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Frühling für Rüstungsindustrie

Britische Waffenexporte in den arabischen Raum drastisch gestiegen *

Die britische Rüstungsindustrie hat ihre Exporte in die Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens seit Beginn des Arabischen Frühlings einem Zeitungsbericht zufolge deutlich gesteigert.

Die Ausfuhr an britischen Waffen sei um fast 30 Prozent nach oben geschnellt, schrieb die »Times« unter Berufung auf eine eigene Untersuchungen. Insgesamt seien zwischen Februar und Juni Waffen im Wert von 30,5 Millionen Pfund (34,5 Mio. Euro) von Großbritannien in die Region geliefert worden, darunter nach Libyen, Bahrain und Saudi-Arabien. Im vergangenen Jahr seien es im gleichen Zeitraum 22,5 Millionen Pfund gewesen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte auf dpa-Anfrage, es gebe keine Hinweise darauf, dass aus Großbritannien gelieferte Waffen von Regierungen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wurden.

Die britische Regierung hatte nach Beginn der Aufstände in der Region den Waffenhandel unter die Lupe genommen. 160 Handelslizenzen wurden zurückgenommen, 600 weitere blieben aber bestehen. Allein Lizenzen für Waffen im Wert 1,45 Millionen Pfund dürften in die Unruhe-Länder Bahrain, Ägypten und Jemen verkauft werden, darunter Gewehre, halbautomatische Waffen und Waffen für Scharfschützen. Solche Waffen können laut »Times« von den Regimes auch im Kampf gegen die eigenen Bürger eingesetzt werden.

Während Deutschland und Frankreich ihre Exporte im Februar unterbrochen hatten, seien in Großbritannien Export-Lizenzen nach Ägypten im Wert von 3,3 Millionen Pfund aufrechterhalten worden. Noch im Februar seien Waffen für 60 000 Pfund nach Libyen exportiert worden, nach Bahrain noch im April und im Juni, als dort die Aufstände bereits in vollem Gange waren.

Die Zeitung zitierte den Vorsitzenden des Ausschusses für Internationale Entwicklung und Mitglied im Kontrollausschuss für Rüstungsexporte, Malcolm Bruce. »Der Gedanke, dass wir überhaupt Waffen dorthin liefern, ist vollkommen unvereinbar mit der Kritik, die wir geäußert haben, als sie die Aufstände niederschlugen«, sagte der Liberaldemokrat. »An dieser Stelle ist die Regierungspolitik in Sachen Waffen nicht stimmig.« Ein Sprecher des Außenministeriums konterte: »Die Regierung nimmt ihre Verantwortung für Rüstungsexporte sehr ernst und hat eines der strengsten Kontrollsysteme der Welt.« Anzeichen für Missbrauch von Waffen, die aus Großbritannien exportiert wurden, gebe es nicht. Großbritannien ist nach den USA zweitgrößter Rüstungsexporteur der Welt.

* Aus: Neues Deutschland, 31. August 2011


Perfide Waffengeschäfte

Von Olaf Standke **

Waffenexporte in Spannungsgebiete sind keine britische Spezialität. Man denke nur an die jüngste Debatte um deutsche Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien. Zwei Milliarden Euro für 200 »Leoparden« – da kümmert es offensichtlich wenig, dass die Ölmonarchie auf jedem Demokratie-Index notorisch zu den Schlusslichtern gehört. Auch britische Rüstungskonzerne haben Saudi-Arabien mit Kriegsgütern versorgt. Besonders perfide allerdings ist, dass ihre Ausfuhren in den Nahen Osten und nach Nordafrika seit Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings drastisch angestiegen sind. Um fast ein Drittel hätten sie gegenüber dem Vorjahr zugenommen, so die Londoner »Times«. Auch Lizenzen für Gewehre, halbautomatische Waffen oder solche für Scharfschützen wurden an Unruhestaaten wie Bahrain, Ägypten und Jemen verkauft.

Natürlich behauptet die britische Regierung, dass die gelieferten Waffen von den autoritären Machthabern in diesen Ländern nicht gegen die eigene aufständische Bevölkerung eingesetzt worden sind. Wie in Berlin pocht man auf eines der angeblich strengsten Kontrollsysteme der Welt. Lächerlich. Doch noch im Februar wurde der Export von Waffen für Gaddafis Truppen nach Libyen genehmigt – Kriegsgüter, die wenig später vielleicht von britischen Kampfflugzeugen im Rahmen der NATO-Bombardierungen zerstört worden sind. Gewinner sind am Ende immer die Waffenschmieden, auch dank ihrer politischen Handlanger.

* Aus: Neues Deutschland, 31. August 2011


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