Unabhängigkeit vom Erdöl?
Experten diskutierten die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien
Von Antje Stiebitz *
Die weltweite Abhängigkeit von Erdöl ist groß. Doch die fossile
Ressource wird knapp. Wie viel Erdöl kann man in Deutschland durch
nachwachsende Rohstoffe und andere heimische Energieträger ersetzen?
Diese Frage wurde gestern (3. Aug.) - auf Initiative der Agentur für Erneuerbare
Energien - von Experten in Berlin diskutiert, aber nicht beantwortet.
Mit 42 Prozent am Endenergieverbrauch ist Erdöl weltweit der wichtigste
Energieträger. Schätzungen zufolge wird der Bedarf an Erdöl künftig
sogar noch ansteigen. Und das, obwohl Wissenschaftler davon ausgehen,
dass der Förderhöhepunkt bereits überschritten ist oder spätestens 2020
erreicht sein wird. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe stellt in ihrem aktuellen Bericht über 2009 fest, dass
konventionelles Erdöl in absehbarer Zeit nicht mehr im bisherigen Maße
zur Verfügung stehen wird.
Einziger Ausweg, konstatiert die Agentur für Erneuerbare Energien, sei
ein effizienter Umgang mit Ressourcen, die Entwicklung von
Biowerkstoffen, die Etablierung alternativer Antriebe wie
Elektromobilität sowie der Ersatz von Erdöl durch Biokraftstoffe. Nach
Prognosen der Agentur werden heimische Energiepflanzen und Reststoffe
bis 2020 etwa 12 Prozent des Energiebedarfs decken können. 2009
zeichnete der Verkehrssektor für mehr als die Hälfte des deutschen
Erdölverbrauchs verantwortlich. Biokraftstoffe - reines Pflanzenöl,
Bioethanol und Biodiesel - machten 5,5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs
aus.
Wie viele Flächen in Zukunft für Energiepflanzen wie Mais, Roggen, Raps,
Sonnenblumen oder Ölpalmen zu Verfügung stehen werden, ist unklar. Hier
spielen die Bevölkerungsentwicklung sowie die Produktivität der
Landwirtschaft eine große Rolle. Diskutiert wurde zudem, welche
ungenutzten Flächen zur Verfügung stehen könnten.
Die Agentur für Erneuerbare Energien sieht den Beitrag heimisch
angebauter Biomasse bis 2020 bei 12 Prozent des gesamten
Energieverbrauchs. Würde man Importe von Biomasse-Rohstoffen
hinzurechnen, entspreche dies sogar rund 25 Prozent des deutschen
Ölbedarfs. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe, sieht keine Nutzungskonkurrenz zwischen dem
Anbau von Nahrung und dem Anbau für Biokraftstoffe. Die
Nahrungsmittelversorgung dürfe nicht eingeschränkt werden. Er verweist
auf die Möglichkeit der Kaskadennutzung und darauf, dass es bald
verschiedene Pflanzen für Nahrungsmittel und die Energiegewinnung geben
könne.
Im Wärmesektor werden rund 27 Prozent des Mineralölaufkommens
eingesetzt. 8,4 Prozent des deutschen Wärmeverbrauchs werden durch
Biomasseheizungen, Solarthermie und Wärmepumpen aufgebracht, die
restlichen 91,6 Prozent sind fossile Wärme. »Über die Raumwärme und
warmes Wasser wird viel zu wenig gesprochen«, beklagt Johannes Lackmann,
Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourcenmanagment. Dass die
Gebäudesanierungsprogramme heruntergefahren werden, gefällt ihm nicht.
14 Prozent des Erdöls werden in der chemischen Industrie als Basis für
Kunststoffe, Lacke oder Farben verwendet. Dabei gibt es auch hier
Alternativen, wie Jürgen Pfitzer, Geschäftsführer der TECNARO GmbH,
darstellt: Aus dem Stoff Lignin, der in Zellstoffwerken als
Abfallprodukt anfällt, entwickelte TECNARO einen Biokunststoff, der
vielseitig eingesetzt werden kann.
Elektromobilität, erklärt Jörg Mühlenhoff, Referent für
Energiewirtschaft der Agentur für Erneuerbare Energien, werde in den
nächsten Jahren noch nicht ins Gewicht fallen. Er betont die
Notwendigkeit, Reststoffpotenziale (beispielsweise Restholz, Gülle,
Mist, Kartoffelschalen oder Klärschlamm) zu erschließen.
Johannes Lackmann will die Erkenntnisse der Effizienz endlich »auf die
Werkbänke bringen«. Zuviel Energie werde verschenkt, weil bereits
gemachte Kenntnisse nicht angewandt würden. Einsparpotenzial sieht die
Agentur für Erneuerbare Energien auch in der Effizienzsteigerung von
Motoren, im Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2010
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