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Deutsches Know-how für Fundamentalisten

Bundesregierung fördert Export von Sicherheitstechnik in die Golfstaaten

Von Marek Voigt *

Die Bundesregierung will auf einer von ihr finanzierten Tagung zum Thema Sicherheitstechnologie in den Golfstaaten nach eigenen Angaben »das Thema Menschenrechtslage voraussichtlich nicht ansprechen«. Das geht aus der am Montag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur »1st German-GCC Security Conference« hervor, zu der sich gestern in einem Düsseldorfer Luxushotel Regierungs- und Industrievertreter aus der Bundesrepublik und den Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) getroffen haben. Dazu gehören Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. »Die Bundesregierung behauptet in ihrer Antwort, eine vertiefte politische und wirtschaftliche Kooperation ermögliche es auch, menschenrechtliche Defizite anzusprechen. Doch bei der von ihr selbst finanzierten Konferenz macht sie davon nicht Gebrauch«, erklärt dazu die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler (Die Linke). »Die Menschenrechte werden wieder einmal Profitinteressen geopfert.«

Auf der Konferenz geht es vor allem um Exporte zur Hochrüstung der Grenzüberwachung und der technikgestützten Kontrolle von Kraftwerken und Transportwegen. Die dazu genutzte Technologie kommt häufig aus der militärischen Forschung. Im letzten Jahr waren Pläne für den Export von 270 modernen Kampfpanzern vom Typ Leopard 2A6 nach Saudi-Arabien bekannt geworden. Im saudischen Königreich ist auch EADS aktiv. Der Konzern hat den Saudis für zwei Milliarden Euro ein Grenzüberwachungssystem verkauft, Bundespolizisten übernehmen die Ausbildung der saudischen Grenzschützer. Saudi-Arabien hatte im letzten Jahr mit 1000 Soldaten geholfen, die Protestbewegung in Bahrain blutig niederzuschlagen.

Offenbar geht man inzwischen davon aus, daß nach dem Abklingen des Medieninteresses heute das Klima für eine Geschäftsförderung wieder günstiger ist. Die Finanzmittel des Wirtschaftsministeriums für die Veranstaltung in Höhe von 30000 bis 40000 Euro entstammen dem Haushaltstitel »Erschließung von Auslandsmärkten, Unterposition Markt¬erschließungsmaßnahmen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) des produzierenden Gewerbes und Dienstleister«. Auf der Konferenz sollte unter dem Titel »Best Practice« ein Vertreter der Rheinmetall AG zum Thema »Kritische Infrastrukturen sichern – Herausforderungen und Stand der Technik« sprechen. Anscheinend fällt nach Auffassung der Bundesregierung die Rheinmetall AG, der achtgrößte Rüstungskonzern Europas, unter die Kategorie kleine und mittelständische Unternehmen.

»Ob Panzer für Saudi-Arabien oder ›Sicherheitstechnik‹, wenn deutsche Unternehmen Gewinne machen können, fördert die Bundesregierung dies, egal ob die Bevölkerung damit unterdrückt wird«, so die Abgeordnete Vogler. »Daß ausgerechnet die Panzerschmiede Rheinmetall auf der Konferenz als ›Best-Practice‹-Beispiel auftreten kann, zeigt, welches Verständnis von Sicherheit die Veranstalter haben.«

Um die militaristische Ausrichtung zu tarnen, täuscht die Bundesregierung Parlament und Öffentlichkeit. Die Abgeordneten hatten auch nach den Themen der Vorträge auf der Konferenz gefragt. In ihrer Antwort behauptet die Regierung, es ginge in den einzelnen Referaten nur jeweils um »zivile Sicherheitstechnologien und -dienstleistungen« oder »zivile Sicherheit«. Das dem Autor vorliegende englischsprachige Programm der Konferenz weist aber Vorträge zu »Security Technologies and Services« und »Security Sector« aus, eine deutliche Beschränkung auf »zivile Sicherheit« geht aus dem Programm nicht hervor. Über die Teilnehmer der Konferenz kann oder will die Bundesregierung keine Auskunft geben. So wird unklar bleiben, ob in den bilateralen Geschäftsgesprächen, für die die Veranstalter am Ende der Konferenz zweieinhalb Stunden eingeplant haben, der nächste große Rüstungsdeal eingefädelt wurde oder ein System zur Computerüberwachung mißliebiger Oppositioneller über die Ladentheke wanderte.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 25. September 2012

Menschenrechte werden Profitinteressen geopfert

Pressemitteilung Kathrin Vogler und Andrej Hunko, MdB, 24. September 2012

„Die Menschenrechte werden wieder einmal Profitinteressen geopfert“, empört sich Kathrin Vogler, MdB DIE LINKE. Die Bundesregierung wird auf einer von ihr mit bis zu 40.000 Euro finanzierten Tagung zum Thema Sicherheitstechnologie in den Golfstaaten nach eigenen Angaben „das Thema Menschenrechtslage voraussichtlich nicht ansprechen“.

„Die Bundesregierung behauptet, eine vertiefte politische und wirtschaftliche Kooperation ermögliche es auch, menschenrechtliche Defizite anzusprechen. Doch bei der von ihr selbst finanzierten Konferenz macht sie davon nicht Gebrauch,“ erklärt Kathrin Vogler.

Die Linksfraktion hatte eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zur „1st German-GCC Security Conference“ gestellt, zu der sich heute in Düsseldorf Regierungs- und Industrievertreter aus der Bundesrepublik und den Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und VAE treffen wollen. Auf der Konferenz geht es um Exporte zur Hochrüstung der Grenzüberwachung und der technikgestützten Kontrolle von Kraftwerken und Transportwegen. Die genutzte Technologie kommt häufig aus der militärischen Forschung.

Kathrin Vogler (DIE LINKE.), Mitglied im Unterausschuss Zivile Krisenprävention des Bundestags, erklärt dazu: „Ob Panzer für Saudi-Arabien oder ‚Sicherheitstechnik‘, wenn deutsche Unternehmen Gewinne machen können, fördert die Bundesregierung dies, egal ob die Bevölkerung damit unterdrückt wird. Dass ein Vertreter des Rüstungskonzerns Rheinmetall, der maßgeblich am Bau des Leopard-2-Panzers beteiligt ist, auf der Konferenz als ‚Best-Practice‘-Beispiel auftreten wird, zeigt, welches Verständnis von Sicherheit die Veranstalter haben.“

Andrej Hunko (DIE LINKE.), Mitglied im EU-Ausschuss des Bundestages, erklärt: „Konferenzen wie die ‚1st German-GCC Security Conference‘ zeigen die Doppelmoral deutscher Außenpolitik: Außenminister Westerwelle kündigte auf einer Regierungskonferenz zur Freiheit des Internet an, sich für Exportbeschränkungen von Überwachungstechnologie einzusetzen. Das Auswärtige Amt ruderte wenige Tage später zurück und erklärte, es handele sich lediglich um die Aufnahme derartiger Soft- und Hardware in die Sanktionsliste der Europäischen Union für Syrien und Iran. Ausfuhrbeschränkungen von Überwachungstechnologie laufen aber ins Leere, wenn über betroffene Länder nach politischem Gutdünken entschieden wird. Zudem werden die digitalen Spähwerkzeuge weltweit gegen politisch unliebsame Bewegungen genutzt – in Teheran genauso wie in Dresden, Minsk und Riad. Die Bundesregierung muss sich deshalb in internationalen Gremien für den Abbau der digitalen Überwachung einsetzen.“




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