Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schnellboote für saudische Despoten

Schwarz-Rot bürgt mit Steuergeldern *

Die Bundesregierung will einen erneuten Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien durch eine Hermes-Bürgschaft in Höhe von 1,4 Milliarden Euro fördern. Das Empfängerland, das wegen seiner ständigen Menschenrechtsverletzungen weltweit in der Kritik steht, orderte rund 100 Patrouillenboote.

»Waffen für Saudi-Arabien sind Waffen für ein autokratisches Regime und potenzielle Waffen für einen Krieg«, protestierte die Linksparteichefin Katja Kipping. Kanzlerin Angela Merkel mache sich »zur Hoflieferantin Saudi-Arabiens«, kritisierte ihr Parteikollege Jan van Aken und strich heraus, dass die Regierung dieses Geschäft mit den saudischen Despoten mit Steuergeldern absichert. Auch die Grünen sprachen sich gegen den Export aus. Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger verlangte, die SPD müsse dieses Geschäft umgehend im Bundessicherheitsrat stoppen. Dem geheim tagenden Gremium gehören neben Merkel acht Bundesminister an. Vizekanzler Sigmar Gabriel, der gestern bestritt, dass die Boote Rüstungsgüter sind, hat als Chef des Wirtschaftsressorts eine wichtige Position inne. Ohne die Genehmigung seines Ministerium kann der Export nicht stattfinden. Kürzlich hatte er noch eine restriktivere Handhabung von Rüstungsexporten angekündigt.

Er kann nicht behaupten, von dem Schnellbootdeal überrascht worden zu sein. Vor einem Jahr war bekannt geworden, dass Voranfragen der Lürssen-Werft an den Bundessicherheitsrat zu diesem Geschäft positiv beschieden wurden. »Die Bundesregierung will offenbar Saudi-Arabien total hochrüsten und hat aus den öffentlichen Protesten gegen die Waffenlieferungen in dieses Land nichts gelernt«, empörte sich der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Heute ist er Fraktionschef. Rolf Mützenich, damals wie heute außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, trat Oppermann mit richtigen Argumenten zur Seite: »Dieses Angebot ist überhaupt nicht akzeptabel und widerspricht den Rüstungsexportrechtlinien.« hei

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 4, Februar 2014


Das Kartell der Waffendealer

René Heilig über Vertrautheiten zwischen Politik und Wirtschaft **

Aber sicher doch: Auch der jüngste Waffendeal mit Saudi-Arabien hat eine »hohe beschäftigungspolitische Bedeutung«. Das jedenfalls schrieb der Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter an den Haushaltsausschuss. Wer will da schon gegenhalten?

Die Bremer Lürssen-Werft, die maßgeblich an dem 1,4-Milliarden-Euro-Geschäft beteiligt ist, fertigte einst Kriegsschiffe für Seine Majestät, dann Schnellboote für Hitlers Angriffsflotte. Mit der Übernahme der Peene-Werft Wolgast und anderer Betriebe wuchs das Unternehmen zu einem echten Global Player. So etwas klappt nur, wenn man einen guten Draht zur Politik hat. Friedrich Lürßen sitzt als Schatzmeister im wichtigsten Rüstungslobbyverein, dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie – und ab und zu mit in der Kanzlermaschine. Nachdem die einen kurzen Zwischenstopp in Luanda eingelegt hatte, bekam die Lürssen-Werft einen Lieferauftrag für Schnellboote nach Angola.

Manch Staatssekretärsreise erscheint wie ein Ausflug der Rüstungslobby. Dass man nun Grenzsicherungsboote nach Saudi-Arabien liefert – sowie Militärtransporter und Sturmgewehre, denen bald Panzer und U-Boote folgen – ist auch Wolfgang Schäuble zu danken. Der half EADS bei der Lieferung eines Grenzsystems mit Polizeiausbildern. Das kann jetzt diskreter laufen. Jüngst gründete ein Herr Seeger die German Protective Consulting. Besagter Matthias Seeger war vor kurzem noch Chef der Bundespolizei.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 4, Februar 2014 (Kommentar)

Bremer Friedensforum verurteilt Bremer Rüstungsexport nach Saudi-Arabien - Bremen wird mehr und mehr eine blutbefleckte Stadt

Pressemitteilung vom 3. Februar 2014

Die große Koalition setzt den Zynismus fort, Rüstung in Krisengebiete und an Länder, die die Menschenrechte mit Füßen treten, zu liefern. Nach einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ will die Bundesregierung den Export von mehr als 100 Patrouillen- und Grenzüberwachungsbooten an Saudi-Arabien mit einer Hermes-Bürgschaft in Höhe von 1,4 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Den Produktionsauftrag hat die Bremer Fr. Lürssen-Werft GmbH und Co.KG erhalten. So wird ein diktatorisches System direkt von Bremen aus unterstützt.

Saudi-Arabien schränkt nicht nur die Rechte der Frauen erheblich ein, übt nicht nur massive Zensur in den Medien, sondern ahndet die Homosexualität mit Todesstrafe, Gefängnis und Auspeitschungen. Ende 2007 wurden zwei Männer wegen homosexuellen Geschlechtsverkehrs zu jeweils 7000 Peitschenhieben verurteilt.

Das Bremer Friedensforum verurteilt aufs Schärfste die Fortsetzung der skrupellosen Rüstungsexportpolitik der neuen Bundesregierung und das unverantwortliche Schweigen des Bremer Senats. Bremen wird als Rüstungsstandort mehr und mehr eine blutbefleckte Stadt.




Bündnispolitik

Große Koalition rüstet Saudis auf

Von Tobias Pflüger ***


Nun also will die neue schwarz-rote Bundesregierung Militärschiffe zur Grenzsicherung an Saudi-Arabien im Wert von 1,4 Milliarden Euro liefern. Und sie will diesen Deal mit Hermes-Bürgschaften absichern. Konkret geht es um »Konstruktion, Bau, Erprobung und Lieferung« einer kleinen Flotte bestehend aus 33 Patrouillen-, 79 Schnell-, 32 Arbeits- und zwei Führungsbooten, allesamt hergestellt von der Bremer Lürssen-Werft. Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) sagt offen, um was es geht: »Überwachung der Küstenlinien, Kontrolle und Schutz der Hoheitsgewässer und internationalen Seewege, der Schutz der Hafenanlagen und Unterbindung von Piraterie, Sabotage und Terrorismus«. Was hier mit deutscher Hilfe auf- und ausgebaut werden soll, ist ein saudi-arabisches FRONTEX, ein Abwehrsystem gegen Flüchtlinge im Persischen Golf.

Daß Riad erst unlängst neue »Antiterrorgesetze« in Kraft gesetzt hat, die jede Kritik an der absolutistischen Monarchie, am saudischen Staat und seiner Politik kriminalisieren sollen, daß Frauen dort unterdrückt werden, daß Menschen vor allem aus asiatischen Ländern – wie in anderen Golfstaaten – sklavenähnlich als Arbeiter gehalten werden, spielt keine Rolle. Ebensowenig wie die Tatsache, daß Saudi-Arabien Milliardenbeträge nach Ägypten, Syrien und anderswohin transferiert, um islamistische Kämpfer zu finanzieren. Das Land ist deutscher Bündnispartner.

Als sie im deutschen Bundestag noch Opposition war, stand die SPD demselben Rüstungsdeal übrigens noch ablehnend gegenüber. Vor ziemlich genau einem Jahr ließ sich der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann mit der Aussage zitieren, daß die (damalige) Bundesregierung Saudi-Arabien offenbar »total hochrüsten« wolle und aus den Protesten gegen frühere Rüstungsgeschäfte nichts gelernt habe. Welche Scheinheiligkeit! Kaum an der Regierung, ist die SPD anderer Meinung. Nun geht es angeblich um die Sicherung von Arbeitsplätzen, da die Bremer Werft in »Konkurrenz zu Mitbewerbern« aus »Australien, Frankreich und den Niederlanden« stehe.

Schwarz-Rot startet durch mit militaristischer Politik. Dieses neue Deutschland ist nicht »gut«, wie Gauck meint, es ist gefährlich. Im Rahmen der EU und der NATO soll überall auf der Welt (gemeinsam mit anderen) interveniert werden. Für die Verbündeten gibt es umfangreiche Waffenlieferungen, um gemeinsam strategische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Dieser Kanonenbootpolitik müssen wir entschiedenen Widerstand entgegensetzen. Keine deutschen Waffen und keine deutschen Soldaten in alle Welt!

*** Tobias Pflüger ist im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. in Tübingen und Mitglied im Parteivorstand der Linken.

Aus: junge Welt, Dienstag, 4, Februar 2014



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