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Lithiumfieber bedroht Flamingos

Salzseen im Dreiländereck Argentinien, Bolivien und Chile bislang Touristenattraktion

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Die sich über Argentinien, Bolivien und Chile erstreckende Puna beherbergt zahlreiche Salzseen, in denen knapp über 80 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen vermutet werden. Den Flamingos in den Seen der kargen Hochebene könnte das Lithiumfieber bald gefährlich werden.

Die kanadische Firma Lithium America hat sich ein rund 44 000 Hektar großes Gebiet mit dem Namen Cauchari in der Nähe der 300-Seelen-Gemeinde Susques abgesteckt. Partner von Lithium America sind der Autozulieferer Magna sowie der Autohersteller Mitsubishi. Lithium wird vor allen für wiederaufladbare Batterien benötigt. Aber nicht nur die Autoindustrie giert nach dem Leichtmetall, auch in den Akkus von Handys und Notebooks steckt Lithium. Der Weltmarktpreis für eine Tonne Lithiumkarbonat hat sich aufgrund der hohen Nachfrage in den letzten Jahren auf rund 6000 Dollar verdoppelt.

Cauchari wird mittlerweile als das drittgrößte Vorkommen von Lithium gehandelt. Noch größer ist das Vorkommen beim Salzsee Uyuni im Nachbarstaat Bolivien. Das Lithium kommt in unterirdischen Wasserläufen der Salzseen der Puna vor. Mit Sprengungen wird der Zugang freigelegt. Dann wird das mit Lithiumsalzen angereicherte Wasser in große überirdische Verdunstungsbecken geleitet. Zurück bleibt eine konzentrierte Lithiumkarbonat-Brühe.

Bolivien versucht die Ausbeute mit staatlichen Firmen voranzutreiben. Doch die entsprechenden Projekte kommen nur allmählich in Gang oder sind ins Stocken geraten. Der Grund ist das fehlende Kapital für die nötigen Investitionen.

In Argentinien sind die Bodenschätze Eigentum der jeweiligen Provinzen. Doch die Firmen müssen lediglich drei Prozent des Wertes an die Provinzregierungen abführen. Im Fall des Lithiums ist die Ausbeutung in der Provinz Jujuy komplett in den Händen von ausländischen Firmen. Eine Kontrolle, wie viele Rohstoffe die Unternehmen tatsächlich außer Landes schaffen, existiert praktisch nicht.

Die öffentlich wahrnehmbare Kritik richtet sich deshalb vor allem gegen den geringen finanziellen Nutzen für die Provinz Jujuy. »Wir müssen uns darüber klar werden, welch großen Reichtum wir da haben. Und wir müssen Alternativen diskutieren, wie wir eine weiterverarbeitende Industrie für Batterien und vielleicht sogar für Elektroautos aufbauen können«, so Rodolfo Tecchi von der staatlichen Wissenschafts- und Technologieförderagentur.

Erst allmählich wird auch der Protest der betroffenen indigenen Gemeinschaften hörbar. Immer häufiger zeigen sie nicht genehmigte Probebohrungen an. Matías Quispe von der Gemeinschaft der Kolla in Santa Ana de la Puna warnt, dass schon jetzt zu spüren ist, wie sich der Grundwasserspiegel senkt. Das könnte bald nicht nur die Flamingos in der Puna bedrohen, sondern ebenso den Bestand der Schafe, Ziegen und Lamas, von denen viele Gemeinschaften leben.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Januar 2011


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