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Eigenen Abbau stärken

EU legt Rohstoffstrategie im Kampf gegen Ressourcenknappheit vor *

Die Preise für High-Tech-Metalle steigen rasant – und die Rohstoffe werden seltener. Im Kampf um Ressourcen fordert die EU von ihren Mitgliedstaaten, selber Mineralien zu fördern und mehr zu recyceln. Handelsabkommen sollen den Zugang in Afrika und Asien sichern.

Angesichts drohender Rohstoffengpässe setzt die EU auf den Abbau von Industriemineralien in Europa. Die Mitgliedstaaten müssten dafür die Voraussetzungen schaffen, fordert die EU-Kommission in ihrer am Mittwoch vorgelegten Rohstoffstrategie. Bürokratische Hindernisse wie langatmige Genehmigungsverfahren müssten verschwinden.

Drei Punkte für sichere Versorgung

Laut Schätzungen finden sich beispielsweise sieben Prozent der weltweiten Vorkommen von Seltenen Erden, die für High-Tech-Produkte nötig sind, auf dem Gebiet der EU. »Wir wollen das Potenzial finden«, sagte EU-Industriekommissar Antonio Tajani.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte die Initiative. Allerdings müsse der gesetzliche Rahmen für die Flächennutzung, wie Genehmigungsverfahren, angepasst werden, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.

Experten zweifeln zudem, ob die bislang nicht genutzten Vorkommen kostendeckend gefördert werden können. Laut EU-Kommission soll der Abbau von Ressourcen auf dem eigenen Gebiet »in wirtschaftlich vernünftiger Weise« erfolgen.

Um eine sichere Rohstoffversorgung zu garantieren, setzt Brüssel an drei Punkten an. Neben der Rohstoffförderung in der EU gehört dazu die »Rohstoffdiplomatie« sowie verstärktes Recycling. Entwicklungsländer, vor allem Afrika, sollen beim Abbau und beim Transport Hilfe von der EU bekommen. Mit Handelsabkommen will sich Europa Zugang zu den wichtigen Vorkommen sichern. Mit Blick auf China ist geplant, gegen Exportbeschränkungen vor der Welthandelsorganisation WTO vorzugehen. China hatte jüngst strenge Ausfuhrquoten für Seltene Erden erlassen, was die Preise nach oben schnellen ließ. Internationale Hilfsorganisationen kritisieren diesen Ansatz des Brüsseler Strategiepapiers und sprechen von »Ressourcenraub«, der die Entwicklungsländer in Armut stürze.

Dritter Pfeiler ist das verstärkte Recycling und die bessere Nutzung von Rohstoffen. Dies werde helfen, »wertvolle Mineralien wieder zu nutzen und Energie zu sparen«, heißt es in dem Papier.

Keine Vermengung mit anderen Anliegen

Ursprünglich wollte die EU ihre Strategie bereits vergangene Woche veröffentlichen. Doch auf Druck von Frankreich wurde das Thema Agrarrohstoffe und Spekulation überarbeitet. »Es ist ganz klar, dass das Handeln an Märkten ein Grund für Preissteigerungen ist«, sagte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. Deshalb plane die EU Vorgaben, um »Transparenz und Stabilität an den Rohstoffmärkten zu sichern«. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier verwies auf die EU-Regulierung der Finanzmärkte, wie zum Beispiel für hochspekulative Produkte (Derivate), sowie auf die drei neuen EU-Finanzaufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Börsen. »Wir wollen Grenzen setzen«, sagte Barnier.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte davor, die Initiative mit anderen Anliegen zu vermengen. »Aus diesem Grund sind wir dagegen, dass Bausteine aus der Finanzmarktregulierung zukünftig Bestandteil der EU-Rohstoffinitiative werden«, sagte der Vorsitzende des BDI-Ausschusses für Rohstoffpolitik Ulrich Grillo.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Februar 2011


Keine Strategie

Von Haidy Damm **

Die Europäische Union ist in Sorge. Die Rohstoffe werden knapp und damit der Zugriff darauf, an den sich die westlichen Staaten in den vergangenen Jahrhunderten gewöhnt haben. Deshalb hat die EU einen Plan aufgestellt, der die Wirtschaft absichern soll, denn Wachstum ist erklärte Strategie seit dem Lissabon-Vertrag. Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen sowie massive Umweltverschmutzung bei der Gewinnung von Rohstoffen spielen in dem neuen EU-Papier keine Rolle. Stattdessen sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, wenn in Zukunft Rohstoffe auch innerhalb der EU gewonnen werden. Stattdessen heißt die Sicherung der weiteren Ausbeutung von natürlichen Ressourcen für die EU jetzt »Rohstoffdiplomatie« und soll auch in der Entwicklungspolitik eine stärkere Rolle spielen. Und stattdessen sollen wir jetzt bald alle alte Handys und andere gebrauchte Elekrogeräte sammeln, damit die wertvollen Stoffe wiederverwertet werden können. Das hat auch Vorteile: Wir brauchen den Elektroschrott nicht mehr in die Entwicklungsländer zu schicken, der dort Umwelt und Menschen vergiftet.

Um jetzt nicht in blanken Zynismus zu verfallen, muss man konstatieren, dass letzterer Vorschlag wenigestens einen vernünftigen Weg aufzeigt. Nicht nur, weil es der Umwelt nutzt, wenn giftige Stoffe im Elektroschrott nicht einfach weggeworfen werden. Er zeigt auch – ob in Lissabon oder Brüssel: Wachstum ist keine Strategie.

** Aus: Neues Deutschland, 3. Februar 2011 (Kommentar)


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