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"Gabriel hätte einfach nein sagen können"

SPD-Bundeswirtschaftsminister hat ohne Not Rüstungsexporte für 28 Millionen Euro nach Algerien genehmigt. Gespräch mit Jan van Aken *


Jan van Aken vertritt die Partei Die Linke im Auswärtigen Ausschuß des Bundestags.


Der sozialdemokratische Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat dem Rüstungskonzern Rheinmetall Waffengeschäfte mit Algerien im großen Stil genehmigt. Wie umfassend ist die Erlaubnis?

Milliardenschwere Waffengeschäfte laufen seit Jahren mit Algerien. In diesem Jahr will der Konzern eine Fertigungsstraße für den Radpanzer »Fuchs« für 28 Millionen Euro liefern. Das hat Gabriel aktuell genehmigt. Die vorherige Bundesregierung hat Genehmigungen im Wert von etwa 825 Millionen erteilt, um eine Lizenzproduktion von Transportpanzern und weiteren Militärfahrzeugen aufzubauen: Damit war Algerien 2013 Rüstungsempfänger Nummer eins. In den vergangenen drei Jahren sind dorthin Waffen für mehr als 1,3 Milliarden Euro geliefert worden.

Mischen bei diesen Geschäften noch weitere Rüstungsproduzenten mit?

Die Bundesregierung nennt in ihren Berichten niemals Firmennamen. Das Handelsblatt berichtet, insgesamt seien Projekte für 2,7 Milliarden Euro vereinbart: Der ThyssenKrupp-Konzern liefere zwei Fregatten; Daimler sei mit der Produktion von Lkw und Militärfahrzeugen beteiligt. Dafür habe ich keine Belege, halte es aber für möglich.

Gabriel behauptet, das Geschäft sei in weiten Teilen vom Vorgängerkabinett genehmigt gewesen.

Das stimmt nicht. Die ehemalige schwarz-gelbe Bundesregierung hat jede Menge Genehmigungen erteilt, aber die neue für 28 Millionen hat Gabriel zu verantworten. Er war nicht durch vergangene Genehmigungen gebunden und hätte einfach nein sagen können. Selbst wenn die Bundesregierung verpflichtet gewesen wäre, Schadenersatz zu zahlen: Dann hätten wir eben gezahlt! Gabriel hat großkotzig angekündigt, eine von der schwarz-gelben Regierung erteilte Genehmigung für den Bau eines Gefechtsübungszentrums in Rußland zurückzunehmen. Es geht also.

Sein Herauswinden zeigt, daß ihm die Angelegenheit unangenehm ist.

Ja, es ist ihm aber nur unangenehm, weil die Bevölkerung in Deutschland Waffenexporte kritisch diskutiert – es heißt nicht, daß er sie falsch findet. Seit einem halben Jahr redet er kritisch darüber, winkt aber alle durch.

In dem nordafrikanischen Land hat es keinen »arabischen Frühling« gegeben, weil die Polizei politisch Aktive teilweise an ihrer Haustür abfing, bevor sie zum Demonstrationsplatz gelangen konnten. Könnte es passieren, daß die Armee Waffen gegen das eigene Volk richtet?

Ja, selbst wenn die Waffen ausschließlich in Algerien bleiben, ist es kritisch zu sehen. Hat man in einem anderen Land eine Fabrik aufgebaut, gibt es keine Kontrolle mehr darüber. Es ist nicht davon auszugehen, daß Menschenrechte dort eingehalten werden und die Freiheit von Opposition und Presse gewährleistet ist.

Präsident Abdelaziz Bouteflika ist im April im Amt bestätigt worden. Gemutmaßt wird aber, daß er – weil zu alt und krank – nur als Vorzeigefigur einer Militärregierung fungiert. Wie kommt es zu der fadenscheinigen Rechtfertigung, Algerien sei kein Bürgerkriegsland?

Die Bundesregierung weiß, daß jede Art von Waffenexport schlecht ist, redet aber die Menschenrechtslage in Algerien schön. Immer müssen haarsträubende Begründungen her: Saudi-Arabien, einer der schwersten Menschenrechtsverletzer unter der Sonne, wird mit Waffenfabriken beliefert – angeblich, um die Region zu stabilisieren oder als Gegenpart zum Iran. Dahinter steht unbedingter Wille zu Rüstungsexporten.

Wie übt die Linkspartei Druck aus, um solche Waffengeschäfte künftig zu verhindern?

Wir machen mit unseren Anfragen an die Bundesregierung Waffenlieferungen öffentlich. Gabriel glaubt, er kommt damit durch, sich als Menschenfreund und Pazifist darzustellen, zugleich jedoch Waffengeschäfte durchzuwinken. Selbst innerhalb der CDU und SPD gibt es aber dazu mittlerweile Widerspruch. Es geht darum, Waffenexporte generell zu verbieten. Ziel ist, erstens den Export ganzer Waffenfabriken zu verbieten, zweitens auch von Kleinwaffen. Die Linke treibt diese Kampagne gemeinsam mit der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« voran: Der Zeitpunkt ist günstig, es gibt viel Kritik aus allen Ecken der Republik.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, Dienstag 26. August 2014


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