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Pullover für einen Panzer

Ein Kunstprojekt in Dresden sorgt für Kontroversen

Von Hendrik Lasch, Dresden *

Zum 13. Februar will ein Kunstprojekt in Dresden zum Gespräch über Krieg und Gewalt anregen – und dafür einen Panzer einstricken. Schon bevor dieser verhüllt ist, gibt es Streit.

Am Turm passt der Überzieher nicht. Das Olivgrün des Panzers schaut unter der bunten Flickendecke heraus. »Macht nichts«, sagt Kristina Krömer, »da pusseln wir noch ein Stück ran.« Die junge Frau mit den roten Locken kramt in einer Kiste voll bunter gestrickter Flicken in Rosa und Himmelblau, mit Streifen und Zopfmuster. Zwei Damen greifen zur Nähnadel und passen die Stücke ein.

Es ist Anprobe im Depot des Militärhistorischen Museums. In der Halle voll Kriegstechnik bekommt ein Leopard-Panzer der Bundeswehr eine Art bunten Pullover. Die Hülle für das Großgerät ist Teil eines Kunstprojekts mit dem Titel »Auf ins Geflecht!«, das Kristina Krömer und Barbara Niklas vom Verein »Louisen Kombi Naht« in Dresdens Neustadt ersonnen haben und das vom Militärhistorischen Museum der Bundeswehr unterstützt wird.

Stunden vor der Anprobe sitzen Niklas und Krömer in einem Laden in der Neustadt. Auf Bügeln hängen Jacken, die aus Schlafsäcken entstanden sind – »Upcycling « nennt sich diese Wiederverwertung alter Materialien. Sie wird im »Louisen Kombi Naht« ebenso praktiziert wie das Generationen übergreifende Handarbeiten. Stricken und Nähen, sagen die beiden, sei heute bei Jungen wieder ebenso populär wie bei Alten – und damit ein guter Weg, beide ins Gespräch zu bringen. Das ist das Ziel des Vereins in einem Viertel, in das viele Studenten ziehen, wo alteingesessene Mieter aber oftmals an den Rand gedrängt werden.

Beim gemeinsamen Handarbeiten entstand auch die Idee, die Generationen in ein Gespräch über Krieg und Gewalt zu »verwickeln«. Auslöser für ihre Idee war die Debatte über die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Ältere Dresdner haben die Bombardierung am 13./14. Februar 1945 als leidvolles persönliches Erlebnis in Erinnerung. Jüngere Menschen erleben das Datum als Anlass für Aufmärsche von Nazis, die das Leid der Bevölkerung vereinnahmen und deutsche Kriegsschuld zu relativieren suchen. »Wir wollten, dass Ältere und Jüngere sich über ihre Erfahrungen unterhalten«, sagt Krömer. Etwas so »friedliches wie Handarbeit« sei dazu gut geeignet, fügt Niklas an.

Also treffen sich seit einigen Monaten rund 40 Menschen, vorwiegend Frauen, in dem Ladenlokal in der Louisenstraße und stricken an der Hülle für den Panzer. Die Verhüllung ist ein sehr symbolträchtiges Unterfangen. Zum einen wird das Kriegsgerät per Handarbeit quasi unschädlich gemacht. Zum anderen aber soll die Technik des Strickens auch Assoziationen zum »Verstricktsein« des Einzelnen in historische Ereignisse wecken. Es gehe, heißt es im Aufruf zur Aktion, um ein »Zeichen gegen Krieg und Gewalt«.

Bis dieses gesetzt werden kann, sind zunächst sehr, sehr viele Maschen zu stricken. Wie viele Knäuel Wolle inzwischen verarbeitet wurden, weiß niemand mehr zu sagen; auch die Fläche, die so eine Panzerhülle hat, lässt sich nur schätzen. Anfangs hieß es, viel mehr als 32 Pullover würden es nicht sein. Ganz so sicher ist sich da heute niemand mehr. Fakt ist aber, dass sich das Gestrick nicht einmal mehr auf Fahrradgepäckträgern ins Museumsdepot transportieren lässt, wo der Panzer steht. Aus dem Grund wird die Anpassung nun im Depot und nicht mehr im Laden stattfinden, wo an vielen Nachmittagen zahlreiche bunten Flicken entstanden sind.

Dort hätten sich beim Klappern der Nadeln spannende Gespräche ergeben, sagen Krömer und Niklas. Einige betagte Teilnehmerinnen hätten berührende Erlebnisse aus den Kriegstagen in Dresden geschildert. Um die Debatte über den Kreis der Strickerinnen zu erweitern, wurden zudem Vorträge organisiert. Mit wachsender öffentlicher Aufmerksamkeit entspannen sich aber auch unerwartete und teils scharf geführte Kontroversen zum Projekt. Eines Tages etwa stürmte eine Gruppe Menschen in den Laden, die sich auf Flugblättern als »Bündnis gegen Verstrickung« zu erkennen gaben und per Lautsprecher Reden von NS-Propagandaminister Goebbels abspielten – zum Schrecken vor allem älterer Strickerinnen.

Der Vorwurf des Bündnisses war harsch: Das Kunstprojekt, hieß es, verhöhne die NS-Opfer. Anlass dafür war, dass zunächst ein sowjetischer Panzer vom Typ T 34 verhüllt werden sollte. Dieser spielte bei der Zerstörung Dresdens, die durch britische und amerikanische Bomber erfolgte, keinerlei Rolle, er habe vielmehr »zur Abwehr eines deutschen Vernichtungskrieges« gedient und sei deshalb ein völlig ungeeigneter Gegenstand für das Thema, sagten die Kritiker. Sie hielten den Strickerinnen »unbedachte Naivität« und »Enthistorisierung« vor.

Die verwahren sich dagegen – und erklären, wie es zum T 34 kam. Ursprünglich gab es auch die Idee, ein militaristisches Detail eines Denkmals in Dresden einzustricken. Dabei wurde man aber nicht fündig. Später gab es Kontakt zum Militärhistorischen Museum – und die Idee, einen Panzer zu umhüllen, ein prototypisches Kriegsgerät mit prägnanter äußerer Form. Ein Panzer der Wehrmacht stand »aus konservatorischen Gründen« nicht zur Verfügung. Der T 34 indes ist als meistproduzierter Panzer weltweit in großer Stückzahl vorhanden. Zudem hätte er es erlaubt, auch die Dialektik von zerstörerischer und gewissermaßen Frieden stiftender Wirkung zu thematisieren, sagt Krömer: »Er brachte Leid für viele Deutsche, aber mit seiner Hilfe wurde auch der von Deutschland entfesselte Krieg beendet.«

Im harschen Streit drangen solche Argumente nicht durch – wie überhaupt die Kontroverse nur über Flyer und Internetforen geführt wurde; zum Dialog erklärten sich die Kritiker erst bereit, wenn die Strickerinnen ihre Argumente akzeptierten. Um den Konflikt zu entschärfen, schlug das Militärhistorische Museum einen anderen Panzer vor: einen »Leopard I«, wie ihn die Bundeswehr verwendete. Kristina Krömer ist von der Idee angetan: »Das erlaubt es, nicht mehr nur historisch über das Thema Krieg und Gewalt zu diskutieren. « Die Debatte werde, sagt Museumssprecher Alexander Georgi, um neue Facetten bereichert: Bundeswehr-Einsätze im Ausland und Exporte von Rüstungsgütern.

Allerdings regt sich auch in dem Fall nicht nur Begeisterung. Als das Museum bei Facebook auf die Anprobe hinwies, gab es wütende Kommentare. Das Projekt sei, hieß es in dem sozialen Netzwerk, »unwürdig für die zentrale militärische Ausstellungsinstitution « in Deutschland. Ähnliche Einwände muss sich das Museum seit seiner Wiedereröffnung vor gut einem Jahr anhören; ihm wird vorgeworfen, zu selbstkritisch und differenziert mit dem Thema Militär umzugehen und den Soldaten nicht genug den Rücken zu stärken. Ein anderer Facebook-Nutzer merkte mit Blick auf die Strickerinnen an: »Auch für solche schrägen Vögel halten unsere Soldaten und Soldatinnen ihren Kopf hin.«

Im Museum steht man trotz solcher Kritik zu dem Kunstprojekt. Zwar rechnet Georgi auch weiter mit Fragen danach, »ob man das darf oder ob damit die Armee lächerlich gemacht wird«. Es sei aber Grundverständnis des Hauses, »zum Nachdenken und Diskutieren anregen zu wollen«, sagt der Oberstleutnant: »Dazu gehört die Unterstützung solcher Projekte.« Er erinnert daran, dass kürzlich bereits ein Origami-Panzer aus Papier vor dem Portal des Baus in der Albertstadt aufgestellt war, den Architekt Daniel Libeskind markant umgestaltet hat.

An gleicher Stelle wird ab 11. Februar der eingestrickte »Leopard « zu sehen sein. Bis dahin ist noch viel Arbeit nötig: Das Kanonenrohr blieb bei der Anprobe spärlich bedeckt, auch die Ketten waren noch zu sehen. Ein symbolträchtiger Flicken indes ist schon eingesetzt: An der Vorderkante des Panzers hängt ein olivgrüner Flicken mit Friedenstaube.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 31. Januar 2013


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