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Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik ist für die Waffenlobby eine gute Adresse für Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern

Von Marvin Oppong *

Im Berliner Stadtteil Pankow-Niederschönhausen residiert in einem Gebäudekomplex des früheren DDR-Präsidialamtes die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Die Akademie ist ein zentraler Thinktank und reklamiert für sich, »die sicherheitspolitische Weiterbildungsstätte der Bundesregierung« zu sein. Hier kommen Führungskräfte aus der Verwaltung, Politiker, Wissenschaftler, Militärs und Vertreter der Waffenindustrie zusammen.

In der BAKS werden Konzepte erörtert, die Fragen von Krieg und Frieden berühren, die Sicherheit der Bundesrepublik betreffen und der Regierung als Richtlinie dienen sollen. Beispielsweise bei einem Seminar zum Thema »Energiesicherheit 2050« im Jahr 2008. Dessen Ergebnis war ein Papier, das »Empfehlungen für das heutige und künftige Handeln der Bundesregierung« ausspricht. Zu den Seminar­teilnehmern gehörte auch ein Topmanager des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS (jetzt Airbus), der Aufträge von der öffentlichen Hand erhielt und handfeste politische und wirtschaftliche Interessen hat.

»Hochrangige Runden«

Die Akademie ist eine gute Adresse für Rüstungsvertreter. Hier können sie ihre geschäftlichen Kontakte mit den Ministerialen bestens pflegen. Eine Broschüre zu einem regelmäßig ausgerichteten »Seminar für Sicherheitspolitik« verspricht Teilnehmern »hochrangige Gesprächsrunden«. Teilnehmer sind allen voran »herausgehobene Führungskräfte aus Bundes- und Landesressorts«.

Die Rüstungsindustrie war dabei, als 2007 in der Akademie der Grundstein für das »Rahmenkonzept für eine ressortübergreifende Sicherheitspolitik« gelegt wurde. Zu den Teilnehmern des dazugehörigen Seminars gehörten Vertreter von Rheinmetall, Thales Defence Deutschland und EADS. In dem Werbetext heißt es später, es sei eine »unverzichtbare Voraussetzung«, die Demokratie »notfalls auch mit polizeilichen und militärischen Mitteln zu schützen«.

Timo Lange von der Organisation Lobbycontrol kritisiert: »Denkfabriken wie die BAKS bieten der Industrie ein informelles Kontaktforum, um hinter verschlossenen Türen Interessen zu vertreten. Fehlende Transparenzregeln im Lobbybereich verhindern, daß die Öffentlichkeit mehr darüber erfährt, wie Rüstungskonzerne etwa auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik Einfluß nehmen, um letztlich ihre Absatzchancen zu erhöhen.« Einer Auflistung zufolge, die jW vorliegt, nahm allein seit Januar 2012 insgesamt 77mal ein Vertreter eines Rüstungsunternehmens an einer BAKS-Veranstaltung teil. Die Events tragen Namen wie »Roundtable-Diskussion«, »Schönhauser Forum« oder »Berliner Forum für Cybersicherheit«. Die Liste liest sich wie ein who’s who der Waffenlobby.

Vertreter des Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann (KMW) waren seit 2012 bei sieben Terminen mit von der Partie, unter anderem bei einer Veranstaltung zur »Zusammenarbeit verschiedener Sicherheitsakteure« in Afghanistan und einer Konferenz, die sich mit »unterschätzten sicherheitspolitischen Herausforderungen für Deutschland und die EU« befaßte. KMW ist auch an einem Milliarden-Waffengeschäft mit Katar beteiligt, über das, wie Ende Juni bekannt wurde, im Rüstungsexportbericht 2013 der Bundesregierung Angaben fehlen. Der Deal beinhaltet unter anderem die Lieferung von Leopard-2-Panzern und Panzerhaubitzen an das Ölscheichtum.

2013 nahm mindestens ein Mitarbeiter der Cassidian EADS Deutschland GmbH an einem BAKS-Workshop zur Krise in der Sahelzone teil. 2011 berichteten mehrere Medien, daß Cassidian gemeinsam mit anderen Firmen Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz im Sahel-Anrainerland Algerien produzieren wollte. Einen Auftrag zur Lieferung von Überwachungstechnik zur Grenzsicherung erhielt EADS aus Saudi-Arabien. Seit 2009 bilden Bundespolizisten saudische Grenzschützer aus. Die Bundesakademie ließ Fragen zu der Veranstaltung unbeantwortet. Auch Cassidian-Nachfolger Airbus Space & Defense wollte dazu keine Stellung nehmen.

Konservative Ausrichtung

Vertreter von Friedensinitiativen sucht man bei BAKS-Veranstaltungen vergeblich. Politisch ist die Akademie konservativ ausgerichtet. Als Partner hat sie neben der »Münchener Sicherheitskonferenz« die parteinahen Stiftungen von CDU, SPD und FDP, nicht aber die der Grünen oder Linken. Auch die Clausewitz-Gesellschaft, benannt nach dem gleichnamigen preußischen General und Militärtheoretiker, gehört dazu. Im März berichtete der Spiegel, die Mitgliederversammlung der Gesellschaft habe einen Antrag abgelehnt, sechs ehemalige Wehrmachtgeneräle von der Liste der Ehrenmitglieder zu streichen. Unter den Clausewitz-Mitgliedern befänden sich auch »aktive Gesinnungstäter«, darunter ein NPD-Bundespräsidentschaftskandidat.

Aus Antworten des Bundeswirtschaftsministeriums auf Kleine Anfragen der Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz (Die Linke) von April und Anfang Juni geht hervor, daß Offizielle und Rüstungslobbyisten nicht nur in der BAKS zusammen kamen. Hochrangige Vertreter des Kanzleramts sowie der Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen, Auswärtiges und Entwicklung trafen sich in der letzten Legislaturperiode und den ersten Monaten der laufenden dutzende Male mit Vertretern von Rüstungsherstellern. Die Begegnungen fanden statt auf Empfängen, parlamentarischen Abenden und »Get togethers«, bei Firmenbesuchen, einem Frühstück und sogar einem »Bayerischen Abend« – ausgerichtet von Rheinmetall. Vor kurzem war bekanntgeworden, daß der frühere Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) zu dem Rüstungskonzern wechselt – als Cheflobbyist.

Auch in Organisationen wie der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik oder der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) kommen Vertreter der Rüstungsindustrie mit Entscheidungsträgern zusammen. Dem Präsidium der in Bonn als Verein eingetragenen DWT gehören neben Abgeordneten von CDU, CSU und SPD auch Vertreter von Rüstungsschmieden wie KMW, Rheinmetall oder Diehl an. Vizepräsident der DWT ist der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Henning Otte.

Otte veröffentlichte diese Tätigkeit lange nicht auf seiner Abgeordnetenseite (bundestag.de), obwohl die Geschäftsordnung des Parlaments verlangt, daß Abgeordnete Nebentätigkeiten in Beratungsgremien von Vereinen mit nicht ausschließlich lokaler Bedeutung beim Bundestagspräsidenten melden. Nach einer entsprechenden Anfrage an Otte tauchte seine Tätigkeit als DTW-Vize wenige Tage später auf seiner Seite auf. Über einen Mitarbeiter bedankte sich Otte »für den Hinweis«.

»Es kann nicht sein, daß bei Politikern wie Henning Otte die Nähe zur Rüstungslobby für die Öffentlichkeit unsichtbar bleibt und eine Nebentätigkeit, zu deren Anzeige Herr Otte verpflichtet ist, erst nach Anfrage der Medien offengelegt wird«, erklärt Timo Lange von Lobbycontrol.

* Aus: junge Welt, Montag 11. August 2014


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