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Wettrüsten gegen die Menschenrechte

Von Barbara Lochbihler *

Die Ausfuhr von 200 deutschen Leopard-Panzern an Saudi-Arabien ist ein fatales Signal an die im Umbruch befindliche arabische Welt. Berlin weigert sich zwar, die Ausfuhr offiziell zu bestätigen – aber allein die Tatsache, dass über eine derartige Lieferung nachgedacht wird, beweist, dass die Bundesregierung nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Seit Wochen müssen wir mit ansehen, wie Diktatoren in Libyen und Syrien – die jahrelang auch aus Europa militärisch unterstützt wurden – brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgehen. Und was macht die Regierung? Sie erwägt die Ausfuhr von Panzern an Saudi-Arabien.

Dabei sind die wenigen Argumente, die die Befürworter des Deals ins Feld führen, völlig gehaltlos. Besonders verquer ist die Meinung, eine weitere Aufrüstung des ohnehin übermilitarisierten Saudi-Arabiens sei zur Stabilisierung des Mittleren Ostens und als Gegenpol zu Iran notwendig. Das Gegenteil ist der Fall. Mit jedem Panzer, den wir nach Saudi-Arabien liefern, unterstützen wir jene Kräfte in der Region, die eine massive Aufrüstung und möglicherweise sogar eine militärische Nutzung der Nukleartechnik fordern.

Die geplante Lieferung verletzt außerdem die von der rot-grünen Koalition eingeführten Rüstungsexport-Richtlinien. Die besagen in Absatz 2, der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland müsse besonderes Gewicht beigemessen werden.

Saudi-Arabien zählt jedoch zu den fünf Staaten, in denen Homosexualität noch mit dem Tode bestraft wird. Migranten arbeiten und leben unter unmenschlichen Bedingungen. Frauen dürfen nicht einmal Auto fahren, geschweige denn gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Folter, regelmäßig auch mit Todesfolge, ist an der Tagesordnung. Und körperliche Strafen gegen Minderjährige gehören ebenso zum Repertoire der Strafverfolgung wie Enthauptungen, bei denen der Leichnam anschließend öffentlich gekreuzigt wird.

Auch gegen Absatz 3 der Richtlinien verstößt die geplante Lieferung. So besteht – gerade angesichts der derzeitigen Umwälzungen in der arabischen Welt – nicht nur die Gefahr, dass deutsche Panzer in Saudi-Arabien zur internen Repression genutzt werden könnten. Die brutale Einmischung in einen internen Konflikt in Jemen im Jahre 2009 sowie die erst kürzlich beobachtete Niederschlagung friedlicher Proteste im benachbarten Bahrain stellen außerdem eine klare Verwicklung des Landes in äußere Konflikte dar. In beiden Fällen sind laut deutschen Richtlinien Rüstungslieferungen verboten. Die Bundesregierung scheint dies aber ebenso wenig zu interessieren wie die katastrophale Menschenrechtslage.

Wem dient also das geplante Geschäft? Nicht der Sicherheit in der Region. Auch nicht der Sicherheit Deutschlands. Und erst recht nicht der in den Sonntagsreden der Regierung hoch gelobten arabischen Demokratiebewegung. Bleibt die deutsche Wirtschaft, beziehungsweise ein einziges deutsches Rüstungsunternehmen, das der schwarz-gelben Koalition wichtiger zu sein scheint als universelle Menschenrechte.

Um derart skandalöse Geschäfte künftig zu vermeiden, müssen die auf Freiwilligkeit basierenden Richtlinien in ein verbindliches Gesetz umgewandelt werden. Ferner dürfen nur die wichtigsten Elemente hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, spätestens die Beschlüsse gehören veröffentlicht – umgehend und nicht erst im Jahresbericht, wenn es für jede Reaktion zu spät ist. Zuerst aber muss die Bundesregierung von der Lieferung an Saudi-Arabien Abstand nehmen.

* Die Autorin ist Menschenrechtspolitische Sprecherin der GRÜNEN/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament.

Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2011 ("Brüsseler Spitzen")



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