Wenn der Euro den US-Dollar ablöst
"Petrodollar Warfare" - Buchrezension
Von Frank Schmiedchen *
Ob Öl in US-Dollar oder Euro gehandelt wird, ist umweltpolitisch
bedeutsam: 1. Es hängt vom Ölpreis ab – und dieser vom Verhältnis
Dollar/Euro –, ob es vorteilhafter ist, fossile Brennstoffe oder umweltfreundliche Alternativen zu nutzen. 2. Im Gegensatz zur
Handels- und Sicherheitspolitik verweigern die USA eine
Führungsrolle in der Umweltpolitik – und blockieren damit
die Umweltsicherheit. Diese gefährliche geopolitische
Konstellation könnte sich ändern, wenn der Euro
den Dollar als Weltleitwährung ablöst …
In seinem Buch Petrodollar Warfare. Oil,
Iraq and the Future of the Dollar vertritt
William R. Clark eine prägnante These. In
den USA gebe es eine ultra-konservative
und zum Teil proto-faschistische politische
und Wirtschaftselite, welche die derzeitige
Mehrheit in Regierung und Kongreß beherrsche
und sich ideologisch im Project for
the New American Century zusammengefunden
habe. Beim Versuch, die Weichen
für das 21. Jahrhundert zugunsten eines
weltweit herrschenden Imperiums USA zu
stellen, müsse diese Elite weitgehend scheitern
– wo sie nicht bereits gescheitert sei.
Vom primus inter pares zum Imperialisten
Um ihre Vormachtstellung zu erhalten und
auszubauen, bedienten sich die USA, so
Clark, jahrzehntelang eines relativ leisen
Primus-inter-Pares-Auftretens gegenüber
den anderen OECD-Ländern; dieses ermöglichte
ein imperiales Vorgehen gegenüber
den Entwicklungsländern. Den derzeitigen
US-Eliten war dieses Auftreten – das auf
partiell geliehener Macht beruhte – jedoch
mit zu vielen Zugeständnissen an einen
diffusen, sich stetig stärker ausdifferenzierenden
Multilateralismus verbunden. Aus
dieser Wahrnehmung leiteten sie seit den
frühen 1990er Jahren zunehmend ein unilateralistisches,
aggressiv-imperialistisches
Gebaren auf Grundlage einer auf Macchiavelli
und Leo Strauss basierenden Ethik ab.
Dabei gilt es, alle potentiellen Rivalen frühestmöglich
davon abzuhalten, über eventuelle
Machtansprüche auch nur nachzudenken.
Bei dieser imperialen Strategie spielt der
Zugriff auf die Ölförderung der Erde eine
entscheidende Rolle. Die Frage, in welcher
Währung das Öl bezahlt werden muß, ist
aber mindestens ebenso wichtig. Die herrschende
Ölwährung US-Dollar ist – weil für
den Kauf der wichtigsten Industrieressource
Öl erforderlich – zugleich Weltleitwährung.
Um Währungsrisiken und Transaktionskosten
zu vermeiden, investieren die
erdölexportierenden Länder ihre Gewinne
im US-Dollarraum. Und die Industrieländer
horten große US-Dollar-Vorräte, um
Umtauschrisiken und -kosten zu vermeiden.
Dies beschert der US-Wirtschaft seit
Ende der 1970er Jahre „Seignorage-Gewinne“
in Milliardenhöhe: Die US-Notenbank
kann – weit über die Leistungsfähigkeit der
US-Wirtschaft hinaus – US-Dollar drucken,
die dennoch ohne Wertverlust akzeptiert
werden. Damit konnten sich die USA hemmungslos
öffentlich und privat in US-Dollar
verschulden. Die Kapitalkosten können
sie dabei mittels der Inflationsrate zumindest
bedingt selbst bestimmen. Diese Dollar-
Zirkulation, welche die fundamentale
Absicherung um ein Vielfaches übersteigt,
hat die USA aber in völlige Abhängigkeit
von den Zentralbanken gebracht, die diese
Schulden aufgekauft haben; allen voran Japan
und China (China verfügte Mitte 2005
über US-Dollar-Reserven in Höhe von etwa
800 Milliarden US-Dollar).
Clark zeigt, warum die Zusammensetzung
von Zentralbankreserven und die Entscheidung
über die Ölwährung zum Damokles-
Schwert für die USA geworden sind.
Herausforderer Euro
Auf den Finanzhandelsplätzen bestimmen
vor allem Erwartungen über zukünftige
Entwicklungen die Preise. Die Erwartung,
daß nichts und niemand den US-Dollar
herausfordern könne, war der Grund, warum
dieser, entgegen aller ökonomischen
Vernunft, von 1980 bis 2000 sehr fest war.
Entsprechend flossen Hunderte von Milliarden
US-Dollar aus dem Ausland in USRentenpapiere
und Aktien und finanzierten
damit die Schuldenwirtschaft der USA.
Mit dem Euro fordert nun erstmals eine
Währung den US-Dollar massiv heraus. Als
zentrale Währung einer mit 450 Millionen
Menschen bevölkerten Europäischen Union,
deren Wirtschaftskraft die der USA weit
übertrifft, ist der Euro eine virulente Bedrohung
für die USA. Wirtschafts- und finanzpolitisch
sind die USA mit ihrem Haushalts-
und Handelsbilanzdefizit, der Überschuldung
privater Haushalte sowie der
Immobilienblase weitgehend ruiniert; der
US-Dollar kann sich der Herausforderung
des Euros als (zweiter) Weltleitwährung
nicht aus eigener Kraft stellen.
Das im kalten Krieg jahrzehntelang von
den USA gepäppelte (West-)Europa steigt
in Form der erweiterten Europäischen Union
unaufhaltsam zur Weltmacht auf. Dies
bedeutet, so Clark, für die herrschende US-Elite
eine nicht hinnehmbare Gefährdung
der eigenen Dominanz, die es bereits in
den Anfängen zu bannen gilt. Die aus dieser
ideologischen Sichtweise resultierende
Politik der USA ist jedoch mittelfristig eine
tödliche Bedrohung für alle heutigen und
potentiellen Machtzentren der Erde (EU,
Japan, China, Rußland, Indien, Brasilien)
sowie die öl- und gasproduzierenden Staaten.
Daher werde der derzeitige US-Imperialismus
genau das Gegenteil der angestrebten
Wirkung erreichen. Die anderen
Machtzentren der Erde werden, so Clark,
die USA eher kurz- bis mittel- als langfristig
auf die Größe einer „Großmacht mit
militärischer Supermacht“ zurückstutzen,
die die Regeln des Multilateralismus akzeptieren
müsse. Je früher die US-Eliten dies
erkennten und zu dem alten Primus-inter-
Pares-Prinzip zurückkehrten, desto mehr
Macht könnten sie sich bewahren.
Der letzte Teil des Buches widmet sich
Vorschlägen an die US-Eliten und -Bevölkerung,
wie sie zum status ante zurückkehren,
den heutigen energiepolitischen Herausforderungen
erfolgreich begegnen und
in einer tripolaren Welt (USA, EU, China)
erfolgreich wirken können. Diese Abschnitte
sind sachlich weitgehend richtig, wirken
aber aus europäischer Sicht naiv. So greift
die Beschränkung auf eine tripolare Welt –
angesichts der Bedeutung Indiens und des
Mercosur (vor allem Brasilien) sowie mittlerer
unabhängiger Mächte der islamischen
Welt (Ägypten, Iran, Pakistan, Indonesien)
und anderer Ankerländer (Südafrika, Nigeria,
Japan) – zu kurz.
Petrodollar Warfare. Oil, Iraq and the
Future of the Dollar ist ein wichtiges Buch.
Auch wenn die meisten der enthaltenen
Thesen bereits 2003 von anderen publiziert
wurden,1 so ist ist es doch der bisher umfassendste
Versuch, wichtige Fakten und
Zusammenhänge zur Erklärung der heutigen
US-Außenpolitik und des Krieges
um die Vorherrschaft als Weltleitwährung
einer breiten öffentlichen Diskussion zugänglich
zu machen.
[1] Unter anderen Schmiedchen, F. 2003. Gedanken
zum Petro-Euro. www.vdw-ev.de/publikationen/
materialien.html (abgerufen 27.04.2006).
Clark, W. R. 2005. Petrodollar warfare.
Oil, Iraq and the future of the Dollar.
Gabriola Island: New Society Publishers.
265 S., 22,90 EUR, ISBN 0-86571-514-9
* Dipl.-Volksw., Dipl.-Kfm. Frank Schmiedchen, Berlin, Mitglied des Beirates der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler
Aus: GAIA 15/2 (2006): 144 –146;
Im Internet: www.oekom.de/gaia
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Rezensenten.
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