Munitionsfabrik statt Panzer?
Von Menschenrechten ist längst nicht mehr die Rede
Nach übereinstimmenden Berichten im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (vom 11. September 2000) und in der "Welt" (09.09.00) zeichnet sich in der rot-grünen Regierungskoalition ein unapettitlicher Deal ab: Die Türkei soll die vom Bundessicherheitsrat zugesicherte Munitionsfabrik erhalten, dafür aber auf den Leopard-2-Panzer verzichten. Damit erhalten die Konkurrenten um den Großauftrag aus der Türkei, der französische Leclerc und der US-amerikanische Abrams ihre Chance. Deutsche Unternehmen gehen aber auch nicht ganz leer aus: Beide Modelle verfügen nämlich über deutsche Bauteile. Der französische Leclerc wird nach Angaben des "Spiegel" von einem deutschen Diesel angetrieben. Der amerikanische Abrams soll nach Wunsch der Türkei mit deutschem Motor, deutschem Getriebe und der von Rheinmetall entwickelten 120-Millimeter-Glattrohr-Kanone ausgerüstet werden.
"Die Welt" zitiert SPD-Fraktionschef Peter Struck mit der Bemerkung, dass die Regierung "die Lizenzen zum Bau dieser Panzer nicht geben" werde. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Verteidigungsminister Rudolf Scharping und die SPD-Fraktionsspitze seien sich "völlig einig", dass die Regierung "dieses Projekt nicht genehmigen" werde. Struck ging auf die Menschenrechtsituation in der Türkei ein und meinte, es gebe keinen Grund, warum man eine neue Menschenrechtslage in der Türkei unterstellen könnte. Die türkische Regierung bemühe sich zwar um eine politische Verbesserung, Erfolge seien aber noch nicht zu erkennen.
Der "Spiegel" berichtete, an dem Export-"Kompromiss" seien auch Außenminister Joschka Fischer und Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch beteiligt gewesen. Im Gegenzug für den Verzicht auf den 14-Milliarden-Panzerdeal sollen die Grünen der Lieferung einer Fabrikanlage für Gewehrmunition an Ankara zustimmen. Damit habe Schröder seinem kleinen Koalitionspartner einen Gefallen getan, stand doch die Neuwahl der Fraktionsspitze bei den Grünen im Bundestag an. Die Wiederwahl Schlauchs zum Fraktionsvorsitzenden durfte nicht gefährdet werden.
Die Frankfurter Rundschau berichtete am 09. September, dass auf der Sitzung der grünen Bundestagsfraktion aber noch einmal scharfe Worte gegen den Export der Munitionsfabrik gefunden wurden. Die Ausfuhr verstoße eindeutig gegen die Exportrichtlinie der Bundesregierung vom 19. Mai 2000. Das hatte aber keine Konsequenzen für Rezzo Schlauch, der von dem Deal wusste: Schlauch erhielt bereits im ersten Wahlgang die nötigen Stimmen zur Wiederwahl, während seine nach außen moralischer auftretende Kollegin Kerstin Müller einen zweiten Wahlgang benötigte.
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport
Zurück zur Homepage