Neues vom Cyberkrieg: Hacker im Pentagon
Auch NATO und Bundeswehr besetzen Positionen auf dem elektronischen Schlachtfeld
Von René Heilig *
Unbekannte Hacker haben Rechner des Pentagons geknackt und angeblich Fakten zum neuen Kampfflugzeugs F-35 Lightning II »abgegriffen«.
Es gibt weder Tote noch Verletzte und dennoch tobt ein Krieg an vielen Fronten. Er verlangt mehr
Intelligenz als vorangegangene Schlachten und verspricht mehr Beute. Die Angreifer sind zumeist
unbekannt, die Verteidiger in der Regel über ihre Niederlage überrascht. Es geht um Cyberwar.
Pentagon-Sprecher Bryan Whitman kommentierte den Bericht über den jüngsten Cyberangriff auf
das Pentagon gelassen. Dem Gegner seien keine sensiblen Daten in die Hand gefallen. Das wäre
auch verwunderlich, denn erstens werden die nicht in einem unbedeutenden und daher wenig
geschützten Pentagon-Rechner gespeichert und zweitens hat das Mehrzweckkampfflugzeug schon
so viel Reklame über sich ergehen lassen müssen, dass kaum noch ein Detail, das Überlegenheit
verheißt, unbekannt ist. Die F-35 ist wieder einmal eine Art »Eier legende Wollmilchsau« und bewies
bereits in der Entwicklungsphase, dass die Forderungen der Generale überzogen sind.
Das geheimste F-35-Material sei sicher geblieben. Es ist demnach auf Computern gespeichert, die
nicht mit dem Internet verbunden sind. Interessanter als die möglicherweise gestohlenen
Konstruktions- und Einsatzdaten der »Lightning II« ist die Art und Weise, wie »jemand« in die USMilitärzentrale
eindringen konnte. Es gebe Schwachstellen in den Netzwerken von zwei oder drei an
dem Projekt beteiligten Unternehmen, heißt es. Doch das erklärt nicht, wie mehrere Terrabyte an
Daten über Design und Elektronik des Kampfflugzeugs abgegriffen werden konnten.
Natürlich wurde die Offenlegung der Pentagon-Panne begleitet von dem Hinweis darauf, dass man
in den vergangenen Monaten schon mehrfach Attacken von Hackern ausgesetzt gewesen sei. Sie
hätten sich »in letzter Zeit verdoppelt«, sagt Whitman. Was immer das bedeuten soll. Im Visier der
Computer-Angreifer seien auch das Luftraum-Überwachungssystem der Air-Force sowie
Stützpunkte der Navy gewesen. Doch sehe man »keinen Anlass für besondere Besorgnis«,
verkündete das Pentagon. Man habe »robuste Schutzmaßnahmen« für die sensiblen Netzwerke.
Das möchte sein, wenn folgende Fakten stimmen. Bereits vor einem Jahr teilte das Pentagon dem
US-Geheimdienstausschuss mit, das Rechnernetz des Ministeriums werde täglich mehr als 300
Millionen Mal von außerhalb gescannt und angegriffen. An anderer Stelle ist von einer Million
Zugriffe die Rede. Auch das Department of Homeland Security – also die US-Geheimdienstzentrale
– addierte damals 13 000 sicherheitsrelevante Computerangriffe auf die Behörde.
In den USA macht man vor allem interessierte »Kreise« aus China für derartige Cyberwar-Angriffe
verantwortlich. Auch die russischen Geheimdienste bedienen sich angeblich zunehmend der
kreativen Computerfreaks.
Doch das Imperium schlägt zurück. Im NATO-Hauptquartier im belgischen Mons gibt es
beispielsweise das NATO Computer Incident Response Capabilitys Technical Center (NITC). Dort
arbeiten bis zu 150 Experten nicht nur an der Abwehr von Computerangriffen. Angeleitet wird alles
von der NATO-Agentur für Informationssysteme unter der Leitung des deutschen Generalleutnants
Ulrich Wolf.
In Deutschland gibt es gleichfalls keinen Grund, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die
Bundeswehr mischt mit auf dem virtuellen Schlachtfeld. Das Militär besitzt unter dem weitgehend
geheimen Kommando Strategische Aufklärung eine »Cyberwar-Einheit«. Sie soll nicht nur eigene
elektronische Infrastruktur vor äußeren Angriffen schützen, sondern auch Aufklärung und
Desinformation in fremden Netzen betreiben.
* Aus: Neues Deutschland, 22. April 2009
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