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Hürden der "Friedenspipeline"

USA wollen Gasleitung von Iran nach Indien verhindern

Von Peter Böhm, Taschkent*

In Süd- und Zentralasien hat eine hektische Reisediplomatie begonnen. Geworben wird für Pipeline-Projekte, die mittelfristig Pakistan und Indien mit Erdgas versorgen sollen.

Dieser Tage trafen sich die turkmenischen, afghanischen und pakistanischen Minister für Rohstoffe in Islamabad. Bei den Gesprächen ging es um eine Gasleitung vom Daulatbad-Feld in Turkmenistan durch Afghanistan nach Pakistan und weiter nach Indien. Diese TAP-Pipeline ist erst nach dem Tauwetter der letzten Monate zwischen den Erzfeinden Pakistan und Indien in den Bereich des Machbaren gerückt. Im Februar hatte Indiens Premier Manmohan Singh seinen Ölminister beauftragt, Verhandlungen mit Iran und Turkmenistan über den Bau einer Gas-Pipeline zu beginnen. Indien versucht wie der große Rivale China inzwischen aktiv, die Rohstoffversorgung seiner stark wachsenden Wirtschaft zu sichern. In einem offiziellen Gutachten rechnet Delhi mit der Zunahme des Energiebedarfs um jährlich 5 Prozent. Schon heute importiert Indien die Hälfte seines Erdgases und zwei Drittel des Erdöls.

Ende Februar war eine indische Delegation im Iran, um über eine Leitung von dort durch Pakistan nach Indien zu sprechen – in den Medien wird sie bereits »Friedenspipeline« genannt. Zwar sagte der indische Ölminister Mani Shankar Aiyar kurz darauf, alle drei diskutierten Projekte seien möglich. Und Pakistans Premier Shaukat Aziz dementierte, dass die USA Druck ausüben, damit das Iran-Projekt nicht weiter verfolgt werde. Aber es hat einen klaren Nachteil: Washingtons Sanktionen gegenüber Teheran.

Derzeit gilt die Route durch Afghanistan als Favorit – auch weil die USA ihr diplomatisches Gewicht dafür in die Waagschale werfen. Dies kann, wie man an der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline gesehen hat, ausschlaggebend sein. Wenn diese Leitung heuer in Betrieb geht, fließen Ölexporte aus Zentralasien erstmals nicht durch das russische Pipeline-System. Es sind die strategischen Ziele Washingtons in der Region, Iran vom Geschäft auszuschließen und die jungen zentralasiatischen Staaten von der Abhängigkeit von Russland zu lösen.

Schon 1991 übernahm die kalifornische Firma UNOCAL Corp. die Führung eines Konsortiums, das zuerst mit der afghanischen Mudschahedin-Regierung und dann mit den Taleban über den Bau verhandelte. Allein für den Transit des Gases versprach UNOCAL den Machthabern in Kabul jährliche Einnahmen von 300 Millionen US-Dollar. Das Projekt war wegen der Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan von Anfang an umstritten. Doch gab UNOCAL erst nach den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salam 1998 auf. Inzwischen hat sich die politische Großwetterlage geändert, und die TAP-Pipeline ist wieder in machbare Nähe gerückt. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) – größter Geber: die USA – hat im Februar eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht, die die Baukosten der 1680 Kilometer langen Pipeline zur pakistanisch-indischen Grenze auf bis zu 3,5 Milliarden US-Dollar veranschlagt.

Allerdings ist fraglich, ob die turkmenischen Vorräte überhaupt ausreichen würden, um die Pipeline auszulasten. Die ADB-Studie schätzt die wirtschaftlich nötige Kapazität auf jährlich 33 Milliarden Kubikmeter oder 80 Prozent des turkmenischen Exportes im Jahr 2004. Das zentralasiatische Land hat aber erst im April 2003 einen auf 25 Jahre ausgelegten Vertrag mit der russischen Gasprom geschlossen, der jährlich steigende Liefermengen vorsieht. Bisher ist Turkmenistan für den Export völlig auf das russische Leitungssystem angewiesen. Regelmäßig kappt das Land seine Gaslieferungen, um einen besseren Preis zu erzielen. Im Augenblick zahlt Gasprom 44 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter – in Westeuropa erhält der Konzern mehr als das Doppelte.

Im November 2004 ließ Pakistan ein Treffen mit Turkmenistan wegen der Unsicherheit über die Größe der dortigen Reserven platzen. Beim jüngsten Treffen hat Aschchabad nun versprochen, binnen eines Monates ein von einer US-Firma erstelltes Gutachten über die Gasvorkommen in Daulatbad vorzulegen.

* Aus: Neues Deutschland, 25. April 2005


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