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"Panzer sind mitunter ein Prestigeobjekt"

Deutschland will 100 gebrauchte Leopard II an Indonesien liefern. Rheinmetall macht den Reibach. Gespräch mit Christine Hoffmann *


Christine Hoffmann ist Generalsekretärin von Pax Christi.

Die Bundesregierung hat soeben den Export von 100 gebrauchten Kampfpanzern des Typs »Leopard II« und von 50 Schützenpanzern der »Marder«-Serie nach Indonesien genehmigt. Warum ist das für Pax Christi »der europäische Supergau«?

Indonesien wollte die gebrauchten Panzer zuerst in den Niederlanden kaufen – aufgrund der Proteste in der Bevölkerung wurde dort darüber im Parlament debattiert, letztlich wurde beschlossen: Wir liefern nicht! Dadurch, daß die Bundesregierung jetzt diesen Auftrag übernimmt, fällt sie den Niederlanden in den Rücken. Das, was da abgelaufen ist, ist alles andere als eine Basis für eine gemeinsame Rüstungskontrolle der EU-Staaten.

Nachdem bekanntgeworden war, daß Indonesien mit Deutschland ins Geschäft kommen will, haben wir schon im vergangenen Jahr Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schriftlich aufgefordert, davon Abstand zu nehmen.

Haben Sie eine Antwort bekommen?

Nein, aber es ist ja auch eine Art Antwort, wenn man zu verstehen gibt, daß Deutschland liefert, wenn es andere nicht machen. Das ist etwa die Argumentation, wie wir Rüstungsgegner sie von Gesprächen mit Politikern oder Vertretern der Rüstungsindustrie hören. Da heißt es nämlich regelmäßig als Entschuldigung für die Rüstungsexporte: Wenn wir nicht liefern, werden es eben andere tun. Jetzt ist es umgekehrt: Deutschland liefert, weil es andere nicht tun.

Wegen der Lieferungen deutscher Panzer und anderer Waffen in Krisengebiete hat es schon einige große Skandale gegeben. Die Türkei z.B. hat solche Panzer im Krieg gegen die Kurden eingesetzt. Es sollen auch Panzer nach Saudi-Arabien geliefert werden, ein Land, das man nur als Diktatur beschreiben kann. Und Panzer sind wahrhaftig nicht das einzige, was die deutsche Rüstungsindustrie im Angebot hat – denken wir nur an U-Boote, Artillerie oder Handfeuerwaffen.

Es ist gesetzlich zwar verboten, Waffen in Krisengebiete zu liefern, aber wie definiert man diesen Begriff? Es geht ja auch darum, daß diese Länder viel Geld für ihre Rüstungskäufe ausgeben – Geld, das aber an anderer Stelle viel nötiger gebraucht wird. Ich weiß zwar nicht, welchen Umfang der Deal mit Indonesien hat – für Rüstungsfirmen wie Rheinmetall in Düsseldorf ist er jedenfalls hochprofitabel. Vor der Ablieferung müssen die gebrauchten Panzer modernisiert werden, das technische Personal der indonesischen Streitkräfte muß unterwiesen werden. Und dann kommen noch Wartungs- und Instandsetzungsaufgaben hinzu, was auf Dauer wohl der fetteste Batzen in diesem Geschäft sein dürfte. Es würde für ­Indonesien viel mehr Sinn machen, das Geld in den Ausbau der Infrastruktur, der Bildung oder des Gesundheitswesens zu stecken, statt es Rheinmetall hinterherzuwerfen.

Was will Indonesien eigentlich mit Panzern anfangen? Meines Wissens wird das Land von außen nicht bedroht, diese Fahrzeuge könnten also nur bei inneren Unruhen Sinn machen. Indonesien ist aber weitgehend von Urwald bedeckt – wo können denn da Panzer fahren?

Gute Frage, es gibt dort nur wenige Asphaltstraßen. Und die wären wahrscheinlich schnell hinüber, wenn man darüber Kettenpanzer fahren ließe. Und dann stellt sich die Frage, wie sich ein solcher Koloß von 60 Tonnen Gewicht im Urwald fortbewegen soll. Ein indonesischer Mönch berichtete mir, daß in seinem Lande schon seit einem halben Jahr gerätselt wird, was der Panzerdeal eigentlich soll. Der Punkt ist, daß deutsche Panzer für manche Regierungen ein Prestigeobjekt sind, ein symbolisches Machtmittel.

Pax Christi arbeitet im Bündnis »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« mit – welche Aktionen gegen Rüstungsexporte sind zu erwarten?

Wir wollen den Bundestagswahlkampf dafür nutzen, Überzeugungsarbeit zu leisten. Zum Beispiel werden wir Podiumsdiskussionen oder Frühstücksgespräche mit Kandidatinnen und Kandidaten organisieren und sie fragen, was sie gegen Rüstungexporte zu tun gedenken. Wir haben auch eine Broschüre aufgelegt mit dem Titel »Gute Gründe gegen den Waffenhandel«. Unsere nächsten öffentlichen Aktionen richten sich gegen den Hauptverdiener an diesem Deal, gegen Rheinmetall, und zwar am 13. Mai in Düsseldorf und am 14. in Berlin.

Interview: Peter Wolter

* Aus: junge Welt, Dienstag, 7. Mai 2013


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