahr 2022 grünes Licht geben. Doch dann machte sich ein Abteilungsleiter
aus de Jagers Ministerium, der auch im Beirat der Tochtergesellschaft
RWE Innogy sitzt, unter Hinweis auf künftig zu befürchtende Ökoproteste
für eine Genehmigungslaufzeit bis 2041 stark. Während de Jager im Mai
vor dem Landtag noch von einer beabsichtigten Konzessionsverlängerung
sprach, war diese bereits elf Tage zuvor erteilt worden. Wie sich
herausstellte, wurde das Umweltministerium in Kiel überhaupt nicht an
dem Genehmigungsverfahren beteiligt. Selbst FDP-Fraktionschef Wolfgang
Kubicki tadelt den Koalitionspartner. Dass ein Mitarbeiter, der im
Beirat des betreffenden Unternehmens sitzt, solche Entscheidungen zu
treffen hat, sei »suboptimal«.
Aus Sicht der Linksfraktion werden Wirtschaftsinteressen vor den
Umweltschutz gestellt, sie forderte in der jüngsten Parlamentsdebatte,
die Genehmigung wieder zurückzunehmen. Für den Südschleswigschen
Wählerverband (SSW) stellte Flemming Meyer fest: »Industrieanlagen wie
die Mittelplate haben im Nationalpark Wattenmeer genauso wenig zu suchen
wie eine Chemiefabrik auf einem Kinderspielplatz.« Greenpeace hatte sich
bereits vor Monaten zu Wort gemeldet und darauf hingewiesen, dass es
jederzeit auch in der Nordsee zu schweren Öl-Unglücken kommen kann.
Formal alles richtig?
Die Grünen erklärten: Entweder habe der Minister sein Ministerium nicht
im Griff – oder er decke das eigenmächtige Handeln eines
Abteilungsleiters. Die Union wiegelt ab: Das Verwaltungshandeln sei
völlig korrekt gewesen, lediglich »die Kommunikationsabläufe vielleicht
etwas langsam«, so der Abgeordnete Karsten Jasper.
Minister de Jager spricht davon, dass formal alles richtig abgelaufen
sei. Die Grünen würden einen Popanz aufbauen und aus der Sache einen
Skandal machen, obwohl es gar keinen Skandal gebe. Nunmehr
sensibilisiert, teilte er immerhin mit, dass eine Firma aus London den
Antrag gestellt hätte, 240 Kilometer vor der Küste und außerhalb der
Wattenmeerregion nach Öl- und Gasvorkommen bohren zu wollen.
Diesbezüglich werde jetzt eine Abstimmung mit dem Umweltministerium
erfolgen, sagte de Jager.
* Aus: Neues Deutschland, 11. Oktober 2010
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