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"Gas-OPEC" in Gänsefüßchen

Russland, Iran und Katar haben in Teheran die Gründung einer "Gas-OPEC" vereinbart

Von Oleg Mitjajew *

Diese Woche haben Russland, Iran und Katar, die über 60 Prozent der weltweiten Gasvorräte verfügen, in Teheran die Gründung einer "Gas-OPEC" vereinbart.

Das erklärte Irans Erdölminister Gholam Hossein Nozari. Verständlich ist der Wunsch der größten Erdgas fördernden Länder, die hohen Preise für Öl und Gas, die gegenüber den Spitzenzahlen im Sommer abgestürzt sind, zu stützen. Leider werden die Preise für den "blauen Brennstoff" nicht von ihnen, sondern von den Ölmärkten bestimmt, weil ein Gasmarkt nicht existiert.

Auf die feierliche Erklärung des iranischen Erdölministers folgten freilich Präzisierungen. Wie sich herausstellt, ist in der iranischen Hauptstadt am 21. Oktober eine "Große Gas-Drei" geschaffen worden. Mehr noch, bald werde ein von der neuen "G3" eben erst gebildeter technischer Rat binnen einer Woche alle ungelösten Fragen lösen. Endgültig soll das Kartell - die Organisation der Gas exportierenden Länder - am 18. November in Moskau gegründet werden.

Vermutlich werde gleichzeitig eine Satzung des Kartells angenommen, mit deren Ausarbeitung sich die drei Gas-Mächte auf Initiative Irans bereits seit zwei Jahren "mit allem Ernst" befassen.

Einen Platz für Kontakte der wichtigsten Gas gewinnenden Länder gibt es im Grunde bereits seit 2001 und heißt Forum der Gas exportierenden Länder (GECF). Daran nehmen bis zu 16 Staaten teil. Doch hat das Forum keine Satzung, erlegt seinen Mitgliedern keine festen Verpflichtungen auf und stellt im Grunde einen Diskussionsklub dar.

Die Annahme einer einheitlichen Satzung ist gerade der Stein des Anstoßes bei der Schaffung der so genannten "Gas-OPEC". Iran will, dass sie nach dem Vorbild der OPEC gebildet werde und ebenso wie diese die Gasförderung quotiere, was die Gaspreise heben und die US-Wirtschaft zunehmend zerstören würde. Moskau versucht angestrengt, überscharfe Formulierungen zu vermeiden, und schlägt vor, die künftige Organisation solle sich mit gemeinsamen Projekten in der Gasindustrie und mit Gastransportfragen beschäftigen.

Letzteres ist für Russland und dem Energiekonzern Gazprom wirklich sehr wichtig. Dessen Chef Alexej Miller vertrat Russland beim Treffen in Teheran. Für Russland geht es darum, zu erreichen, dass zentralasiatisches Gas nach Europa im Transit durch unser Land und nicht unter seiner Umgehung - auf dem Grund des Kaspischen Meeres oder über das Territorium unseres „Freundfeindes“ Iran - befördert werde.

Neben diesen geopolitischen weist das in Aussicht genommene Gaskartell viele andere systemimmanente Widersprüche auf. Gazprom hat zehn-, ja dreißigjährige Verträge über die Lieferung des "blauen Rohstoffs" nach Europa. Irans Gasindustrie dagegen ist dermaßen chaotisch, dass es trotz seiner kolossalen Gasvorräte den Brennstoff zum Teil aus Turkmenien exportieren muss. Dieses steht übrigens recht kühl zur Idee einer "Gas-OPEC".

Katar seinerseits ist ein neuer Spieler auf dem Weltgasmarkt. Die meisten seiner Projekte befinden sich im Stadium der Ausarbeitung und hängen mit den (gleichfalls in langfristigen Verträgen abgestimmten) Lieferungen von verflüssigtem Naturgas wiederum nach Europa zusammen. Würde das Land sie beschränken, so würden Libyen, Algerien und andere Gas gewinnende Länder rasch seinen Platz auf dem europäischen Gasmarkt einnehmen.

Aus all dem folgt, dass es einen einheitlichen welt- oder auch nur europaweiten Gasmarkt - im Unterschied zum Ölmarkt - einfach nicht gibt. Wie es auch keine Weltgaspreise gibt, die in jedem einzelnen Fall in individuellen, meist langfristigen Verträgen fixiert werden. Deshalb hat das potentielle Gaskartell keine Möglichkeiten, durch begrenzende Quoten die Gaspreise zu beeinflussen. Bei einer Einschränkung ihrer Lieferungen würden die Gas gewinnenden Länder ihre Einnahmen senken und folglich nur sich selbst schaden.

Eine Ironie des Schicksals: Die Gaspreise in Europa richten sich nach den Marktpreisen für Erdöl und Erdölprodukte, auf welche die Gasindustriellen nicht einwirken können. Der Grund des pathetischen Schritts der drei an Naturgas reichsten Länder liegt auf der Hand: Die Ölpreise sind gegenüber dem Höchststand im Sommer auf die Hälfte zusammengeschrumpft, worauf auch die Gaspreise sinken, und Miller und Konsorten sind außerstande, diesen Prozess zu beeinflussen.

Die Anführungsstriche, in die die Wortbildung "Gas-OPEC" meist gesetzt wird, lassen den wahren Inhalt des Begriffs in sein Gegenteil verkehren, und das spiegelt die ganze Sinnlosigkeit der Idee wohl am besten wider.

Dennoch werden die Gespräche von der Schaffung einer "Gas-OPEC" sicherlich die europäischen Verbraucher nervös machen und die ohnehin verklausulierten Gazprom-Investitionen in den EU-Energieamarkt noch erschweren.

Dass das Konzept einer "Gas-OPEC" schädlich ist, wird auch in der russischen Regierung ausgezeichnet verstanden. Anfang dieses Monats betonte Russlands Energieminister Sergej Schmatko, der Terminus sei äußerst unglücklich gewählt, da Russland nicht beabsichtige, in der künftigen Organisation der Gas exportierenden Länder die Gewinnung und das Preisniveau zu regulieren.

Dennoch bleibt einige Hoffnung bestehen, dass es gelingen wird, die Preissenkung bei Öl und Gas aufzuhalten. Am heutigen Freitag beschloss in Wien die OPEC die Gewinnung des "schwarzes Golds" drastisch zu senken. Das wird die Öl- und auch die Gaspreise heben. Russland gehört der OPEC nicht an, hat aber in dieser einflussreichen Organisation den Beobachterstatus. Und das ist wohl ebenfalls richtig.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 24. Oktober 2008; http://de.rian.ru


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