Rüstungssparte in der Krise – Kurswechsel bei EADS
Ein Beitrag von Christoph Rasch in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *
Andreas Flocken (Moderator).
Die Bundeswehr und die anderen Streitkräfte in Europa werden zurzeit erheblich reduziert. Die Rüstungsbranche bekommt das inzwischen zu spüren. Denn benötigt werden dadurch weniger Waffensysteme und anderes Gerät. Der EADS-Konzern will jetzt erste Konsequenzen ziehen. Die Rüstungssparte wird umstrukturiert. Und es sollen mehrere tausend Arbeitsplätze abgebaut werden. Christoph Rasch über die neue Strategie der EADS-Führung:
Manuskript Christoph Rasch
Ende November protestierten sie noch lautstark und kämpferisch - die zehntausenden deutschen EADS-Mitarbeiter. Doch seit klar ist, wie massiv das Sparprogramm bei Europas zweitgrößtem Rüstungskonzern ausfallen wird, drängen die Arbeitnehmervertreter vor allem die neue schwarz-rote Bundesregierung, sich in den bevorstehenden Unternehmensumbau einzuschalten. Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste:
O-Ton Geiken:
„Hier erwarten wir von der Bundeskanzlerin, dass sie die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Betriebsräte gemeinsam mit der Politik an einen Tisch holt, um gemeinsam Konzepte zu entwickeln. Diese Sparte ist auch nicht einfach, und deshalb ist es ja gerade wichtig, zu überlegen: Was können wir tun, damit wir die Arbeitsplätze und Standorte erhalten? Und da ist es auch Aufgabe der Politik, hier strategisch mitzudenken."
Allerdings müssen auch die Gewerkschafter schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass sich die Rüstungs-Strategien der Politik in einem grundlegenden Wandel befinden, den Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer so umschreibt:
O-Ton Seehofer:
„Das ist eine Spätfolge des Falls von Mauer und Stacheldraht - eine unangenehme Spätfolge, aber eine unvermeidliche. Politiker, die hier sagen: Das könnte man vermeiden, sagen nicht die Wahrheit..."
Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass Europas Regierungen ihre Verteidigungs-Industrien nach dem Ende des Kalten Krieges päppelten - und mit milliardenschweren Rüstungsaufträgen alles andere als betriebswirtschaftlich gedacht haben. Das Motto hieß: Heimische Standortsicherung statt internationaler Ausschreibung und kostengünstiger Beschaffung. Eine Studie im Auftrag des Europaparlamentes rechnete gerade erst vor, dass den Steuerzahlern in der EU durch diese Politik Mehrkosten von 26 Milliarden Euro entstünden - pro Jahr. Erst der Spardruck durch die Folgen der Finanz- und Schuldenkrise habe in den vergangenen Jahren zu einer weniger freigiebigen Einkaufs- und Beschaffungspolitik der EU-Staaten geführt, sogar zu Dutzenden Abbestellungen, etwa beim Transportflugzeug A400M. Den Konzern-Umbau bei EADS aber allein mit fehlenden staatlichen Aufträgen zu begründen, das halten viele Experten für fadenscheinig. Der Haushalts-Politiker der Grünen, Tobias Lindner, befasst sich im Bundestag intensiv mit den Kosten von Rüstungsaufträgen. Er glaubt...
O-Ton Lindner:
„...dass viele Probleme bei Airbus durchaus hausgemacht sind. Dass Verteidigungsbudgets zu Recht zurückgehen in europäischen Ländern ist keine Neuigkeit. Es ist etwas, worauf man sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren durchaus einstellen konnte. Und EADS muss durchaus begreifen, dass einige Produkte, die angeboten werden, auf dem Markt alles andere als konkurrenzfähig sind - wenn da Marinehelikopter angeboten werden, wo es offenbar bessere marktverfügbare Lösungen gibt."
Der von der EADS-Tochter Eurocopter gebaute Marine-Hubschrauber MH90 macht nämlich massive Probleme. Ein interner Bundeswehrbericht hatte erhebliche Mängel bei den mehr als 900 Millionen Euro teuren Fluggeräten festgestellt: Die Helikopter, hieß es damals, seien für den geplanten Einsatz als Rettungshubschrauber und als Begleitschutze für Seeschiffe nur sehr bedingt tauglich.
Nun soll zwar nachgebessert werden - aber es sind Fälle wie dieser, die zum Image-Verlust beim Rüstungslieferanten EADS beitragen. Den Geschäftsbilanzen dürfte das nicht gerade helfen: Der Gewinn bei der Tochter Eurocopter sank zuletzt um 35 Prozent, der Auftragseingang bei Cassidian brach um mehr als ein Viertel ein. Nun also schließt der Konzern auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus, er will 5.800 Stellen abauen - die Hälfte davon in Deutschland. Ein Teil der Mitarbeiter, so die Vorstellung aus der EADS-Chefetage, könne ja zum zivilen Flugzeugbau bei Airbus wechseln. Für diese Mitarbeiter gäbe es aber durchaus noch andere Alternativen, sagt der Hamburger Branchen-Experte Cord Schellenberg.
O-Ton Schellenberg:
„Was die Produktions-Ingenieure und die Konstruktions-Ingenieure angeht gibt es sicherlich einen großer Bedarf in der gesamten Branche. Das heißt, jemand der hier bei EADS vor der Schwierigkeit steht, dass sein Arbeitsplatz so nicht mehr existieren könnte, der hat sicherlich innerhalb von Airbus Chancen - aber der hat auch bei Wettbewerbern von Airbus Chancen. Und das ist etwas, wo Airbus, glaube ich, sehr genau aufpassen muss..."
Droht also ein „Brain Drain", eine Abwanderung von hochqualifizierten Rüstungs-Technikern zur Konkurrenz in Amerika, Großbritannien oder gar nach Asien? Und wie viel bleibt vom bisherigen Rüstungsgeschäft, welche Projekte werden fortgeführt, welche eingestellt? Wie groß ist dabei die Kosten-Ersparnis? Dazu gibt der EADS-Sparplan bisher keine konkrete Auskunft. EADS-Konzernchef Thomas Enders jedenfalls streitet ab, dass der massive Arbeitsplatzabbau der Beginn eines schleichenden Ausstiegs aus dem Rüstungsgeschäft sein könnte.
O-Ton Enders:
„Nein, das ist es keineswegs. Denn dann hätten wir uns das wesentlich einfacher machen können. Wir hätten im Sommer, als wir über die Strategie entschieden haben, einfach entscheiden können, aus dem Verteidigungsgeschäft insgesamt auszusteigen - dann hätten wir uns den schwierigen und langwierigen Prozess, den wir jetzt ohne Zweifel vor uns haben, ersparen können."
Dennoch will Enders ein klares Zeichen setzen. Das hat er immer wieder betont: Wo die staatlichen Aufträge wegbleiben, da seien eben auch bestehende Produktions-Standorte nicht mehr sicher: Sein Werk im bayerischen Unterschleißheim will der Konzern jetzt verkaufen. Manche Beobachter sehen darin auch eine Retourkutsche in Richtung Bundesregierung: Denn die verhinderte eine von Enders gewollte Fusion mit dem britischen Rüstungs-Giganten BAE Systems. Nun also eine Zusammenlegung in kleinerem Maßstab: Die Töchter "Cassidian", "Astrium" und "Airbus Military" werden unter neuem Namen gebündelt, "Airbus Defence and Space" heißt die Verteidigungs-Sparte dann. Deren Chef, Bernard Gerwert, freut sich in einem Firmen-Video:
O-Ton Gerwert:
„Gemeinsam sind wir stärker. Wir haben alle militärischen Flugzeuge unter einem Dach. Zweitens: Mit 15.000 Ingenieuren haben wir eine enorme technische Fähigkeit und können damit neue Produkte, innovative Produkte entwickeln."
Nur: Für wen? Internationalisierung heißt das Zauberwort - der Blick der EADS-Manager geht künftig stärker denn je Richtung Asien und nach Amerika. Neue Märkte will man sich dort erschließen. Ob das so einfach gelingt sei aber fraglich, sagt Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Beispiel USA: Dort hatte EADS im Bieterstreit um neue Tankflugzeuge keinen Erfolg, so Brzoska.
O-Ton Brzoska:
„Und diese Strategie, nämlich in den mit Abstand größten Rüstungsmarkt der Welt reinzukommen, hat sich als falsch erwiesen. Und nun kommt noch hinzu, dass die Amerikaner auch noch stark im Rüstungsbereich sparen – insofern denke ich mal, dass EADS immer noch gut aufgestellt ist, international, aber von den Volumina nicht das ausgleichen kann, was in den europäischen NATO-Staaten weniger geworden ist."
Zuletzt scheiterte auch der Export des EADS-Kampfjets Eurofighter nach Indien und Südkorea. Sollten die weltweiten Verkaufskampagnen weiter so schleppend laufen, dann - so raunt es aus der Konzernführung - könnten sogar noch mehr Arbeitsplätze als bisher geplant zur Disposition stehen. Also am Ende doch wieder eine Hinwendung Richtung Europa? Kurz vor Weihnachten beschlossen die EU-Staaten eine engere Abstimmung ihrer Rüstungs-Politik. Und sogar über neue Aufträge wurde gesprochen: Über europäische Tankflugzeuge, Drohnen und Raketen-Systeme. Über Projekte also, von denen auch EADS profitieren könnte. Allerdings warnt Rüstungs-Experte Michael Brzoska auch hier vor allzu viel Optimismus:
O-Ton Brzoska:
„Man muss sehen, dass die Volumina bei diesen gemeinsamen Projekten eigentlich sehr klein sind. Das sind eher marginale Projekte, die deswegen auch für die nationalen Verteidigungsministerien alleine so gar nicht finanzierbar sind, weil man sagt: Wir haben so viele andere wichtigere Sachen – wir wollen jetzt für Tankflugzeuge nicht so viel Geld ausgeben."
Hinzu kommt: Mit gemeinsam geplanten und von EADS gebauten Rüstungsgütern machen Europas Staaten derzeit eher durchwachsene Erfahrungen. Nur wenige Tage nach Bekanntgabe der Einspar-Pläne im Konzern brachte eine Anfrage des Grünen Haushaltspolitikers Tobias Lindner ans Licht: Erneut gibt es technische Probleme beim Militärtransporter A400M. Der kann wohl erst Mitte 2015 an die Bundeswehr übergeben werden, ein halbes Jahr später als zuletzt geplant. Das Beispiel zeige: Vielleicht sollte der Konzern nicht gerade in jenen Sparten Personal streichen, wo man mit der Auftragsbewältigung ohnehin nicht hinterher komme, meint der Haushalts-Politiker Lindner:
O-Ton Lindner:
„Zumindest stärkt es nicht das Vertrauen in den Lieferanten. Man muss ganz deutlich sagen: Beim A400M setzt sich die Pannenserie leider fort. Airbus probiert es jetzt über ein halbseidenes Angebot zu kaschieren, indem angeboten wird: Ok, wir können zwar nicht rechtzeitig das, was vertraglich vereinbart ist, liefern - aber wir wären ja bereit, irgendwas hinzustellen, was abgespeckt ist..."
...eine technisch abgerüstete A400M-Version also, die man dann ja irgendwann nachrüsten lassen könne. Die Bundeswehr reagiert offiziell recht generös auf die erneute Verzögerung des dringend benötigten Flugzeugs: Die Luftwaffe, heißt es in einer Stellungnahme, setze weiterhin auf eine baldige Auslieferung der Transportmaschinen. Zitat:
Zitat:
„...auch wenn die ersten Flugzeuge voraussichtlich noch nicht alles können werden, was die Luftwaffe ursprünglich erwartet hatte."
EADS wird sich von Januar an "Airbus" nennen - so wie seine erfolgreiche zivile Flugzeugtochter. Die Diskussionen über technische Probleme, über jahrelange Verzögerungen und Kostenexplosionen bei militärischen Produkten des Konzerns dürften dennoch an Schärfe zunehmen - wenn das Unternehmen im Laufe des neuen Jahres damit beginnt, tausende Stellen in seiner zusammengelegten Rüstungssparte abzubauen.
* Aus: NDR Info: Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 28. Dezember 2013; www.ndr.de/info
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