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Blühende Geschäfte mit dem Tod

Deutschland Nr. 3 der Rüstungsexporteure

Von Olaf Standke *

Die USA sind mit einem Weltmarktanteil von 30 Prozent weiter größter Waffenexporteur, Indien hat in den vergangenen fünf Jahren mehr Rüstung im Ausland gekauft als jedes andere Land, und Deutschland als drittgrößter Waffenlieferant konnte seinen Anteil auf elf Prozent steigern, so der jüngste Report des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI.

126 Eurofighter will der europäische EADS-Konzern, an dem Daimler ein Drittel der Aktien hält, in Indien verkaufen. Und die Bundesregierung macht wie in anderen Fällen auf politischer Ebene heftige Lobbyarbeit. Auch deshalb konnten die deutschen Waffenschmieden in den vergangenen fünf Jahren mit Sturmgewehren, Panzern, Fregatten und U-Booten ihren Anteil am Weltmarkt im Vergleich zum Zeitraum 2001-2005 von sieben auf elf Prozent steigern. Damit ist die Bundesrepublik nach den USA und Russland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt, so eine jetzt in Stockholm präsentierte Studie des Friedensforschungsinstituts SIPRI. Wichtigste Absatzmärkte waren demnach Griechenland, Südafrika und die Türkei. »Die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung sind eine Farce«, erklärte dazu Jan van Aken, Vizevorsitzender der Bundestagsfraktion DIE LINKE, am Montag in Berlin.

Die Stockholmer Wissenschaftler werten die Rüstungsgeschäfte im Fünfjahreszeitraum aus, um starke Schwankungen durch einzelne Großaufträge auszugleichen. Das Volumen der Waffenlieferungen weltweit stieg seit 2006 im Vergleich zu 2001 bis 2005 um etwa 24 Prozent. Allein im Jahr 2009 beliefen sich alle Rüstungsausgaben auf 1,5 Billionen Dollar (heute umgerechnet etwa 1,1 Billionen Euro). Laut SIPRI sorgten vor allem die militärischen Ambitionen der asiatischen Mächte Indien, Südkorea, China und Pakistan für volle Auftragsbücher der Rüstungsindustrie. So habe Delhi mehr Waffen aus dem Ausland gekauft als jedes andere Land der Welt, neun Prozent der weltweiten Rüstungsexporte gingen auf das indische Konto. 71 Prozent seiner Waffeneinfuhren seien dabei Militärflugzeuge gewesen. Während Indiens Importe um 21 Prozent stiegen, wuchsen die Pakistans sogar um 128 Prozent. Die Beziehungen zwischen den beiden benachbarten Atomwaffenmächten sind seit Jahrzehnten äußerst angespannt.

Auch der Nahe Osten und die Staaten Nordafrikas gelten nach SIPRI-Angaben als »potenziell lukrative Märkte« für die Waffenschmieden, die sich dort einen »intensiven Konkurrenzkampf« lieferten. Besonders die Vereinigten Arabischen Emirate, Israel, Ägypten und Algerien, aber auch Libyen seien begehrte Absatzziele gewesen. »Gewinne der heimischen Rüstungsindustrie sind der Bundesregierung so wichtig, dass sie die Hochrüstung autoritärer Regime wie die in Ägypten, Libyen und Saudi-Arabien genehmigte«, kritisierte van Aken. In Worten solidarisiere man sich mit den Freiheitsbewegungen dort, in Taten jedoch erlaube Berlin Rüstungsexporte in diese Länder und gefährde so den demokratischen Wandel in diesen Staaten. DIE LINKE hat in den Deutschen Bundestag den Antrag »Alle Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern stoppen« eingebracht.

* Aus: Neues Deutschland, 15. März 2011


Tödliches Geschäft

Von Olaf Standke **

Eine seiner letzten Schlachten schlug Bundesverteidigungsminister a.D. Karl-Theodor zu Guttenberg in Indien. Auf einem Werbefeldzug machte er sich für den Eurofighter von EADS stark und versuchte, deutschen Waffenschmieden den Weg auf den heiß umkämpften Rüstungsmarkt zu ebenen. Der Kampfjet konkurriert im Rennen um einen sieben Milliarden Euro schweren Auftrag der Regierung in Delhi mit Angeboten aus den USA, Russland, Schweden und Frankreich. Indien hat in den vergangenen fünf Jahren mehr Waffen aus dem Ausland gekauft als jedes andere Land , wie es im jüngsten Report des Friedensforschungsinstituts SIPRI heißt. Neun Prozent aller Rüstungsexporte gingen damit in ein Land, das nicht nur durch den Kaschmir-Konflikt mit Pakistan in einer besonders spannungsreichen Region liegt. Doch wenn es darum geht, Profite zu machen und geostrategische Interessen durchzusetzen, bremsen die vielfältigen Gefahren solcher Waffenlieferungen nicht. Auch der Nahe Osten und die Staaten Nordafrikas, wo es in den vergangenen Wochen massive Massenproteste gab und weiter gibt, wurden laut SIPRI als »potenziell lukrative Märkte« betrachtet. Die jüngste Entwicklung etwa in Libyen zeigt die verheerenden Folgen. Selbst wenn die USA und Russland weiter unangefochten die Spitzenplätze auf der Hitliste der Todeshändler einnehmen – Deutschland mischt als drittgrößter Rüstungsexporteur führend mit im schmutzigen Geschäft. Auch ohne zu Guttenberg.

* Aus: Neues Deutschland, 15. März 2011 (Kommentar)

India world's largest arms importer according to new SIPRI data on international arms transfers

(Stockholm, 14 March 2011) India is the world's largest arms importer according to new data on international arms transfers published today by Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). The comprehensive annual update of the SIPRI Arms Transfers Database is accessible from today at www.sipri.org. Read the Swedish version here and the French version here.

India received 9 per cent of the volume of international arms transfers during 2006–10, with Russian deliveries accounting for 82 per cent of Indian arms imports.

‘Indian imports of major conventional weapons are driven by a range of factors. The most often cited relate to rivalries with Pakistan and China as well as internal security challenges’,states Siemon Wezeman of the SIPRI Arms Transfers Programme. ‘As an importer, India is demanding offsets and transfers of technology to boost its own arms industry, and, in order to secure orders, major suppliers are agreeing to such demands’.

Supplier competition

‘There is intense competition between suppliers for big-ticket deals in Asia, the Middle East, North Africa and Latin America’, states Dr Paul Holtom, Director of the SIPRI Arms Transfers Programme. The Eurofighter consortium (comprised of Germany, Italy, Spain and the UK), France, Russia, Sweden and the USA are competing for combat aircraft orders in these regions, with notable competitions in Brazil and India. France, Germany, Italy and the UK are competing for orders for naval equipment from Algeria.

Mark Bromley, European expert of the programme, adds that ‘European producers in particular are seeking export opportunities and are benefiting from government assistance with export promotion activities’. This can be seen with government support for British, French, Italian and Swedish companies in the competition for billion dollar orders from Brazil for combat aircraft and warships, although newly elected Brazilian President Dilma Rouseff has delayed awarding contracts for these systems.

Middle East and North Africa

The states of the Middle East and North Africa have been regarded as potentially lucrative markets for arms exporters thanks to the resource revenue windfall of recent years. Interstate and internal tensions provide drivers for demand as well as give cause for concern.

During 2006–10, arms imports were particularly high in the United Arab Emirates, Israel, Egypt and Algeria. Based on existing orders and known procurement plans, Saudi Arabian and Moroccan arms imports are expected to rise significantly in the coming years.

According to Pieter Wezeman of the SIPRI Arms Transfers Programme ‘Although Libya placed only limited orders for major conventional weapons following the lifting of the UN arms embargo in 2003, in recent years it has served as an excellent illustration of the competition between major suppliers France, Italy, Russia and the UK for orders’.

However, there are limits to what supplier states are willing to provide, as shown by the imposition of United Nations Security Council arms embargoes on the supply of most major weapons to Iran in June 2010 and for a broad range of military and paramilitary equipment to Libya in February 2011.

Other notable developments
  • The average volume of worldwide arms transfers in 2006–10 was 24 per cent higher than in 2001–2005.
  • The major recipient region in 2006–10 remained Asia and Oceania (43 per cent of all imports), followed by Europe (21 per cent), the Middle East (17 per cent), the Americas (12 per cent) and Africa (7 per cent).
  • The four largest importers of conventional weapons in 2006–10 are located in Asia: India (9 per cent of all imports), China (6 per cent), South Korea (6 per cent) and Pakistan (5 per cent). These states have imported, and will continue to take delivery of, a range of major conventional weapons, in particular combat aircraft and naval systems.
  • The USA remains the world’s largest exporter of military equipment, accounting for 30 per cent of global arms exports in 2006–10. During this period, 44 per cent of US deliveries went to Asia and Oceania, 28 per cent to the Middle East and 19 per cent to Europe.
Source: SIPRI, 14 March 2011; www.sipri.org



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Bombengeschäfte für Lockheed und Co.
SIPRI-Bericht: Die größten Waffenschmieden der Welt verdienen auch in der globalen Wirtschaftskrise sehr gut (23. Februar 2011)


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