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"Unterstützt werden Despoten und Scheichs"

Hans-Christian Ströbele, meist einsamer linker Abgeordneter der Grünen, über das Panzergeschäft der Bundesregierung *


Hans-Christian Ströbele ist Rechtsanwalt und Bundestagsabgeordneter der Grünen. Vor allem weil er in Fragen der Migration, der Bürgerrechte und was Militäreinsätze angeht, nach wie vor linke Positionen vertritt, wird er von vielen als eine Art kritisches Gewissen der Grünen wahrgenommen.
Wegen des von der Bundesregierung vorgesehenen Verkaufs von 200 »Leopard«-Kampfpanzern an das autoritär regierte Saudi-Arabien hat er angekündigt, eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Für das "Neue Deutschland" (ND) sprach mit ihm Thomas Blum.


ND: Sie wollen beim Bundesverfassungsgericht klagen, sofern die Regierung keine Auskünfte zum Panzergeschäft macht. Warum?

Ströbele: Weil das Parlament die Pflicht hat, die Regierung in einer so wichtigen Angelegenheit von weltpolitischer Bedeutung zu kontrollieren.

Warum werden solche Geschäfte geheim gehalten?

Öffentlich werden sie ja gemacht, im Rüstungs-Exportbericht der Regierung. Aber das ist zeitversetzt, so dass dann eine Intervention des Parlaments gar nicht mehr möglich ist. Jetzt, nachdem das bekannt geworden ist, gibt es überhaupt keinen Grund mehr für die Bundesregierung, uns nicht zu informieren. Das ist möglich, auch wenn der Sicherheitsrat geheim tagt. Sie muss informieren. Und um das zu erzwingen – wenn die Regierung weiter die Informationen zurückhält –, bleibt leider nur das Bundesverfassungsgericht. Ich möchte die nicht immer wieder mit solchen selbstverständlichen Fragen beschäftigen, aber es bleibt dann keine andere Möglichkeit.

Natürlich gibt es sowohl von den potenziellen Käufern als auch von den potenziellen Verkäufern ein erhebliches Interesse, über diese Geschäfte keine öffentliche Diskussion zu führen. Nur: Bei so wichtigen, politisch sensiblen Lieferungen wie dieser müssen das Parlament und die Öffentlichkeit die Fakten kennen.

Guido Westerwelle spricht von »strategischen Interessen«. Werden hier auch politische oder strategische Interessen verfolgt?

Ja, das scheint so zu sein. Wir stehen ja vor dem unglaublichen Phänomen, dass die Bundesregierung einen Deal zu rechtfertigen versucht, von dem sie noch nicht mal erklärt hat, dass es den überhaupt gibt. Sondern sie sagt: Wir sagen gar nicht, ob es so was gibt. Und gleichzeitig versucht sie, ihn zu rechtfertigen. Das ist natürlich eine Verhöhnung der Öffentlichkeit. Hier sind offenbar strategische Interessen anzunehmen. Man übersieht dabei, dass in den Rüstungsexportrichtlinien seit Jahren drinsteht, dass bei systematischer Verletzung von Menschenrechten durch das Empfängerland eine Kriegswaffenlieferung nicht in Betracht kommt. Da findet keine Abwägung mehr statt.

Die Bundesregierung spricht von Saudi-Arabien als einem »Stabilitätsanker« in der Region. Man pflegt die besten Beziehungen, und gleichzeitig begrüßt man den »Arabischen Frühling«. Wie passt das zusammen?

Ich gehe auch davon aus, dass Saudi-Arabien leider ein Stabilitätsanker ist, aber nicht für die Völker des Nahen Ostens, sondern für die dortigen Despoten und die Scheichs. Da gibt es ja sogar Beistandspakte, wonach Saudi-Arabien und andere arabische Staaten verpflichtet sind, wenn es Demokratiebewegungen, wenn es Unruhe in der Bevölkerung gibt, sich gegenseitig zu Hilfe zu kommen. Wir können davon ausgehen, dass diese Panzer, wenn sie rechtzeitig geliefert werden, auch bei der Unterdrückung von Demokratiebewegungen in den Nachbarstaaten eingesetzt werden. Dazu ist Saudi-Arabien geradezu vertraglich verpflichtet. Das ist ein Grund, warum die Panzer nicht geliefert werden dürfen, völlig unabhängig davon, dass Saudi-Arabien ja auch keinerlei demokratische Institutionen hat, dass die Menschenrechte dort von Amts wegen ständig mit Füßen getreten werden, dass dort Folter an der Tagesordnung ist, dass dort Auspeitschungen stattfinden.

Was ist der Unterschied zwischen diesen Rüstungsexporten und denen der rot-grünen Regierung?

Leider wurden auch unter Rot-Grün Rüstungsexporte nicht nur durchgeführt, sie haben sogar in höherem Werte stattgefunden als vorher. Deshalb sind ja damals neue Rüstungsexportrichtlinien erlassen worden, die die Bundesregierung eigentlich binden sollten. Die sind danach nicht mehr verändert worden. Die sagen ganz klar: Rüstungsexporte von Kriegswaffen an Staaten außerhalb von NATO und EU müssen restriktiv behandelt werden, und unter bestimmten Voraussetzungen dürfen sie überhaupt nicht in Betracht kommen. Auch damals sind Fehler gemacht worden.

Haben Sie bei Ihrer Klage die Unterstützung Ihrer Fraktion? Oder sind Sie da, wie so oft, das linke Aushängeschild Ihrer Partei?

Mein Recht, Informationen von der Regierung zu bekommen, kann und will ich auch selbstständig in Anspruch nehmen. Aber ich weiß von vielen in der Fraktion, dass sie einen solchen Antrag mittragen und die Fraktion dies unterstützt.

Ist es für jemanden wie Sie nicht manchmal einsam in Ihrer Partei? Besteht nicht die Gefahr, dass Ihre Partei Sie gewissermaßen missbraucht, um als linke, kritische Partei wahrgenommen zu werden?

So ist das natürlich nicht. Aber ich verhehle nicht, dass es hie und da Situationen gibt, wo ich große Probleme habe, mit meinen Auffassungen Gehör zu finden.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juli 2011


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