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"Der Kunde ist König"

Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien praktisch unter Kommando des Rüstungskonzerns EADS. Vermittlung rechtsstaatlicher Prinzipien aus Ausbildungsprogramm gestrichen

Von Ulla Jelpke *

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hält am Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien fest: »Ich finde, daß es da keinen Grund gibt, das in irgendeiner Weise zu kritisieren oder in Frage zu stellen«, erklärte er am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Auf zahlreiche Medienberichte, nach denen die Bundespolizei bei ihrer Tätigkeit in Saudi-Arabien auf die Vermittlung rechtsstaatlicher Grundsätze verzichte und als Dienstleister des Rüstungskonzerns EADS fungiere, ging Friedrich nicht ein.

Seit 2009 waren bislang rund 80 Angehörige der Bundespolizei in Saudi-Arabien stationiert. Ihre Tätigkeit steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Exportgeschäften des EADS-Konzerns, der Überwachungstechnik an das Regime in Riad liefert. Die Bundesregierung hatte den Deal damit begründet, daß Saudi-Arabien ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus sei. Ein integraler Bestandteil der Polizeiausbildung sei außerdem die »Vermittlung von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen«. Diese Behauptung wurde inzwischen allerdings nachhaltig erschüttert: Das ARD-Magazin »Fakt« hat schon Ende Mai aufgedeckt, dass Teile der Grenze, die Saudi-Arabien mit deutschem Know-how sichern will, im November 2009 vom saudischen Militär regelrecht freigebombt wurden. Aus den Ausbildungsinhalten der Bundespolizei seien außerdem gezielt Hinweise auf rechtsstaatliche Prinzipien beseitigt worden. Zur Begründung hieß es in internen Rundschreiben der Bundespolizei: »Wichtig ist, was der Kunde will und nicht, was wir wollen oder gerne hätten. Der Kunde ist eben im wahrsten Sinne des Wortes König«. Und in diesem Fall zudem ein äußerst brutaler, der im Frühjahr seine Truppen ins Nachbarland Bahrain in Marsch setzte, um die dortige Demokratiebewegung niederzuschlagen. Diese blutige Unterdrückung wiederum wird in einem weiteren Rundschreiben, über das der MDR berichtete, als »Sicherungsmaßnahme wichtiger Infrastruktur« verharmlost.

Die Unterordnung unter das saudische Regime und die EADS-Konzerninteressen behagt nicht allen Bundespolizisten: Dem Magazin Stern vom Donnerstag zufolge beklagen sich Beamte, sie würden vor Ort wie »Subunternehmer« des Konzerns behandelt. Ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung vom selben Tag, die Inhalte der Polizeiausbildung würden unter Anleitung des Konzerns auf die Bedürfnisse von EADS abgestimmt. Auch Kritik am Schußwaffentraining spielte Innenminister Friedrich herunter. Es gehe »nicht um Schießtraining, sondern um das sichere Tragen einer Polizeiwaffe«, behauptete er gegenüber dpa. In seiner Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hatte das Innenministerium allerdings schon vor einem Monat angegeben, die Ausbildung am Sturmgewehr G3 – keineswegs eine herkömmliche Polizei-, sondern eine Kriegswaffe – habe zum Ziel, das Gewehr »auch in körperlich und geistig anspruchsvollen Situationen handlungssicher zu handhaben«.

Ein Vertrag über »Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich« zwischen der Bundesregierung und dem Regime in Riad wurde nach Informationen des aktuellen Stern schon vor zwei Jahren unterzeichnet. Dem Bundestag wurde er jedoch bis heute nicht vorgelegt. Wahrheitswidrig behauptet Friedrich dennoch, die Opposition wisse »seit Jahren von dieser Zusammenarbeit«. Die Linksfraktion stellte am Freitag in einer Pressemitteilung fest, die Kooperation mit Saudi-Arabien lasse »jede Rücksicht auf die Menschenrechte vermissen« und forderte deren sofortigen Stopp.

* Aus: junge Welt, 16. Juli 2011


Delikate Geschäfte

Von Christian Klemm **

Saudi-Arabien bringt die schwarz-gelbe Bundesregierung zur Zeit mächtig in Verlegenheit. Rund 200 Panzer sollen an das autoritäre Königreich geliefert werden – aus strategischen und sicherheitspolitischen Gründen, wie es heißt. Das Land soll als Regionalmacht im Nahen Osten gestärkt, als Gegengeweicht zum anti-westlichen Iran und als Brückenkopf gegen den islamistischen Terrorismus, der in der Region potente Geldgeber hat, ausgebaut werden. Die Zusammenarbeit mit den Scheichs vom Golf aber geht weit über die Panzerlieferungen hinaus. Denn Bundespolizisten bilden die saudischen Grenzer aus. Waffenübungen gehören zum Trainingspaket dazu. Und der europäische Rüstungsgigant EADS »modernisiert« gerade die königlichen Grenztruppen. Die Ausbildung ist Bedingung für das Geschäft gewesen. So werden deutsche Polizisten zu Lakaien der Rüstungsindustrie gemacht, die den EADS-Bossen und -Aktionären satte Gewinne bescheren.

Details kennt außer den unmittelbar Beteiligten jedoch niemand. Denn wie das Panzergeschäft wird auch die Polizeimission möglichst sorgfältig unter den Teppich gekehrt. Die Öffentlichkeit wird so gut wie nicht informiert. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß, scheint das Motto der Bundesregierung zu sein. Auch der Bundestag tappt weitgehend im Dunklen. Durchgesickert ist immerhin, dass die Saudis über EADS in einen Topf einzahlen, woraus die Zulagen der Bundespolizisten finanziert werden sollen. Eine Verbindung zwischen EADS und deutscher Polizei ist also da. Grund genug, die Beamten unverzüglich in die Heimat abzukommandieren.

** Aus: Neues Deutschland, 16. Juli 2011 (Kommentar)

Handelsobjekt des Tages: Panzerhaubitze 2000

Das Mordgerät wiegt leer 49 Tonnen, ist über elf Meter lang und jeweils ungefähr 3,5 Meter breit und hoch. Es verfügt über eine 155-Millimeter-Kanone mit einer Reichweite von bis zu 56 Kilometern sowie ein Maschinengewehr und wird von Krauss-MaffeiWegmann und Rheinmetall produziert. Sie preisen ihr Produkt als das »leistungsfähigste Artilleriesystem der Welt«. Die Bundeswehr erhielt 185 Stück. Konzipiert wurde die Panzerhaubitze 2000 in Zeiten des Kalten Krieges und bewährt sich nun offenbar zur Zufriedenheit der westlichen Demokratieexporteure im Krieg in Afghanistan. Erstmals wurde die Maschine dort 2006 eingesetzt, wobei nach Wikipedia-Angaben in einer Operation allein 4000 Geschosse abgefeuert wurden. Die Bundeswehr verlegte 2010 und Anfang dieses Jahres insgesamt fünf Exemplare an den Hindukusch.

Die Schlachtfeld-Referenz rief, so berichtet nun Bild am Sonntag (17. Juli), Kaufinteressenten auf den Plan. Bereits im Sommer 2009 hat der Bundessicherheitsrat nach Angaben des Blattes die Lieferung von 24 Panzerhaubitzen 2000 an das Emirat Katar beschlossen. Damals gehörten dem Gremium mehrere SPD-Minister an: Frank-Walter Steinmeier, Brigitte Zypries, Peer Steinbrück und Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Die deutsche Boombranche Waffenhandel hat außerdem zu vermelden: Der sogenannte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat laut Spiegel bei seinem Besuch in Israel in der vergangenen Woche über die Lieferung eines sechsten »Dolphin«-U-Bootes mit seinen Partnern gesprochen. Die Bundesregierung fördert demnach den Verkauf in den kommenden vier Jahren mit insgesamt 135 Millionen Euro. Im Entwurf des Bundeshaushaltes 2012 werde die Ausgabe als »Beitrag zur Beschaffung von Verteidigungssystemen für Israel« im Einzelplan 60 (»Allgemeine Bewilligungen«) aufgeführt. Das Schiff kann mit nuklearen Marschflugkörpern bestückt werden. Deutscher subventionierter Freihandel schafft Frieden.
(asc)

*** Aus: junge Welt, 18. Juli 2011


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